Eine Kaufhalle auf Zeit

von Saskia Weneit 13. November 2014

Seit einem Monat kaufen Anwohner des Bötzowviertels in einem Zelt ein. Der Rewe aus der Pasteurstraße ist
für zwei Jahre in ein Provisorium gezogen. Für viele ein beschwerlicher Weg.

Wie eine Mischung aus Garage und Festzelt, dieser Rewe auf der Werneuchener Wiese. Ringsrum Jogger im angrenzenden Volkspark Friedrichshain, rechts vom Eingang ein Beachvolleyballfeld und eine Tankstelle, dahinter die Kniprodestraße. Einkäufer tragen ihre Tüten am Bauzaun vorbei, der den kompletten Supermarkt umschließt. Bisschen Wellblechcharme kommt auf, wenn man die Stahlkonstruktion aus mehreren Schichten näher ansieht. Seit einem Monat müssen Anwohner hier ihre Lebensmittel kaufen, weil der Flachbau am alten Standort in der Pasteurstraße durch ein Wohnhaus ersetzt wird. Zwei Jahre wird das dauern. Danach zieht der Supermarkt ins Erdgeschoss des Neubaus. 

Hat man die Halle auf dem Weg zum Eingang umrundet, fällt der für Prenzlauer-Berg-Verhältnisse große Parkplatz auf. Innen hohe Decken, an denen Rohre in weißen Planen für Belüftung und Wärme sorgen. Ansonsten sieht es aus wie in anderen Filialen: vorne Obst und Gemüse, an der Kasse Zeitschriften und Süßkram. 28 Mitarbeiter arbeiten hier, die Verkaufsfläche von 1050 Quadratmeter ist gleich geblieben. Kurz kann man vergessen, in einem Provisorium nach Waschmittel zu suchen. Die Wände, die aussehen wie eine Mischung aus Garagen- und Messehallenkonstruktion oder das verloren wirkende Weinregal erinnern einen dann doch daran, dass das hier eine Zwischenlösung ist. 

 

Endlich passt der Kinderwagen durch die Gänge

 

Stören muss das aber nicht. “Ich komme hier viel besser mit dem Kinderwagen durch, alles ist eben und auch die Gänge an den Kassen sind breiter”, sagt eine Anwohnerin und verstaut einen Einkaufsbeutel im Fahrradkorb. Sie schiebt ihre Kinder regelmäßig in einem Bollerwagen über die braunen Holzspannplatten, vorbei an Pasta und Dosenmais. Im Rewe in der Pasteurstraße ging das nicht so gut. “Ganz ehrlich, ich gehe hier lieber hin. Aber eine Freundin von mir kommt zum Beispiel gar nicht mehr her, die findet diesen Bau schrecklich”, so die Mutter. 

Dem 56-Jährigen Anwohner, der seinen Einkaufstrolli hinter sich herzieht, ist die Optik egal, solange Angebote und Preise stimmen. Ihn ärgert etwas ganz anders: “Die hätten den Eingang ruhig zur Straße bauen können. Gucken Sie mal, wie schlecht man hier hinkommt.“ Konnten er und sein Hund noch bis zum 15. Oktober einfach durch den Kiez laufen, muss er jetzt jedes Mal durch den Park für Milch, Brot oder Hundefutter. Beschwerlich findet er das. Aus der Pressestelle von Rewe heißt es, die Lage des Eingangs habe der Bezirk vorgegeben.

 

Radfahrer und Autobesitzer sind im Vorteil

 

Etwa 900 Meter entfernt ist die Halle von der Pasteurstraße, ein kleines Stück außerhalb des Bötzowviertels. Anwohner müssen die vierspurige Kniprodestraße überqueren. Für alltägliche Besorgungen sei das in Ordnung, findet die 57-Jährige, die schon Jahrzehnte in Prenzlauer Berg wohnt. Sie kommt zu Fuß, langsam und ein bisschen nach vorn gebeugt trägt sie ihren Einkaufsbeutel über den grünen Trampelpfad in der Virchowstraße Richtung Wohnviertel. Eine kleine Abkürzung. “Aber für Großeinkäufe komme ich nicht mehr her. Zu weit und die Frischetheke fehlt”, sagt sie.

Bei Rewe selbst ist man derweil froh über das Provisorium, das innerhalb von zwei Monaten auf der Wiese entstand. „Mit dem Ergebnis sind wir bezüglich Konstruktion, zügiger Aufbauzeit und Optik sehr zufrieden“, sagt eine Sprecherin. 

Lange wurde überlegt, wohin der Supermarkt ausweichen soll in einem Kiez, in dem Lebensmittelläden ohnehin rar gesät sind. 6200 Quadratmeter umfasst die Wiese zwischen Kniprode-, Virchow-, Margarete-Sommer- und Danziger Straße. Genug Platz für einen Supermarkt. 

Allerdings wurde die Fläche in den 1990er Jahren zur geschützten Grünfläche erklärt. Um die Nahversorgung der Anwohner sicherzustellen, erteilte der Bezirk eine Sondergenehmigung. 200.000 Euro zahlt die Baugruppe, die das alte Rewegebäude abreißt, an den Bezirk. Mit dieser Sondernutzungsgebühr wird der Spielplatz in der Hans-Otto-Straße saniert, 160.000 wird das kosten. Im Frühjahr soll es los gehen, noch läuft das Planungsverfahren. „Jetzt spricht der Kiez, Kinder und Jugendliche und eine Initiative für Bürgergärten entscheiden, was passieren soll“, sagt Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung. Der Rest des Geldes geht zum Teil an den Arnswalder Platz und wird für neue Bäume und Bänke verwendet.

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