Wegen Überfüllung geschlossen

von Juliane Schader 14. Februar 2014

Die Entscheidung, vom Gymnasium auf eine Sekundarschule zu wechseln, fällt oft nicht leicht. Noch schwieriger wird es aber, dort überhaupt einen Platz zu bekommen, wie eine Mutter erzählt.

Als Katja Fischer* glaubte, die größte Schwierigkeit sei nun gemeistert, ging es mit den Problemen erst richtig los. Das war Anfang Dezember, und die Entscheidung, Luisa* nicht länger aufs Gymnasium gehen zu lassen, war gerade gefallen.

14 Jahre alt ist Fischers Tochter, Neuntklässlerin und mit allem beschäftigt, was dieses Alter so mit sich bringt. Nur die Schule interessiert sie derzeit nicht wirklich. Die Noten wurden zunehmend schlechter, die Unzufriedenheit stieg, und irgendwann kamen dann Eltern, Tochter und Lehrer überein, dass ein Wechsel auf eine Integrierte Sekundarschule (ISS) wohl das Beste wäre.

Doch dort auch einen Platz zu finden, das wurde in den nächsten Wochen für Katja Fischer zum Vollzeitjob.

 

Nicht jede Schule kommt in Frage

 

Knapp 150 ISS listet die Senatsverwaltung für Bildung in Berlin. Nicht alle kamen für Luisa in Frage, schließlich musste das Angebot an Fremdsprachen mit denen übereinstimmen, die sie bisher gelernt hatte. Auch die Entfernung spielte eine Rolle. „Wenn man eh schon nicht so große Lust auf die Schule hat, ist es nicht ideal, wenn man über eine Stunde Schulweg hat“, meint Fischer.

Doch nach den ersten Absagen von Schulen im Bezirk begann sie bald, auch weiter von ihrer Wohnung in Prenzlauer Berg entfernt zu suchen: Moabit, Charlottenburg, Schöneberg – die Antwort lautete jedoch überall gleich: Die Schule ist voll, es ist kein einziger Platz mehr in der neunten Klasse frei. „Ich war so froh, dass Luisa ihren Schulwechsel akzeptiert hatte. So etwas hatte ich nicht für möglich gehalten“, erzählt Fischer.

Unterstützung suchte sie beim Schulamt, im Bezirk und letztendlich auch bei der Senatsverwaltung. Geholfen habe ihr aber niemand, erzählt die Mutter. „Man steht alleine da.“ Eigentlich sei sie nicht der Typ, der viel Aufhebens um die Schullaufbahn ihrer Kinder mache; keine der vielbeschworenen Helikoptermütter. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal so intensiv mit dem Thema beschäftige.“

Doch ihre Tochter ging immer noch auf eine Schule, deren Stoff sie derzeit überforderte, und mit der sie innerlich längst abgeschlossen hatte. Also schrieb sie weiter Mails, telefonierte Schulen ab und besuchte die Oberschulmesse. Ohne Ergebnis.

 

„Die Klassen sind voll“

 

Anruf bei der Tesa-Schule. Ja, Anfragen nach Plätzen gebe es immer wieder; eine Warteliste zu führen habe man aber aufgegeben. „Das lohnt sich nicht. Wir haben keinen Platz.“

Auch bei der Kurt-Schwitters-Schule gebe es häufig Anfragen, heißt es. „Das tut uns schrecklich leid, aber wir müssen immer absagen: Die Klassen sind voll.“ Gleiches ist aus der Wilhelm-von-Humboldt-Schule zu hören.

„Es können Plätze an ISS nachgewiesen werden“, sagt Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD), Pankows Schulstadträtin. „Allerdings nicht an jeder und deshalb wahrscheinlich auch nicht an der von diesen Eltern gewünschten Schule.“

Letztendlich behielt die Stadträtin mit dieser Aussage Recht: Vor zwei Tagen hat sich für Luisa ein Schulplatz gefunden: An der einzigen Schule, auf die sie von vornherein auf keinen Fall wollte, weil sie aus ihrer Sicht keinen guten Ruf hat. Doch auf ihre Wünsche kann jetzt keine Rücksicht mehr genommen werden. „Ich bin so froh, dass sie jetzt endlich wechseln kann“, sagt ihre Mutter.

 

50 Prozent mehr Oberschüler bis 2030

 

Schulplätze sind besonders im wachsenden Bezirk Pankow längst ein begehrtes Gut. Bis 2030 soll die Zahl der Oberschüler um 50 Prozent steigen. Für alle im Rahmen des regulären Betriebs einen Platz zu schaffen, ist schon schwer genug. Für Kinder und Jugendliche, die außer der Reihe wechseln wollen, bleibt da kaum Spielraum.

Die Schüler seien mit der zunehmenden Fixierung auf Leistung eh schon sehr unter Druck; die Entscheidung für ein Abitur nach zwölf Jahren tue ihr Übriges, meint die Mutter. Möglichkeiten, auf die Sorgen pubertierender Schüler einzugehen, gebe es da kaum. Und jetzt sei auch noch der letzte Ausweg, es mal mit einer anderen Schulform zu probieren, erschwert – einfach, weil das Schulnetz nur ganz knapp auf Kante genäht ist.

„Wenn es nur noch darum geht, Plätze zu verwalten, bleibt die Pädagogik auf der Strecke“, sagt Fischer.

 *Namen von der Redaktion geändert

 

Foto: Luc Comeau-Montasse / CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons

 

 

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