Volkspark Prenzlauer Berg

Auferstanden aus Ruinen

von Peter Schulz 1. Juni 2022

Der Volkspark Prenzlauer Berg führt ein randständiges Leben ganz im Osten des gleichnamigen Stadtteils. Wer es ästhetisch weniger formvollendet mag, sollte hier joggen, spazieren gehen oder Kräuter sammeln.


Für manche Menschen hört Prenzlauer Berg an der Ringbahn auf. Manch eine*r denkt, alles außerhalb der Ringbahn sei schon Berliner Umland. Und dem Rand haftet oft etwas Negatives an – etwas, das nicht dazugehören soll und nicht integrierbar ist. Vielleicht schauen deshalb Viele erstaunt wenn sie hören, dass es einen Park gibt, der nach Prenzlauer Berg benannt ist. Und fragen sich gleichzeitig, wo dieser sein soll. Denn alle kennen den Volkspark Friedrichshain, der wahrscheinlich eher dem Lebensstil vieler entspricht. Aber nur wenige kennen den Volkspark Prenzlauer Berg, der im östlichsten Teil des Stadtteils an der Grenze zu Lichtenberg liegt.

Die Berliner Geister scheiden sich, ob sich die Natur in diesem Park noch Raum verschaffen darf, also eher verwildert bleiben soll, oder ob er schon verwahrlost ist und zur Müllhalde verkommt, wie die Berliner Zeitung 2018  konstatierte. Die einen finden ihn gerade ob seiner Naturnahheit schön, ruhiger, nicht so vollgemüllt und frei von Partyhipstern – eben im Gegensatz zum Volkspark Friedrichshain. Sogenannte Partyhipster, das kann ich bestätigen, findet man eher selten dort; eher sitzt eine eigenwillige und vielfältige Mischung von Menschen auf der Wiese. Andere wiederum stellen sich unter einem Park etwas Besseres vor, finden ihn ungepflegt, teilweise vermüllt und halten Bäume und Büsche für schlecht geschnitten. Es stimmt schon, der Park ist nicht ästhetisch formvollendet, aber dagegen eben auch nicht übernutzt mit allerlei Freizeitmöglichkeiten. Die Frage lautet also vielmehr, was ein Park sein soll: Eine Naturlandschaft oder ein Gartenkunstwerk?

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Ein Park, der aus der Not entstand

Entstanden ist der 29 Hektar große Volkspark Prenzlauer Berg nicht aus landschaftsarchitektonischen Ambitionen, sondern aus den Ruinen der zerbombten Stadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte man etwa 15 Millionen Kubikmeter Trümmer und Schutt aus dem Gebiet um den Alexanderplatz hierher. So entstand zunächst die Oderbruchkippe, ein hügeliges Gebiet mit einem Trümmerberg-Doppelgipfel, benannt nach der gleichnamigen Straße in der Nähe. Man füllte die Schuttberge nach und nach mit Mutterboden auf, säte Gras, pflanzte Bäume.

Volkspark Prenzlauer Berg

Auf der Plattform eines Trümmerbergs im Volkspark Prenzlauer Berg / Foto: Peter Schulz

 

Auf den einstigen Fahrspuren der anliefernden LKW entstand die Mehrheit der heutigen, serpentinenartigen Parkwege. 1969 wurde die parkähnliche Anlage schließlich als Volkspark Prenzlauer Berg eingeweiht. Vielleicht entsteht bei mir deshalb das diffuse Gefühl, dass dieser Park stark verwildert und sich selbst überlassen ist, weil er aus der Not entstanden ist. Regeln für die Natur scheint es glücklicherweise nicht zu geben, die Gräser stehen hüfthoch, der Rasen ist nicht englisch getrimmt, Bäume werden höchstens bei Sturm von den Wegen an die Seite geräumt. Es wachsen Kräuter, Kirschen, Knoblauchrauke.

 

Knoblauraucke, Meerrettich und Säbel

Auf die üppig wachsende Knoblauchrauke machte mich eine thailändische Familie aufmerksam, die im halbhohen Gras stand und geschäftig etwas abzupfte. Es war ein Teppich aus Knoblauchrauke, den sie ernteten. Von Zeit zu Zeit schrien sie auf, weil dieser Teppich nicht zu enden schien. Sie pflückten und pflückten und pflückten – jede*r an einer anderen Stelle, so schnell, als würden es ihnen jemand wegnehmen. Ich sprach sie an. Ein wildes Durcheinander entstand, jemand wurde per Telefon zugeschaltet, um das deutsche Wort zu finden für das, was sie in großen Tüten mit nach Hause nehmen. Sie erklärten mir, dass man die Knoblauchrauke mit Salz knete und ein paar Tage ziehen lasse. Sie luden mich prompt ein, um zu probieren, überreichten mir dazu einen Becher Bier. Das Eingelegte schmeckte gut, eine Mischung aus Weinblättern und Salzgurken.

