Integrativem Hostel droht das Aus

von Thomas Trappe 4. Februar 2013

In der Choriner Straße arbeiten Menschen mit Schwerbehinderungen im Hostel-Service. Dem Sozialprojekt droht das Aus. Weil Wohnungen als Ferienappartements vermietet werden.

Es wird weiter gehen. Nachdem Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) vor wenigen Tagen das erste Mal ein Appartementhaus in der Kopenhagener Straße überprüfte, mit dem Ziel, die ungenehmigte Nutzung von Mietwohnungen zu beenden, will er sich nach eigenen Angaben keine lange Pause gönnen. Es werde laut Kirchner bald weitere Besuche in Häusern geben, bei denen der Verdacht besteht, dass hier ein regelmäßiger Appartementbetrieb stattfindet und so Wohnungen dem regulären Mietmarkt entzogen werden. Dass das Bezirksamt zunächst die Adressen anpeilt, in denen die Vermietung von Ferienwohnungen allgemein bekannt ist, versteht sich von selbst. Und so könnte das Amt bald an den Türen der Choriner Straße 37 klopfen. Öffnen könnten Menschen mit Schwerbehinderungen, die hier in einem integrativen Hostelbetrieb arbeiten.

Genau wie die Kopenhagener Straße liegt die Choriner Straße im Erhaltungsgebiet Teutoburger Platz. Für dieses wie auch andere Erhaltungsgebiete in Prenzlauer Berg gilt seit Jahresbeginn eine neue Verordnung, die die Umnutzung von Mietwohnungen in Ferienappartements grundsätzlich untersagt; das Amt will diese jetzt rigoros umsetzen. „Auch die Choriner 37 ist von der Verordnung betroffen“, erklärte Stadtrat Kirchner jetzt auf Anfrage. Allerdings sind die Appartements in der Choriner nicht ganz gewöhnliche Ferienwohnungen. Das Haus gehört zur Pfefferbett gGmbH, die auch in der Christinenstraße und anderen Bezirken insgesamt 70 Wohnungen vermietet. Die Pfefferbett gGmbH wiederum ist eine hundertprozentige Tochter des Verbundes für integrative Angebote (VIA gGmbH). Öffentlich gefördert hat sich der VIA der dauerhaften Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderungen im allgemeinen Arbeitsmarkt verschrieben. Auch in der Choriner Straße arbeiten Menschen mit Schwerbehinderungen – dieser Arbeitsplatz ist jetzt bedroht. 

 

Es ist nicht der erste Angriff auf das Hostel

 

Ansgar Dietrich ist Prokurist des VIA, er und seine Kollegen stehen bereits „intensiv“ mit dem Bezirksamt in Verbindung, wie er auf Anfrage erklärte. „Wir prüfen gerade, ob die neue Verordnung Auswirkungen auf den Betrieb in der Choriner Straße hat.“ Menschen mit Behinderung, ungefähr 40 Prozent der VIA-Mitarbeiter, würden in den Ferienwohnungen vor allem Reinigungsarbeiten und handwerkliche Tätigkeiten verrichten, sagte Dietrich. Er machte auch klar, dass er keinen Konfrontationskurs mit dem Bezirksamt fahren will. Zwar werde überprüft, ob es Ausnahmetatbestände gebe – der VIA wolle aber grundsätzlich rechtssichere Verhältnisse in der Choriner. Sollte also das Amt die Ferienwohnungen untersagen, wird es wohl, anders als bei vielen anderen Appartementvermietern, voraussichtlich keinen langwierigen Rechtsstreit geben. Das integrative Projekt könnte damit eines der ersten sein, an dem sich das neue Zweckentfremdungsverbot durchexerzieren lässt. 

Bereits im vergangenen Mai stellte die Linke Katrin Lompscher im Berliner Abgeordnetenhaus eine Kleine Anfrage. Sie wollte wissen, ob der Senat wisse, dass elf Ferienwohnungen in der Choriner Straße 37 vermietet werden und ob ausgeschlossen werden könne, „dass in diesen Betrieb von Ferienwohnungen öffentliche Fördermittel/Zuwendungen (z. B. Zuschüsse für Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen) eingeflossen sind oder weiterhin einfließen?“ Die Senatsverwaltung für Soziales erklärte, dass das Unternehmen Zuschüsse für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zahle. Die Unterstützung integrativer Unternehmen, die Mietwohnungen als Appartements vermieten, künftig zu unterlassen, dazu sah die Senatsverwaltung keinen Anlass. 

 

Struktur ist für Menschen mit Behinderungen besonders wichtig

 

Der Beauftragte des Bezirks für Menschen mit Behinderungen, Detlef Thormann, will sich jetzt mit den Verantwortlichen in der Verwaltung und beim VIA unterhalten, um sich ein eigenes Bild zu machen. Auch er sieht das Dilemma. Zweifelsohne seien integrative Angebote sinnvoll, „und vor allem in der Gastwirtschaft funktioniert das erfahrungsgemäß sehr gut“. Andererseits müssten die gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden. „Da hat der Betreiber eine Fürsorgepflicht, dass es von vornherein keine Unklarheiten gibt.“ Gerade Menschen mit geistigen Behinderungen bräuchten eine feste Struktur, dafür sei ein fester Arbeitsplatz ideal. Wenn dieser wegfalle, träfe das die Betroffenen besonders hart. 

 

 

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