Links ist zwar schöner, aber nur rechts ist erlaubt (Fotos: Markus Ossevorth/Constanze Nauhaus)

Baumscheiben-Massaker, die Zweite

von Constanze Nauhaus 25. August 2017

Wie schon im Mai hat das Grünflächenamt erneut in Blumenbeeten gewütet. Der Stadtrat spricht von einem „Kollateralschaden“

Sie haben es schon wieder getan. Als Janine Bohn am Mittwochmorgen in ihr Café kommt, das Pakolat in der Raumerstraße, war noch alles wie gewohnt. Die Blumen, die sie in die Baumscheibe gepflanzt hatte, die handbehauenen Pflastersteine von Neunzehnhundertnochwas, die das Blumenbeet einfassten – alles war noch da. „Eine Stunde später komme ich aus der Küche, um den Laden aufzuschließen – alles weg.“ Auch eine Straßenecke weiter wartet am Mittwochvormittag die böse Überraschung. „Der Friseur von nebenan rief mich an“, erzählt Markus Ossevorth von der Bar 23 in der Lychener Straße, „und sagte mir, unsere Bank sei nicht mehr da.“ Auch aus der Rykestraße erreichten uns Meldungen entfernter Verschönerungen, ein Leser schrieb uns, „Die Sauna hat es besonders hart getroffen.“

Erst im Mai ging ein Aufschrei durch den Bezirk und anschließend durch die Berliner Medienlandschaft, als das Grünflächenamt die kleinen Gärtchen der Hobbygärtner in der Belforter Straße umpflügte – ohne Wissen des grünen Stadtrats. Zwar sei die Räumung der Baumscheiben, so Vollrad Kuhn damals gegenüber den Prenzlauer Berg Nachrichten, im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht Aufgabe des Grünflächenamtes. Denn obwohl sich das Amt mangels eigenen Personals über das Engagement der pflanzlustigen Anwohner freut, gibt es eine ganze Menge Regeln zu beachten. Allein an die Pflicht, die Pflanzabsicht beim Grünflächenamt anzuzeigen, halte sich kaum jemand. Aber der Stadtrat sei über diese Hauruck-Aktion im Mai nicht gesondert informiert worden und kündigte an, von nun an nur noch „grobe Verstöße“ ahnden zu wollen – bis zum Ende der Vegetationsperiode.

Räumung ohne Vorankündigung

Dies scheint nun gekommen zu sein. „Die Beräumung von Absperrungen und Einfassungen ab Kalenderwoche 34 ist geplant gewesen“, so Stadtrat Kuhn zu den jüngsten Aktionen. So seien Bänke, vor allem, wenn sie „gewerblich genutzt“ werden und somit den „Verkaufsraum erweitern“, nicht erlaubt und würden vom Amt entfernt – zumindest jene, die als Gefahrenstelle gelten. Normalerweise allerdings erst, nachdem der Betreiber durch einen kleinen gelben Aufkleber darauf hingewiesen wurde. „Wir wurden nie aufgefordert, unsere Bank zu entfernen“, sagt Ossevorth von der Bar 23. „Klar, wir sind eine Bar und tagsüber kaum anzutreffen. Aber die haben Name und Nummer doch im Amt!“ Einen gelben Aufkleber habe er auch nie gesehen.

Während der Bezirk die Bankentfernung also noch mit vielleicht fragwürdigen, aber gültigen Regelungen rechtfertigen kann, spricht Stadtrat Kuhn im Falle der Tabula Rasa vor dem Café Pakolat von einem „kleinen Kollateralschaden“, der nun im Amt geprüft werde. Denn selbst wenn eine Bepflanzung dem Amt nicht gemeldet wurde, würden vorschriftsmäßig bepflanzte Baumscheiben stehengelassen: „Wir wollen das bürgerschaftliche Engagement ja befördern“, so Kuhn. Andere Bezirke seien da weiter, räumt er ein. Während etwa in Neukölln und Lichtenberg ohne Amtssegen drauflosgepflanzt werden kann, feiert Treptow-Köpenick sogar jährlich ein „Baumscheibenfest“. Pankows erster geplanter Schritt: Den Infoflyer überarbeiten.

„Nicht mehr sexy, nur noch arm“

Ihre teuren Pflastersteine jedenfalls wird Janine Bohn wohl nicht wiedersehen. „Wir können ja nicht alles Material aufheben und stapeln“, so Kuhn. Da habe die Cafébetreiberin auf eigenes Risiko gehandelt. Was die Blumen angeht, scheinen die Amtsmitarbeiter aber zu übermütig gehandelt zu haben. Nicht eine Pflanze steht mehr, dabei hatte Bohn vor zwei Jahren extra eine Drainage in ihr Beet eingebaut. Nachdem Mitarbeiter des Grünflächenamtes sie darauf hingewiesen haben. Während sie hinter dem großen Industriefenster in der Caféküche im Karamell rührt, echauffiert sie sich über den Amtsschimmel. „Wenn ich da Blumen anpflanze – was kostet das den Bezirk denn? Die sollen sich mal freuen!“

Markus Ossevorth will sich nicht kampflos ergeben. Vom Grünflächenamt habe er erfahren, dass für ebensolche Bänke eine „Sondernutzungserlaubnis“ beantragt werden kann. Neue Bank also? „Na aber hallo!“ Etwas fassungslos sitzt er vor seinem Laden in einem der hölzernen Kinostühle und schüttelt den Kopf über eine Stadt, die für die Verschönerung von Baumscheiben Regelwerke aufstellt. „Armes Berlin. Nicht mehr sexy, nur noch arm.“

 

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5 Kommentare

Martin 25. August 2017 at 11:23

Könnten die PN mal ermitteln, was genau in diesem Zusammenhang „Verkehrssicherungspflicht“ bedeutet? Mir ist ein absolutes Rätsel, wie ein paar Blumen oder Bänke die Sicherheit gefährden sollen. Die Straßen sind doch sowieso zugeparkt.

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Constanze Nauhaus 26. August 2017 at 16:51

Lieber Martin, das Grünflächenamt spricht von „Gefahrenstellen“ – wenn also etwa eine Holzlatte so lose ist, dass sich jemand beim Draufsetzen verletzen könnte. Oder Nägel herausgucken. Etc. pp. Wenn Du es genau wissen willst, fragen wir bei Gelegenheit gern noch einmal nach, oder Du rufst selbst im Grünflächenamt an (902958510). Das Maß an Gefährdung einzelner Bänke ist aber sicher auch Auslegungssache der einzelnen Mitarbeiter. Einen schönen Abend, Constanze Nauhaus.

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Thomas Gottschalk 26. August 2017 at 7:53

Auf öffentliches Land darf weder gepflanzt noch Bänke aufgestellt werden noch bauliche Maßnahmen genommen werden.

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Constanze Nauhaus 26. August 2017 at 16:44

Lieber Thomas Gottschalk, danke für Ihren Beitrag, das stimmt so pauschal allerdings nicht. Baumscheiben dürfen bepflanzt werden, wenn man vorher – wie im Artikel nachzulesen ist – folgendes Regelwerk studiert und beachtet: https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/aemter/strassen-und-gruenflaechenamt/gruenflaechen/artikel.505260.php. So die aktuelle Pankower Regelung. Schöne Grüße, Constanze Nauhaus

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Mario 26. August 2017 at 16:00

Wow, wenn ein was Luxusprobleme verdeutlicht, dann das! Deutsches Spießertum par excellence.

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