Harmlos oder giftig?

von Thomas Trappe 6. Oktober 2014

Im Winskiez breitet sich eine Schadstofffahne im Erdreich aus, langsam Richtung Alexanderplatz. Und im Thälmann-Park zeigt ein Gutachten, dass der Boden ungeeignet zum Spielen ist. Die Anwohner glauben das nicht.

Der Grad der Giftbelastung in Boden und Grundwasser des Thälmann-Parks und dem angrenzenden Winskiez wirft zunehmend Fragen auf. Das zeigen eine Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf eine Anfrage des Piratenabgeordneten Philipp Magalski im Abgeordnetenhaus und die jüngsten Entwicklungen um einen ehemaligen Spielplatz im Thälmannpark. In der Anfrage wird klar, wenn auch nicht klar formuliert, dass sich eine Giftfahne von mehreren hundert Metern Breite langsam in Richtung Alexanderplatz schiebt, unter den Winskiez und mehrere Spielplätze. Und im Thälmannpark ist eben ein solcher Spielplatz stillgelegt worden wegen eines Gutachten, das eine Bodenbelastungen nahelegt. 

Die schriftliche Anfrage, die Pirat Magalski zur Altlasten- und Giftbelastung im Thälmann-Park stellte, war bereits die dritte, den Anfang machte 2012 der Prenzlauer Berger Grünen-Abgeordnete Andreas Otto. Hintergrund ist, dass im Thälmannpark bis 1981 hundert Jahre eine Gasanlage stand, die zugunsten des heute dort befindlichen Wohngebiets abgerissen wurde – offenbar auf eine Weise, die zu Giftrückständen in Boden und Grundwasser führte. In der Antwort auf Ottos Anfrage von vor zwei Jahren bejahte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Grundwasserbelastung durch BTEX (Benzol), einen krebserregenden Stoff. In der Antwort auf Magalskis erste Anfrage im April dieses Jahres wurde dann auch auf Belastung durch PAK, ebenfalls krebserregend, hingewiesen. Und in der Antwort auf die neueste Anfrage wurde nun dargelegt, dass sich die Belastung weiter ausbreitet. 

 

Gift jetzt schon an der Marienburger

 

Vor zwei Jahren hieß es noch, dass sich die Schadstofffahne sich „aufgrund der laufenden Sicherungsmaßnahmen“, gemeint waren Bodensanierungen und Grundwasseraufbereitungen, „seit Beginn der halbjährlichen Grundwasserüberprüfung 2004 nicht“ geändert habe. Das hört sich nun allerdings schon anders an: Habe sich eine „550 Meter lange und 50 bis maximal 250 Meter breite Fahne, die sich unterhalb der Danziger Straße in südöstliche Richtung (Greifswalder Straße)“ 2012 bis zur Christburger Straße ausgedehnt, ist nun die Rede von der Marienburger Straße. Im Klartext: Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Fahne einen Häuserblock in Richtung Alexanderplatz ausgedehnt. Über dem Grundwasser ist demnach auch der Boden mit Benzol belastet. „Die höchsten Feststoffkonzentrationen sind in einer Tiefe zwischen 6 und 15 Metern unter Gelände nachzuweisen“, heißt es in der aktuellen Auskunft der Senatsverwaltung. In der ersten Hälfte dieses Jahres seien daher drei „Sicherungsbrunnen“ an der Danziger Straße installiert worden, zur Reinigung des Wassers. Allerdings ist das Ziel ausgegeben, dass diese ihre Förderraten um das bis zu dreifache steigern sollen. Bis jetzt wird also noch zu viel belastetes Grundwasser durchgelassen.

Beim Bundesumweltamt in Dessau erklärt ein Experte, dass die Maßnahmen, die in der Senatsantwort aufgeführt werden, geeignet scheinen, die Schadstoffbelastung in den Griff zu kriegen. Zwar seien die genannten Werte hoch, in Berlin und anderen Großstädten allerdings auch nicht unüblich. Da sie in großer Tiefe vorzufinden seien, gehe er nicht von einer Gefahr für die Bevölkerung aus. Allerdings hieße das nicht, dass kein Handlungsbedarf bestehe. „Aber es wurden ja offenbar Maßnahmen ergriffen.“

 

Anwohner glauben nicht an Belastung

 

Auch Philipp Magalski zeigt sich zuversichtlich, dass „sich auf jeden Fall etwas tut“, er glaubt, dass die Senatsverwaltung „das in den Griff bekommt“, die Reinigungsbrunnen also ihren Zweck erfüllten.  Der Grüne Andreas Otto, der sich schon länger mit der Altlasten-Situation im Thälmann-Park beschäftigt, sieht das etwas anders. Es räche sich jetzt, dass der Boden in dem Gebiet vor der Wohnbebauung nicht ausgetauscht worden sei. „Das Ganze ist ein Mahnmal für den Umgang der SED mit der Umwelt und den Menschen in der Stadt.“ Aber auch nach der Wende seien nicht die notwendigen Schritte unternommen worden. „Als umfangreiche Untersuchungen durchgeführt wurden, scheute der Senat die Kosten.“ Das Land müsse nun, wenn nötig, neue Reinigungsbrunnen aufstellen, fordert Otto, außerdem die Informationspolitik geändert werden. „Viele wissen nichts von dem Gift im Boden.“

Das beklagt auch die Thälmannpark-Anwohnerinitiative „teddyzweinull“, wenn auch mit gänzlich anderer Stoßrichtung als Andreas Otto. Markus Seng, Sprecher der Initiative, fordert nämlich, die Gefahren durch Schadstoffe „nicht zu übertreiben“. Anlass ist die jüngste Sperrung des zentralen Spielplatzes im Thälmann-Park. Dieser, so die Begründung des Amtes, sei dermaßen kontaminiert, dass er stillgelegt werden musste. Verwiesen werde auf ein Gutachten, erklärt Seng. „Aber der Bezirk zeigt es uns nicht. Wir wollen uns gerne selbst ein Bild machen.“ Seng verweist darauf, dass überall in der Stadt Schadstoffe finden würde, „wenn man nur sucht“. Er und seine Initiative plädiert nun dafür, den Spielplatz wieder zu öffnen. Ein Mitstreiter, ein Ingenieur von 90 Jahren, hat inzwischen einen Vorschlag ausgearbeitet, wie ein Spielplatz angelegt werden könnte, frei von Schadstoffbelastung.

 

Weitere Proben sollen genommen werden

 

Der für die anstehende bauliche Entwicklung des Thälmann-Parks (zum Dossier) zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) erklärt, dass der Boden unter dem Spielplatz „verseucht“ sei, „so dass wir die Reißleine ziehen mussten“. Christiane Martens, Leiterin des Umwelt- und Naturschutzamtes, ergänzt, dass bei ihren Untersuchungen zwar keine Belastung des Sandes im Spielplatz festgestellt wurde, allerdings des Bodens und der Bodenluft unter dem Platz. „Aus Vorsorgegründen mussten wir hier handeln“, sagt Martens. Sie will jetzt weitere Untersuchungen des umliegenden Bodens veranlassen, in der vergangenen Wochen gab es dazu Gespräche mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Diese trage die Verantwortung für weitere Maßnahmen, erklärt der für Umwelt zuständige Stadtrat Torsten Kühne auf Anfrage. „Als Bezirk sind wir auf die Erkenntnisse und Aussagen der zuständigen Senatsverwaltung angewiesen.“ 

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