Schöne Kaputtheit

von Brigitte Preissler 12. Januar 2012

Die Fotogalerie „exposure twelve“ zeigt ab Freitag eine letzte Gruppenschau in den vertrauten Räumen. Dann heißt es umziehen: Der Mietvertrag wurde unverhofft gekündigt. 

Ob der kommende Freitag eher ein Glücks- oder ein Pechtag für die Galerie „exposure twelve“ ist, wird sich wohl erst noch zeigen müssen, „Vendredi Treize“ – also „Freitag der Dreizehnte“ – heißt die Gruppenausstellung, die an diesem Tag dort beginnt. Und davon, dass die zwölf Galeriebetreiber dieses Datum als ein irgendwie schicksalhaftes ansehen, zeugt der Titel ja nun aufs Deutlichste. Denn es wird die letzte Fotoschau in den vertrauten Räumen in der Senefelder Straße sein: Der Untermietvertrag wurde zum 31. Januar 2012 gekündigt, der Vermieter meldete kurzfristig Eigenbedarf an. 

 

Mitte ist zu voll

 

Eva Brunner, Sprecherin der Galerie, klingt darüber zwar nicht glücklich, aber auch nichts weniger als verzweifelt. „Die Suche nach einem neuen Ort läuft auf Hochtouren, und wir würden natürlich gern in Prenzlauer Berg bleiben. Es ist ein belebter, kunstaffiner Kiez, gerade in der Senefelder Straße gab es immer eine Menge interessiertes Laufpublikum. Und Mitte beispielsweise ist, was Galerien angeht, eh viel zu voll.“ Darüber, dass das Bleibenwollen möglicherweise an den gestiegenen Mietpreisen scheitern könnte, macht sie sich aber keine Illusionen.

Denn ein kapitalkräftiges Unternehmen ist „exp12“ weiß Gott nicht. Initiiert von Studentinnen und Seminaristen der Ostkreuzschule für Fotografie, wurde die kleine Produzentengalerie vor zwei Jahren in relativer Nähe zum Studienort in Weißensee gegründet. Zwölf Schülerinnen und Schüler Sibylle Bergemanns (1941-2010) – der Mitbegründerin der Schule – und ihres im Herbst 2011 verstorbenen Ehemanns Arno Fischer (1927-2011) stellen hier seither größtenteils eigene Werke aus, organisieren aber auch Gastauftritte: 2011 waren unter anderem Arbeiten von Kerstin Zillmer und Marikel Lahana zu sehen.

 

Verderben zwölf Köche den Brei?

 

Zwölf Betreiber: Das klingt ein wenig nach den sprichwörtlichen vielen Köchen, die am Ende den Brei verderben. „Einer allein hätte sich finanziell und zeitlich einfach übernommen“, meint jedoch Brunner; und so sei nun eben einer für Presse zuständig, zwei für Grafik, einer verkauft die Getränke bei den Vernissagen und so weiter. Die ausgestellten Fotografen und deren Bilder aber suchen alle gemeinsam aus. 

Bis zu seinem Tod am 13. September 2011 wurden sie dabei tatkräftig von der Fotografenlegende Arno Fischer unterstützt, der sich als Schirmherr der kleinen Galerie betrachtete – und seinen Schülern nicht zuletzt dadurch den Rücken stärkte, dass er zusammen mit seinen Schülern Nicole Woischwill und Olle Fischer im Sommer 2011 selbst dort ausstellte. „Polaroids“ hieß die damalige Ausstellung. „Er kam zur Vernissage und blieb zwei Stunden“, so Brunner, die die Gelegenheit nutzte und ihn vor der Galerie mit ihrem Handy fotografierte (siehe Fotostrecke oben).   

 

„Sehr gut“ – „geht so“ – „weg damit“

 

Wenn man Eva Brunner fragt, was sie ihrem Lehrer künstlerisch verdankt, antwortet sie ohne zu zögern: „Geduld.“  Dass man sich viel Zeit lassen müsse für die richtige Bildauswahl, manchmal zwei oder drei Jahre, sei ihm besonders wichtig gewesen. Nur so entwickle man allmählich einen Blick für besondere Bilder, die einem bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht zunächst nicht auffallen würden. Drei Bilderhäufchen habe er immer angelegt – von „sehr gut“ über „geht so“ bis „weg damit“. 

Für die neue Ausstellung mussten die Galeriebetreiber ihre Häuflein nun freilich ohne Arno Fischer sortieren. Eva Brunner etwa zeigt ihre Arbeiten über den vor zehn Jahren geschlossenen Spreepark Berlin. „Mich interessieren solche Orte mit Vergangenheit, wo etwas am Zerfallen ist. In dem Park wird jetzt alles von Pflanzen überwuchert, die Natur holt sich ihr Terrain zurück. Es ist eine schöne Kaputtheit.“ Überhaupt ist Stadtgeschichte, sind sich verändernde Orte und Landschaften ein zentrales Thema der Schau. Und das passt ja auch irgendwie: Denn wenn die Galeristen Pech haben und tatsächlich aus dem Kiez vertrieben werden, werden sie damit wohl selbst bald zu Opfern einer nicht ganz so schönen städtischen Entwicklung. 

Vendredi Treize. Vernissage am Freitag, den 13. Januar 2012 ab 19 Uhr in der Galerie exposure twelve, Senefelder Straße 35; die Ausstellung läuft bis 29. Januar 2012 und ist freitags bis sonntags von 14 bis 20 Uhr geöffnet, Eintritt frei. 

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