Von Galina, einer Moskauerin um die 60, weiß ich auch, wo Meerrettich wächst; es war einer ihrer ehe harmlosen Tipps. Im Hochsommer sitzt oder steht sie, manchmal mit freiem Oberkörper, knabbert viele Sonnenblumenkerne und raucht noch mehr. Vor ihr liegt dann eine silberfarbene Frontscheibenabdeckung für ein Auto, die die Sonnenstrahlen intensiver reflektieren sollen, um ihren Körper schneller zu bräunen. Manchmal hat sie auch Säbel in verschiedenen Größen dabei, um später noch in den Garten zu gehen; oder, wie sie mir einmal sagte: „Um Männer zu kastrieren.“ Dabei lachte sie nicht, sondern erwähnte nur, dass sie es gut könne. Ein anderes Mal, als ich joggen war, sah ich, wie sie eine Art Domina-Peitsche schwang. Die Hiebe waren zu hören, aber da wunderte ich mich schon lange nicht mehr über Galina. Ich wunderte mich auch nicht, als sie mir einmal ominöse Kapseln empfahl, die alle wichtigen Vitamine enthielten, sogar das Coronavirus abhalten sollten. Das war und ist eben Galina.

 

Im Einsatz für den Volkspark

Dagegen ist der ältere Mann, der sich meistens im südlichen Teil des Parks aufhält, wortkarg, vielmehr still. Er reinigt schweigend die Treppe, die zu einem der Berge führt, befreit die Absätze von Laub und heruntergefallenen Stöcken. Ein Mal säuberte er die Ränder der Wege, damit das Regenwasser besser abfließen kann oder die Wege einfach schön aussehen. Irgendwann sprach ich ihn an, ob er bereit sei zu reden, was er tue und warum. „Nein!“, erwiderte er unmissverständlich, bückte sich wieder und vollendete mit Schaufel und Besen sein Tagewerk. Ich ging weiter und gab mich der Illusion hin, dass hier einer nur für sich allein den Park säubert, weil er es gerne macht und von niemand anderen Anerkennung dafür benötigt.

Manchmal hätte es so einen Menschen für den einzigen Spielplatz im Park gebraucht, der eine Zeit lang an den Wochenenden oft vermüllt war, besonders zu Corona-Zeiten. Kürzlich wurde er wiedereröffnet, denn über den Winter wurde vieles erneuert oder anders gestaltet. Ein bisschen seltsam wirkt der neue Spielplatz im Verhältnis zu diesem Park, der vorher immer ein bisschen wie ein Provisorium aussah, ein naturnahes Stadtbiotop, in dem der Mensch wenig eingriff – fernab jedes Optimierungswahnsinns und Nutzungseifers.

Von Menschenhand gemacht ist jedoch die Downhill-Strecke, die etwas versteckt in der Nähe des Spielplatz liegt und in Eigenregie entstand. Vor einiger Zeit habe ich gesehen, wie ein paar Sportbegeisterte mit Spaten und Schaufeln Wege und Sprungschanzen bauten, ihren eigenen Raum schufen, um ihrem Hobby nachzugehen; wie sie beieinander standen mit ihren Downhill Fahrrädern und vermutlich fachsimpelten. Irgendwann standen an verschiedenen Stellen um das kleine Areal Verbotsschilder, dass Fahrrad fahren nicht erlaubt sei. Es dauerte nicht lange, bis sie übersprüht waren. Und unweigerlich dachte ich mir: Der städtische, öffentliche Spielplatz in der Nähe verwahrlost mehr als die durch persönlichen Einsatz entstandene Downhill-Strecke. Was stört mehr?

 

Zukunft des Parks unsicher

Nur wie wird der Park in Zukunft aussehen? Behält er seinen verwilderten Charakter und können Knoblauchrauke, Meerrettich oder Mirabellen weiterhin geerntet werden? Wird auch die selbst geschaffene Downhill-Strecke bleiben? Letztes Jahr wurde entschieden, dass der Park bis 2025 abschnittsweise saniert werden soll – aus dem lange verschollenen Parteivermögen der DDR. 12,1 Millionen Euro bekommt das Land Berlin aus den Mitteln der Parteien- und Massenorganisationen der ehemaligen DDR, die sogenannten „PMO-Mittel“.

Davon stehen 1,2 Millionen Euro für den Park zur Verfügung, vor allem für die Wege, von denen drei Viertel verbesserungswürdig sind. Außerdem müssen auch Gutachten angefertigt, Böden untersucht und der Tier-und Pflanzenbestand erfasst werden. Ich hoffe, dass dieser Park trotz Sanierung naturnah bleibt. Und dass dieser Text, den ich im Zwiespalt zwischen populär machen und unbekannt bleiben geschrieben habe, nicht dazu beiträgt, mehr Menschen in den Park zu locken. Jedenfalls nicht jene, die einen Park gegen die Langeweile besuchen und ausfüllende Freizeitbeschäftigung erwarten.

Titelbild: Peter Schulz

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