„Das war kein Wahlkampf“

von Juliane Schader 21. August 2013

Als Angela Merkel in der vergangenen Woche die Schliemann-Schule besuchte, sah es nach einem gut inszenierten Wahlkampftermin aus. An einer Schule?! Wir haben bei den Verantwortlichen nachgefragt.

Jubelnde Schüler, die Handyfotos machen. Ein Podest voller Fotografen im Kampf um das beste Foto. Und Drillinge in Einheitskleidung, die Angela Merkel Blumen überreichen. Dieses Bild bot sich in der vergangenen Woche auf dem Schulhof des Heinrich-Schliemann-Gymnasiums in der Dunckerstraße. Dort war Merkel auf Einladung des Jugendmagazins Spiesser zu Besuch, um zum Jahrestag des Mauerbaus eine Vertretungsstunde in Geschichte zu geben. So zumindest die offizielle Lesart. Wer dabei war, bekam den Eindruck, dass hier die Spitzenkandidatin der CDU einen schönen Wahlkampftermin verlebte. An einer Schule. Mit Schülern als jubelnden Statisten. Ausgerechnet am 13. August.

 

Kein Termin-Diktat für die Kanzlerin

 

Der Spiesser als Veranstalter sieht bei sich kein Versäumnis. Den Termin, knapp sechs Wochen vor der Wahl, habe das Bundespresseamt ausgewählt, sagt Geschäftsleiterin Stephanie Forner. „Wir haben eine Spiesser-Vertretungsstunde organisiert, über deren Inhalt wir exklusiv in der Spiesser September-Ausgabe berichten können. Wir hatten uns nicht eingebildet, einer Bundeskanzlerin den Zeitpunkt dafür diktieren zu können.“

Damit erklärt Forner auch, warum an der Geschichtsstunde selbst keine Presse teilnehmen durfte – der Termin war ausschließlich den Journalisten des Jugendmagazins vorbehalten. Ein paar Zitate zum Weiterverwenden wurden im Anschluss auf der Internetseite des Magazins angeboten.

Nur vor der Stunde war man nicht um Exklusivität bemüht: Offiziell konnte sich jeder Journalist, darunter auch wir, über das Bundespresseamt dafür anmelden, was zu einem Presseauflauf auf dem Schulhof führte. Für diesen Tagesordnungspunkt sei jedoch allein das Bundespresseamt verantwortlich gewesen, erklärt Forner: „Der Spiesser hat keine Medien zu dem Bildtermin auf dem Schulhof eingeladen, schon gar nicht zu einem Wahlkampftermin, und der Spiesser hat einen solchen auch nicht organisiert. Davon distanzieren wir uns ausdrücklich.“

Anfrage beim Bundespresseamt. Dort vertritt man die Meinung, um Wahlkampf habe es sich nicht gehandelt, „sondern um einen lange geplanten Termin der Bundeskanzlerin.“ Zum Presserummel auf dem Schulhof heißt es, es sei „üblich, dass das Bundespresseamt bei derartigen Terminen der Bundeskanzlerin begleitende Pressetermine organisiert.“ Noch mehr: „Diese Verpflichtung ergibt sich auch aus dem verfassungsrechtlichen Informationsauftrag des Bundespresseamtes“.

 

Die Schulleiterin schweigt

 

Halten wir also fest: Der Spiesser als Veranstalter distanziert sich davon, Angela Merkel einen Wahlkampftermin organisiert zu haben. Dass es einer war, dem widerspricht Stephanie Forner jedoch nicht. Und das Bundespresseamt sieht sich in der Pflicht, der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, Angela Merkel beim Betreten eines Schulgebäudes zu fotografieren. Denn mehr war nicht möglich, waren doch Wortjournalisten zu diesem Termin gar nicht erst eingeladen und Fragen nicht vorgesehen.

Nun gibt es in der Geschichte noch einen dritten Akteur: die Schule. Doch leider ließ Schulleiterin Sylvia Salecker eine Anfrage unbeantwortet*. So wissen wir nicht, welche Rolle das Gymnasium bei der perfekten Inszenierung des Vormittags hatte. Was Salecker darüber denkt, wie sich der werbefreie Raum Schule mit dem Auftritt einer Spitzenkandidatin sechs Wochen vor der Wahl verträgt. Oder ob den Schülern die Teilnahme an der Merkel-Begrüßung im Hof freistand. Was schade ist, denn vielleicht gab es ja für alles gute Gründe. 

Statt dessen bleibt der fade Nachgeschmack, das Schutzbefohlene hier politisch instrumentalisiert wurden. Auch wenn keiner dafür verantwortlich sein mag.

 

*Nachtrag:

Am Nachmittag der Veröffentlichung lässt Schulleiterin Salecker über ihre Sekretärin ausrichten, dass sie keine Fragen beantworten wird. 

 

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