Wo ist eigentlich Papa?

von Christiane Abelein 8. Januar 2014

Die Prenzlauer Berger Bloggerin Caroline Rosales hat ein Buch für Frauen geschrieben, die Kind UND Karriere wollen. Eine wirkliche Lösung für das Problem Vereinbarkeit von Beruf und Familie liefert „Mama muss die Welt retten“ allerdings nicht.

Dieses Buch schreit aus allen Poren: „Lies mich nicht!“. Das lila-pinke Cover ist abschreckend, der Klappentext platt, der Titel eine einzige Überforderung. Doch es hilft nichts, „Mama muss die Welt retten“ muss gelesen werden. Weil das Thema nun einmal eines der wichtigsten unserer Zeit ist.

Es geht um die Frage: Wie bringen wir Familie und Beruf zusammen? Dabei ist der Knackpunkt schon lange nicht mehr, ob Frau Kind UND Karriere haben kann, das beweisen tagtäglich zahlreiche erfolgreiche Mütter. Interessant ist eher, auf welche Weise das geht. Bekommen die Frauen zwar Kinder, verzichten dann aber zugunsten der Karriere darauf, Zeit mit ihnen zu verbringen? Oder gibt es einen anderen, vielleicht sogar besseren Weg?

 

Die vermeintliche Lösung: Mompreneurs

 

Caroline Rosales und Isa Grütering haben da einen Vorschlag. Ihre Lösung heißt: Mompreneurs. Das sind Mütter, die sich selbstständig machen und arbeiten, wie und wann sie wollen. Allerdings immer unter der Prämisse, dass die Kinder eine ausreichend große Rolle in ihrem Leben spielen. Die eine eröffnet ein Kindercafé, die andere gründet eine Kita, die dritte verkauft selbst genähte Mutterpass-Hüllen im Internet.

Oder sie betreiben ein Blog – wie die beiden Autorinnen selbst. Rosales, (typische) Prenzlauer Bergerin und Mutter eines Sohnes, bestückt stadt-land-mama.de. Grütering zeigt auf hauptstadtmutti.de stylische Mamas, hat das Karrierenetzwerk momslink.de mitgegründet und zieht ihre beiden Söhne in Pankow groß. Die beiden lassen den Leser (oder vielmehr die Leserin) eindrücklich an ihren Erfahrungen teilhaben.

 

Nachmittagssex mit Pausti

 

Leider ein bißchen zu sehr. Nun ist es kein Geheimnis, dass Elternsein eines der persönlichsten Themen überhaupt ist, und jeder und jede seine eigenen Erfahrungen und Einstellung für das Gelbe vom Ei hält. Aber man muss das nicht mögen, diesen vertraulichen Plauderton, diese ständigen Ich-Erzählungen, dieses „Keine Angst, ich bin keine Supermami und auch total chaotisch“. Und spätestens, wenn es zum Nachmittagssex mit dem Pausti genannten Gatten kommt, möchte man aussteigen.

Dabei ist das Buch inhaltlich nicht einmal schlecht. Die porträtierten Kleinunternehmerinnen, die sich in der Babypause neu erfunden haben, wirken trotz des teils anbiedernden Tons interessant und sympathisch. Die einzelnen Kapitel über den Werdegang dieser Frauen sind kurzweilig, manchmal anrührend, manchmal witzig. Jede Mutter in Prenzlauer Berg und ähnlich strukturierten Lebenswelten wird sich hier wiederfinden – zumindest in Teilen. Und viele der Tipps, die Rosales und Grütering oder eine ihrer Interviewpartnerinnen geben, sind tatsächlich nützlich.

 

Flucht vor der wirklichen Arbeitswelt?

 

Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack. Denn: Fast alle porträtierten Frauen suchen ihre berufliche „Selbstverwirklichung“ in der Kinderwelt. So geballt wirkt das beinahe wie eine Flucht vor dem regulären Arbeitsmarkt. Ist das der einzige Ausweg aus der Misere – den bisherigen Job aufzugeben und sich selbst etwas aufzubauen, das zur Familie passt (wenn man denn überhaupt den finanziellen Spielraum dafür hat?). „Mama muss die Welt retten“ vermittelt zumindest diesen Eindruck.

Und noch eine Hoffnung raubt einem das Buch: dass Kindererziehung zumindest in der Ratgeberliteratur irgendwann einmal Sache von Müttern und Vätern sein würde, eine gleichberechtigte Aufgabe. Das Kapitel „Where´s the Daddy?“ wird gierig aufgeschlagen – und es enttäuscht: Genau sieben von 236 Seiten sind dafür vorgesehen. Und die „Fünf Tipps zur Vätererziehung“ kann man ehrlich gesagt in der Pfeife rauchen. Oder glauben Sie, dass es besonders förderlich ist, eine schmerzhafte Magen-Darm-Grippe vorzutäuschen und das Kind zu Papa ins Büro zu bringen, damit der sich auch endlich mal kümmert?

 

Lasst die Väter ran!

 

Die Väter heutzutage haben mehr verdient. Viele sind nämlich durchaus bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, wenn Mama nicht gerade das Gefühl hat, die Welt allein retten zu müssen, sondern einen Teil der Heldenarbeit an den Mann abgibt. Damit hat Kind nicht nur mehr von Papa, sondern Mama auch mehr Zeit für Arbeit. Klingt einfach, und scheint doch so schwer.

„Mama muss die Welt retten“ wird also nicht das letzte Buch sein, das man zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf lesen muss. Egal, wie es aussieht.

 

 

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