Nie mehr Stille Straße

von Juliane Schader 24. April 2013

Einsparen und Schließen war gestern, ab sofort soll das Verhältnis zwischen Bezirk und seinen sozialen Einrichtungen konstruktiv sein. Wo es Handlungsbedarf gibt, das zeigt nun ein Gutachten.

Wenn alte Damen Häuser besetzen und Hochbetagte im März zum Aktionstag auf die Straße laden, dann dürfte auch dem Letzten klar werden: In Pankow läuft derzeit einiges schief. Seit Jahren fährt der Bezirk ein straffes Sparprogramm, dem zuletzt auch soziale Einrichtungen wie die beiden Seniorentreffs Stille Straße und Herbstlaube geopfert werden sollten. Der massive Protest der Alten dagegen signalisiert, dass eine Untergrenze der Erträglichkeit dabei nun erreicht ist.

Auch der Bezirk hat das erkannt und möchte nun umschwenken vom strikten Eindampfen zum Aufbau einer gerechteren und effizienteren Angebotsstruktur im Bezirk. Um herauszufinden, wo man dabei ansetzen muss, wurde im vergangenen Jahr ein Gutachten in Auftrag gegeben, um den Status quo aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen zu geben. Die Berliner Gesellschaft Beratung Bildung Innovation (BBI) hat es erstellt und in der vergangenen Woche erstmals im Sozialausschuss präsentiert.

 

Angebote für Menschen ab 27

 

Betrachtet wurden dabei alle Angebote, die für Menschen ab 27 Jahren gemacht werden: Die Studie widmet sich allen Einrichtungen, die vom Sozialamt gefördert werden. Für die Jüngeren ist das Jugendamt zuständig, wo parallel eine ähnliche Untersuchung läuft.

Insgesamt 292 Angebote haben die Autoren gezählt, davon 89 vollstationäre Pflegeeinrichtungen. Die meisten von ihnen liegen im Süden des Bezirks, in Prenzlauer Berg und Alt-Pankow, was sich leicht damit erklären lässt, dass dort die Bevölkerungsdichte besonders hoch ist. In den nördlichen Regionen ist das Netz dagegen weit weniger dicht. Besonders in Buch, Blankenfelde und Blankenburg muss man oft über zwei Kilometer weit fahren, um etwa eine Pflegeeinrichtung zu erreichen.

 

Kein Cent am Helmholtzplatz

 

Auf diese allgemeine Betrachtung folgt eine detaillierte Analyse der unterschiedlichen Regionen des Bezirks. Beleuchtet wird dabei etwa das Verhältnis ehrenamtlich Engagierter oder eingesetzter finanzieller Mittel zur Einwohnerzahl. Dabei werden sehr diffuse Ergebnisse zu Tage gefördert – das Gebiet um den Humann- und den Ostseeplatz wirkt zum Beispiel völlig überversorgt, wohingegen am Helmholtzplatz kein einziger Cent aus dem Bezirkshaushalt in eine soziale Einrichtung fließt.

Vorschnelle Schlüsse sollten daraus aber nicht gezogen werden: Das Netz der sozialen Einrichtungen muss sich nach der Bevölkerungsverteilung und Altersstruktur richten. Gerade im Hinblick auf die Bevölkerungsprognose für Pankow, das bis 2030 um 60.000 Einwohner wachsen soll, wobei vor allem die Zahl der Menschen über 60 Jahre steigen soll, bedarf es da noch einer genaueren Interpretation.

 

Erster Schritt: Unterversorgung bekämpfen

 

So sehen das auch die Zuständigen im Bezirk. „Wir haben nun bestätigt, dass es Bereiche gibt, die besser versorgt sind als andere. Diese Unterversorgung müssen wir nun erstmal bekämpfen“, sagt Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD), Pankows Sozialstadträtin. Im zweiten Schritt gelte es dann, die Parameter des Gutachtens noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen und daraus eine Strategie zu entwickelt, die Struktur nachhaltig zu verbessern. „Das Ideal wären eine gleichmäßige Versorgung und mehr Generations-übergreifende Angebote.“ Dazu müsste auch die bereits bestehende Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ausgebaut werden.

Auch Axel Bielefeld (Linke), Vorsitzender des Sozialausschusses, meint, dass die Arbeit nun erst beginne. Übernehmen soll diese eine extra gegründete Unterarbeitsgruppe. „Aus meiner Sicht gibt es durchaus noch Diskussionsbedarf, etwa über die gewählten Kriterien“, meint Bielefeld. „Wir haben jetzt eine Menge neuer Daten, die es auszuwerten gilt.“

 

Vernetzen, vernetzen, vernetzen

 

Während der Bezirk sich nun an die Analyse macht, haben die Autoren des Gutachtens schon einige Handlungsempfehlungen parat: Sie raten zur Einrichtung von Nachbarschaftshäusern als Treffpunkt für alle Generationen in allen Bezirksregionen, um das soziale Netz zu stärken. Zudem sollen sich Jugendeinrichtungen auch für Ältere und kommunale Begegnungsstätten auch für jüngere Zielgruppen öffnen. Die Vernetzung soll besser werden, die Kirchengemeinden mit einbezogen, Angebote von Wohnungsbaugesellschaften auch für Nicht-Mieter erschlossen und nicht zuletzt mehr Ehrenamtliche angeworben werden.

Was davon umsetzbar und vor allem bezahlbar ist, das darf der Bezirk nun herausfinden. Bis zur Verabschiedung des Haushalts im September sollen die ersten Schritte feststehen, damit dafür bereits Geld eingeplant werden kann. Die langfristige Strategie wird etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.

 

 

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