Nach Kita-Schluss

von Juliane Schader 16. Juli 2015

Unsere Arbeitswelt ist flexibel geworden, aber die Kinderbetreuung nicht. In Pankow soll das nun besser werden, unter anderem mit längeren Kita-Öffnungszeiten und ergänzender Tagespflege.

Darum geht’s:

  • Unser Arbeitsleben ist flexibler geworden. Die Kinderbetreuung muss dringend nachziehen.
  • Der Bezirk hat verschiedene Ideen, u.a. individuelle Betreuung, längere Kita-Öffnungszeiten und 24-Stunden-Kitas. Doch das kostet Geld.
  • Der Bund will 100 Millionen Euro in die Flexibilisierung investieren.

 

„Die Oma hilft.“

„Dann rufe ich den Babysitter an.“

„Deswegen arbeite ich nicht mehr Vollzeit.“

Das sind die Antworten, die man bekommt, wenn man sich mit Prenzlauer Berger Eltern über ihre Versuche unterhält, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Sie alle haben einen Kita-Platz und nutzen diesen aus, soweit es möglich ist. Doch Kita-Öffnungszeiten von 8 bis 17 Uhr passen einfach nicht zusammen mit ihrem Joballtag. Starre und damit berechenbare Arbeitszeiten von neun bis fünf haben die Wenigsten. Hinzu kommen oftmals lange Arbeitswege. Bei der Kinderbetreuung wird das zum massiven Problem.

Das haben auch Pankows Politiker erkannt. Bereits 2012 gaben sie eine Studie in Auftrag, die ergründen sollte, wie die Betreuung flexibler gestaltet werden kann. Nun liegen die Ergebnisse vor. (Auf der Website des Bezirkes kann man sie herunterladen.)

 

Die Arbeitswelt ist flexibel geworden, die Kinderbetreuung nicht

 

Knapp 26.000 Kinder unter sechs Jahren leben derzeit im Bezirk. Ein Viertel von ihnen besucht eine Kita oder Tagespflege – 65 Prozent bleiben dort jeden Tag sieben bis neun Stunden, weitere 19 Prozent sogar länger. Hinzu kommt, dass ein hoher Anteil der Pankower Vollzeit arbeitet, und dann auch noch in Berufen, die eine hohe Flexibilität erfordern. „Gerade in Pankow leben sehr viele Menschen, die in der Kreativ- und Medienbranche und im Gesundheitsbereich beruflich tätig sind“, heißt es in der Studie. Schichtdienst oder Projektarbeit mit Deadline im Nacken verträgt sich nicht mit den gängigen Kita-Öffnungszeiten – erst recht nicht, wenn man alleinerziehend ist.

Um das Problem anzugehen, haben sich die Pankower Modellprojekte im ganzen Land angeschaut und mit Erziehern und Kita-Betreibern gesprochen. Zudem wurden Unternehmen und ihre Angestellte aus der Backfabrik interviewt, wo sich Firmen aus der Kreativbranche bündeln, um deren speziellen Anforderungen zu erkunden. Dabei wurden vier Modelle identifiziert, mit denen es Eltern und Kindern sowie den Betreuern in Zukunft besser gehen soll.  

 

1. Längere Öffnungszeiten

Den meisten für die Studie befragten Eltern würde es schon helfen, wenn die Kitas ein bis zwei Stunden vor 8 und nach 17 Uhr geöffnet hätten. Rein rechtlich sind derzeit Öffnungszeiten von 6 bis 21 Uhr möglich. Gerade bei den kleineren Kitas scheitert das aber an Geld- und Personalmangel. Dort müsste nachgebessert werden. Zudem finden besondere Angebote und Fördermaßnahmen in den Kitas derzeit meist am Vormittag statt. Auch das müsste sich ändern, wenn der starre Tagesrhythmus aufbricht.

 

2. Ergänzende Kindertagespflege

Wenn man nachweisen kann, dass die normalen Angebote aus beruflichen oder persönlichen Gründen nicht ausreichen, besteht die Möglichkeit, beim Jugendamt eine individuelle Betreuung zu beantragen, die die Kinder zum Beispiel von der Kita abholt und sich bis zum Eintreffen der Eltern zu Hause um sie kümmert. Gewährt wird diese „in Ausnahmefällen“, heißt es im Gesetz. Die Kosten übernimmt das Jugendamt; je nach Einkommen werden die Eltern daran anteilsmäßig beteiligt. Derzeit nehmen knapp 120 Pankower die ergänzende Kindertagespflege in Anspruch; vor drei Jahren es noch 85.

Problematisch ist, dass die Eltern sich bislang selbst um passendes Personal kümmern müssen; das Jugendamt kann dieses nur bezahlen. Darüber hinaus ist es meist nicht speziell qualifiziert, und auch die Bezahlung ist mehr ein Zuverdienst. Hier sieht die Studie strukturellen Verbesserungsbedarf und hat sich dafür auch schon die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft ins Boot geholt. Nun liegt der Vorstoß in der Senatsverwaltung für Finanzen. Die Hoffnung ist, dass mit besseren Verdienstmöglichkeiten der Job interessanter wird und das Angebot damit leichter ausgebaut werden kann. (Wer Interesse an einer derartigen Tätigkeit hat, kann sich im Pankower Jugendamt unter sabine.braun@ba-pankow.berlin.de oder kerstin.hoffman@ba-pankow.berlin.de melden).

 

3. Kita und Kindertagespflege kooperieren

Um das Procedere zu vereinfachen, könnte man das Tagespflegepersonal direkt bei den Kitas anstellen oder dort als Selbständige andocken. Im Gegensatz zu anderen deutschen Städten sind das in Berlin bislang zwei völlig voneinander losgelöste Systeme. Dabei könnte so den Eltern die Suche nach Unterstützung vereinfacht werden und die Tagespfleger könnten sich mit den Erziehern austauschen und sich zum Beispiel gemeinsam fortbilden. Die Finanzierung scheint jedoch kompliziert zu sein. Man könne dazu keine pauschale Aussage machen, heißt es in der Studie.

 

4. 24-Stunden-Kita

Die Kita, die niemals schließt und die Kinder auch mal über Nacht versorgt, ist besonders für Menschen in Schichtarbeit ein Segen. Da die staatliche Finanzierung laut der Studie für ein solches Angebot nicht ausreicht, muss man es an ein großes Unternehmen andocken, das zur Unterstützung bereit ist. Aktuell laufen Gespräche mit dem Helios-Klinikum in Buch, wobei auch eine Kooperation mit den dort ansässigen Biotech-Unternehmen denkbar ist. Flächendeckend sei das in Pankow aber keine Lösung, meinen die Autoren der Studie.

 

Fazit

„Je nach privater und beruflicher Ausgangslage hat jede Familie ihre eigenen Wünsche und Anforderungen hierzu, was es unmöglich macht, EIN Modell für alle zu entwickeln“, lautet das Fazit des Berichtes. Er empfiehlt, alle vier Varianten zu stärken, damit die Eltern je nach Bedarf darauf zurückgreifen können. Ganz ohne Geld wird das jedoch nicht klappen. Unterstützung ist hier aber von der Bundesebene in Sicht: 100 Millionen Euro sollen zwischen 2016 und 2018 in die Individualisierung der Kinderbetreuung fließen, hat Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) angekündigt.

 

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