Wie Facebook uns zu AfD-Freunden erklärte

von Kristina Auer 31. Januar 2017

Die AfD erreicht auf Facebook mehr Menschen als andere Parteien. Wie ich herausgefunden habe, woran das liegt und über die Frage, wie Medien mit einer Partei wie der AfD umgehen sollten.

Eigentlich wollte ich darüber schreiben, warum die Facebook-Seite der Pankower Alternative für Deutschland (AfD) mehr Likes hat als die aller anderen Ortsverbände der Parteien in unserem Bezirk. Stattdessen handelt dieser Text aber davon, dass wahrscheinlich jeder, der sich auf Facebook mit der AfD auseinandersetzt – ob positiv oder negativ – damit indirekt ihre Seiten stärkt. Und von der Frage, wie ein Medium wie die Prenzlauer Berg Nachrichten mit einer rechtspopulistischen Partei wie der AfD, mit deren politischen Zielen es nicht im geringsten übereinstimmt, umgehen sollte. Aber der Reihe nach…

Am Montagmorgen sitze ich im Büro und überlege, über welche Themen wir in dieser Woche berichten sollen. Meine Kollegin Anja hat mir erzählt, dass sich einige Pankower Bezirksverordnete am Wochenende auf Facebook über die vielen Likes – nämlich 1.283 bei Erscheinen dieses Artikels – für die Pankower AfD gewundert haben. Eine ähnliche Zahl haben außer der AfD nur die Pankower Linken. Das finde ich spannend und will wissen, wie es zu der Beliebtheit kommt.

 

Die PBN-Seite kann nur liken, nicht abonnieren

 

Also schaue ich mir die Seite der Pankower AfD erstmal an. Wieviele Likes hat sie, welche Posts finde ich dort und so weiter. Erste Erkenntnis: So einfach ist die Seite gar nicht zu finden. Ich tippe „AfD Pankow“ ein, kein Ergebnis. Nach einigem Rumprobieren werde ich fündig: Alternative für Deutschland – Bezirksverband Berlin Pankow.

Mir fällt auf, dass die Seite noch gar nicht in unserem Newsfeed ist. Ein Newsfeed ist bei einer Facebook-Seite wie unserer das, was bei einem persönlichen Account die Startseite ist. Dort werden die Posts der über 100 Seiten angezeigt, die wir markiert haben. Darunter sind auch alle Prenzlauer Berger und Pankower Ortsverbände der Parteien. Wir nützen den Newsfeed sehr stark für die Themenrecherche, weil er uns die Neuigkeiten aller Seiten anzeigt, die für uns relevant sind. Ich füge die AfD-Seite dazu, damit ich beim nächsten Mal nicht mehr so lange suchen muss.

Es gibt für Facebook-Seiten wie uns genau einen Weg, die Aktivität anderer zu verfolgen. Abonnieren, wie ein persönliches Facebook-Profil, können wir andere Seiten nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, dass dieses Hinzufügen zum Newsfeed „mit Gefällt mir markieren“ heißt.

Jetzt aber schon, denn kurze Zeit später ist die Entrüstung in unserer Facebook-Community groß. Unsere Follower haben nämlich die Nachricht auf ihrer Startseite gelesen: Prenzlauer Berg Nachrichten gefällt Alternative für Deutschland – Bezirksverband Berlin Pankow. Das kommt verständlicherweise jetzt nicht gerade gut an. Ob wir besoffen sind, fragen die sanfter gestimmten Leser. Andere „entliken“ uns einfach direkt und schreiben wütende Kommentare.

Klar, es ist irgendwie etwas anderes, ob man die eine rechtspopulistische Partei wie die AfD mit „Gefällt mir“ markiert oder eine andere. Bei einem persönlichen Facebook-Freund würde mich ein Like für die AfD wahrscheinlich auch mehr bestürzen als beispielsweise eins für die Grünen. Allerdings sind die PBN keine Person sondern eine Zeitung. Wenn wir eine Partei mit „Gefällt mir“ markieren, machen wir das, um an Informationen zu kommen, und nicht, um eine Sympathie mit egal wem zu bekunden. Ist es so gesehen nicht doch das Gleiche? Oder sollten wir die AfD doch anders behandeln als die anderen Parteien?

 

Der Algorithmus schlägt zu

 

Es ist jedenfalls das erste Mal, dass unsere Leser auf eine unserer Gefällt-mir-Angaben reagieren. Ehrlich gesagt war mir bis jetzt nicht mal klar, dass Facebook dafür extra eine Benachrichtigung erstellt. Ich bin offensichtlich keine Social-Media-Expertin, geschenkt. Trotzdem vermute ich, dass solche Meldungen nicht immer gleich vielen Menschen angezeigt werden. Also beschließe ich, einen Test zu machen und abonniere mit meinem persönlichen Facebook-Profil die Seite der Pankower AfD. Und tatsächlich fragt mich ein Freund nach wenigen Minuten, ob ich mit der Tastatur ausgerutscht sei. Ich bitte Ihn, kurz online zu bleiben und abonniere zum Vergleich die FDP Prenzlauer Berg. Mein Freund sieht nichts. Ich grusele mich ein bisschen.

