„Eine öffentliche Schule ist kein Wunschkonzert“

von Guido Walter 28. Januar 2011

Sonderschüler sollen auch in Prenzlauer Berg verstärkt Unterricht an Regelschulen erhalten. Das Konzept trifft auf Zustimmung, aber auch auf Skepsis.

Die Konvention der Vereinten Nation drückt es klar aus: allen behinderten Kindern muss der Besuch einer staatlichen Regelschule ermöglicht werden. In Berlin gibt es rund 20.000 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Es sind Kinder mit Lernschwierigkeiten, Sprachbehinderungen und Verhaltensauffälligkeiten. Ab dem Schuljahr 2012/13 sollen diese Kinder, sofern es die Eltern wünschen, an regulären Schulen lernen. Also knapp 12.000 Schüler, die derzeit in Berlin an Förderzentren, den frühen Sonderschulen Unterricht erhalten. Das Konzept von Bildungssenator Jürgen Zöllner sieht vor, den überwiegenden Teil der Sonderschulen aufzulösen und das Personal in Regelschulen einzusetzen. Spezialschulen für Autisten und geistig behinderte Kinder soll es aber weiterhin geben. 

„Ziel der Reform ist, dass Kinder aus Förderschulen künftig verstärkt auch in Grundschulen beschult werden“, sagt die Pankower Schulstadträtin Lisboa Zürn-Kasztantowicz (SPD). In Pankow gäbe es für Kinder mit Förderbedarf schon zusätzliche Lehrerstunden, und das würde jetzt forciert. Das Elternwahlrecht, das Kind auf eine Grund- oder eine Förderschule zu schicken, bleibt laut  Zürn-Kasztantowicz erhalten: „Die Sonderschulen werden jetzt nicht alle dicht gemacht.“ Die für Prenzlauer Berg zuständige Schulstadträtin hält es für sinnvoll, an Grundschulen auch Sonderpädagogen einzusetzen. „Das Konzept, sie vor Ort anzusiedeln, ist richtig. Und zwar nicht nur beratend, sondern auch unterrichtend.“ 

 

„Diese Kinder gehören zu unserer Gesellschaft“

 

Kathrin Schulz, Vorsitzende des Bezirkselternausschuss für Pankow, unterstützt die Umsetzung der UN-Konvention ausdrücklich. „Diese Kinder gehören zu unserer Gesellschaft.“ Schulz weist allerdings darauf hin, dass das Umsetzung des Konzept Geld kostet und nicht daran scheitern dürfe, weil zu wenig Personal zur Verfügung steht. „Wenn es in einer Klasse drei Schüler mit unterschiedlichem Förderbedarf gibt, darf der Lehrer da vorn nicht allein stehen.“ 

Generell geht es um die Ausweitung einer Praxis, die längst Gang und Gäbe ist: Über 8000 Kinder mit Förderbedarf besuchen in Berlin bereits Regelschulen. Zürn-Kasztantowicz verweist u.a. auf die Picassoschule im Komponistenviertel in Weissensee, die Kinder mit Integrationsbedarf aufnimmt. Als weiteres Beispiel nennt die Schulstadträtin die Sophie-Scholl-Oberschule in Schöneberg, bei der die Integration schon voll gelungen sei. Die Gesamtzahl der betroffenen Kinder beziffert Zürn-Kasztantowicz für Gesamt-Pankow mit 450. Bei der in Prenzlauer Berg liegenden Schule am Senefelder Platz seien es 81 Kinder. Kathrin Schulz und Lioba Zürn-Kasztantowicz wissen, dass es Eltern gibt, die der Entwicklung skeptisch gegenüberstehen. Einige Eltern von guten Schülern befürchten, dass Sonderschüler „das Niveau runterziehen“ oder ähnliches. „Gerade Eltern im ehemaligen Ost-Teil müssen wir Zeit lassen, sich das alles anzugucken“, sagt Zürn-Kasztantowicz. „Ad-Hoc-Maßnahmen würde ich als Bezirk nicht mitmachen, man muss um Akzeptanz werben. Aber jetzt eben forciert.“ Die Bezirkselternausschuss-Vorsitzende Schulz versteht zwar die Berührungsängste, aber sagt auch ganz klar: „Eine öffentliche Schule ist kein Wunschkonzert.“ 

Mitarbeit: Brigitte Preissler

 

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