Baustelle #14

von Ute Zauft 1. Juni 2012

Und was machst Du so? In unserer Interview-Reihe schauen wir den Arbeitern der Gegenwart kurz über die Schulter. Heute dem Gemüsebauern Frank Wesemann.

Nichts bleibt, wie es war, schon gar nicht in Berlin und erst Recht nicht in Prenzlauer Berg. Es wird gebaut, gezimmert, abgerissen und verputzt, gebastelt, geplant und verworfen, was das Zeug hält. Und es wird auch gebacken, repariert, gedrechselt, poliert, geschrieben, gelötet, geschweißt und geschnippelt. Eine Momentaufnahme über den Arbeitsstand der Dinge.

 

Frank Wesemann, 41, Gemüsebauer in der Prignitz und Gemüsehändler auf dem Markt am Arnswalder Platz.

 

Woran arbeiten Sie gerade?

Ich baue gerade meinen zweiten Stand für heute auf. Ich bin jede Woche auf zwei Märkten gleichzeitig, hier und am Boxhagener Platz in Friedrichshain. Mein Hof liegt etwas weiter weg, und deswegen habe ich mir überlegt, dass es besser ist, einmal in der Woche auf zwei Märkten zu verkaufen, als zweimal die Woche nach Berlin rein zu fahren. Das ist immer stressig, aber zum Glück fangen die Märkte zeitlich versetzt an.

Ansonsten ist zu Hause auf dem Hof in Barenthin gerade „Haupt-Hauptsaison“: Ich säe viel aus, ziehe Jungpflanzen in der Saatschale vor und vereinzelne die vorgezogenen Jungpflanzen, so dass sie mehr Platz haben. Außerdem pflanze ich, hacke Unkraut und ernte natürlich auch.

 

Für wen machen Sie das?

Erst einmal für mich und meine Familie, um selbst Gemüse zu haben. Und dann natürlich für meine Kunden und Abnehmer, die das Gemüse bei mir kaufen. Meine Kunden sind ganz unterschiedlich. Aber ich würde sagen, schwerpunktmäßig sind es ernährungsbewusste Menschen, die Qualität statt Quantität schätzen.

 

Irgendwelche Schwierigkeiten?

Meine größte Schwierigkeit ist vielleicht, meine vielen Pläne und Ideen alle umzusetzen.

Ich mache so viel wie möglich selbst, vom Saatgut bis zum Endprodukt. Und das ist gar nicht so einfach, weil es bestimmtes Saatgut und bestimmte Sorten schon gar nicht mehr gibt. Das liegt größtenteils an der Agrarindustrie, die auf Masse ausgerichtet ist. Wir sind deswegen auf dem besten Weg, die Vielfalt und damit unsere Ernährungssouveränität zu verlieren, aber genau die will ich erhalten. Es gibt zum Beispiel rund 2000 Tomatensorten, aber auf dem Markt gibt es nur einen Bruchteil davon zu kaufen. Auf meinem Hof dagegen baue ich 60 Tomatensorten an.

Wichtig ist mir auch, alte und vergessene Sorten wieder bekannter zu machen. Wie zum Beispiel den Hirschhornwegerich, der ist quasi der Nachfolger vom Rucola, obwohl er genau genommen wohl dessen Vorgänger ist. Auf jeden Fall ist er ein sehr leckerer Salat.

 

Wann soll es fertig sein?

Für mich gilt: Alles ist im Fluss! Was fertig ist, ist statisch, und was statisch ist, ist tot. Vielleicht bin ich irgendwann fertig, aber dann gehe ich ja auch in einen anderen Zustand über.

 

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn es fertig ist?

Da es „fertig“ in meinem Verständnis nicht gibt, freue ich mich auf all das, was ich noch machen kann: mehr Saatgut-Arbeit, auch auf politischer Ebene in diesem Bereich aktiv werden, irgendwann auf dem Hof energieautark leben, die Waldgärtnerei ausbauen ….

 

KURZBIOGRAPHIE: Frank Wesemann, 41, kommt aus Berlin-Spandau, führt aber seit 15 Jahren seinen Ökohof Waldgarten in Barenthin (Prignitz). Dort versorgt er auch seine zwei Kinder mit dem ökologisch angebauten Gemüse, oft vergessenen Wildkräutern und 40 verschiedenen Apfelsorten. Als Öko-Bauer ist er ein klassischer Quereinsteiger. Er hat zwar verschiedene Studiengänge ausprobiert, ist aber bei keinem geblieben. Später hat er sich als Bühnenakrobat ausbilden lassen und lange Musik gemacht. Sein Wissen über die Pflanzen hat er sich im Selbststudium angeeignet und erweitert es beständig. Jeden Samstag pendelt er zwischen seinen beiden Ständen am Arnswalder Platz in Prenzlauer Berg und am Boxhagener Platz in Friedrichshain hin und her.

 

 

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