Die Erklärung liegt im Facebook-Algorithmus. Der sortiert die Beiträge für alle Nutzer vor und zeigt ihnen diejenigen an, die er für relevant hält. „Wenn eine Seite eine andere mit “Gefällt mir” markiert, wird automatisch ein Beitrag generiert. Ob dieser den Fans der Seite angezeigt wird, hängt von der Aktualität und der individuellen Relevanz des Beitrages ab“, erklärt mir eine Facebook-Sprecherin. Individuelle Relevanz bedeutet in diesem Fall: Jemand, der sich auf Facebook in welcher Art auch immer für die AfD interessiert, über sie gesprochen oder Artikel geliked, kommentiert oder geteilt hat, dem werden Beiträge, die etwas mit der AfD zu tun haben, auch öfter angezeigt. Und wenn das mehr Menschen tun als beispielsweise bei Beiträgen der FDP, dann erreichen die Beiträge der AfD automatisch mehr Menschen als die der FDP. Daran könnte es also gelegen haben, dass meinem Freund mein Abonnieren der AfD-Seite angezeigt wurde, das der FDP aber nicht. Wie der Algorithmus genau Themen gruppiert oder auswählt und nach Relevanz einstuft, weiß ich nicht. Fest steht jedenfalls, dass die Inhalte selektiert werden.

 

An Werbung liegt es nicht

 

Aber damit nicht genug: „Facebook erkennt auch, wenn Nutzer bei einem Beitrag länger stehen bleiben anstatt weiterzuscrollen, und stufen diesen dann als relevanter ein“, sagt Simon Mader. Er ist Facebook-Marketing-Experte und berät Unternehmen dabei, wie sie sich über Facebook erfolgreich darstellen können. Weil ein Like für die AfD brisanter ist als für eine andere Partei, könnten einige Nutzer beim Lesen länger stehengeblieben sein, vermutet Mader.

Das Gleiche gilt dann noch verstärkt für Interaktionen mit dem Beitrag: „Je mehr Nutzer einen Post kommentieren, desto mehr Menschen wird er auf der Startseite angezeigt“, sagt Mader. So entsteht eine Kettenreaktion und ein Beitrag wird immer beliebter. Deshalb wurden so viele unserer Leser benachrichtigt, als wir die AfD mit „Gefällt mir“ markierten, während unsere Likes für SPD, CDU, Grüne, Linke, Piraten und die Partei niemand mitbekam. Und so schnell entsteht ein verzerrtes Bild.

Damit, ob die AfD auf Facebook bezahlte Werbung schaltet, hat die Anzeigehäufigkeit dieses Posts stattdessen nichts zu tun. „Das könnte man nur bei persönlichen Profilen einstellen, aber nicht bei den Fans anderer Facebook-Seiten“, sagt Mader.

Achso, übrigens: Die Leser, die sich über unser Like für die AfD geärgert haben, wurden uns dann auch so angezeigt: „xy gefällt deine Aktivität“ – nicht, müsste da stehen, aber bekanntermaßen verzichtet Facebook auf das viel geforderte Nicht-Like. Nur das kleine wütende Gesicht lässt darauf schließen, dass die Begeisterung sich in Grenzen hält. Wären die PBN ein Personenprofil und keine Seite, stünde dort „…hat auf deine Aktivität reagiert“. Vielleicht muss Facebook also einfach noch ein bisschen an den Formulierungen arbeiten. Und wir können dann demnächst Seiten auch einfach nur noch abonnieren, beobachten oder ihnen folgen anstatt sie gleich gut finden zu müssen.

 

Falls Euch dieser Artikel wichtig ist:

Den Platz und die Zeit, um solche Texte zu schreiben, haben unsere Autoren nur dank Prenzlauer Bergern wie Euch. Denn die Prenzlauer Berg Nachrichten sind eine komplett werbefreie Online-Zeitung, die allein von ihren Lesern lebt.

Wenn Ihr mehr Debatten, recherchierte Geschichten und Nachrichten aus nächster Nähe haben wollt, setzt ein Zeichen, unterstützt uns und werdet hier Mitglied.

Um uns besser kennen zu lernen, könnt Ihr hier unsere Wochenpost abonnieren (die gibt es in abgespeckter Version nämlich auch für Nicht-Mitglieder). Jeden Freitag bekommt Ihr dann einen kompakten Newsletter mit den Neuigkeiten aus unserem Kiez, inklusive eines freigeschalteten Artikels. Oder folgt uns hier auf Facebook.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar