Die Staatsgalerie macht dicht

von Anja Mia Neumann 21. Juli 2015

Der Schriftzug der Staatsgalerie Prenzlauer Berg verschwindet: Am Wochenende bei der Finissage der (vorerst) letzten Ausstellung wird er demontiert. Warum? Es geht um Miete und die Sehnsucht nach Veränderung.

Über 90 Ausstellungen in fünf Jahren, gegenständliche und abstrakte Malerei, dazu Fotografie von einem festen Stamm von Künstlern. Außerdem 200 Veranstaltungen: Lesungen, Konzerte, Film- und Buchpremieren, Bankette, Salons und eine Séance, eine spiritistische Sitzung. Das ist das Ergebnis von einem halben Jahrzehnt Staatsgalerie Prenzlauer Berg.

Macher Henryk Gericke hatte die Miete der Räume in der Greifswalder Straße 218 immer durch Kunstverkäufe finanzieren können, selbst aber ehrenamtlich gearbeitet. Nun konnte und wollte er nicht mehr so viel Miete zahlen, als der Mietvertrag nach fünf Jahren auslief.

„Es ist auch ein guter Gedanke, neu zu starten“, sagt Gericke. Er sei mit zwei seiner Künstler im Gespräch, um im kommenden Jahr die Galerie neu aufzuziehen. „Ich denke zum Beispiel an einen Salon, in dem auch Wände und Decken einbezogen sind und die Werke miteinander in Beziehung stehen.“

 

Eine Kostprobe vom Macher

 

Und weil der Mann hinter der Staatsgalerie auch Autor ist, lassen wir ihn selbst berichten von dem Ende der Räume und geben eine Kostprobe seiner Sprache:

 

„Im Gründungs-Kommuniqué der Galerie war von einem Veranstaltungsort die Rede, „der sich zum Größenwahn seiner kulturellen Ausrichtung bei höchst ungewisser Kostendeckung bekennt“. Dank einiger Sympathisanten und Unterstützer wie auch bemerkenswert kontinuierlicher und zahlreicher Verkäufe sowie der gut bis sehr gut frequentierten Veranstaltungen, die 2013/14 durch das Kulturamt Pankow gefördert wurden, arbeitete die Galerie hart am Rande ihres ökonomischen Erfolgs. …doch immer auch am Limit ihrer gebündelten Kräfte.

Im Kampf um die Balance zwischen Größenwahn und Kleinkrämerei wurde die Galerie zum Schuldner ihrer Lust am Experiment und zum Gläubiger ihrer Ressourcen an wenig Zeit und an zu vielen Möglichkeiten. Als nun nach beinahe fünf Jahren auch noch die Neu-Verhandlung des auslaufenden Mietvertrages drohte, da war es wenig erstaunlich, daß die Vorstellungen der Hauseigentümer zu dem, was eine künstlerische Initiative über die Selbstausbeutung hinaus zu leisten imstande ist, nicht kongruent sein konnten. Die Galerie im Haus war unbedingt gewollt, doch Kunst zu fördern, war nicht Teil des marktwirtschaftlichen 5-Jahresplans.“

 

Die Staatsgalerie schließt ihre Räume, aber nicht ihre Pforten

 

Und weiter: „Darüber soll an dieser Stelle keine Klage geführt werden, denn die Staatsgalerie Prenzlauer Berg schließt ihre Räume, doch nicht ihre Pforten. Mit dem Auszug ins Ungewisse tun sich neue Räume an wechselnden Orten auf, denn wie der Dichter Bert Papenfuß einst einem Nymf in den Mund legte:

man könne rügen ebensogut hawaii nennen

es sei überall wie in cornwall

es komme auf das herz an

…“

 

Die letzte Ausstellung eröffnet am Donnerstagabend, 23. Juli, in der Greifswalder Straße 218, am Samstag, 25. Juli, um 20 Uhr verschwindet der Schriftzug der Galerie. Alles läuft unter dem Namen: „Öffentliche Demontage“.

 

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