Kulturstandort in Zockerhand

von Juliane Schader 14. Februar 2012

Pankows Kulturstadtrat will den Aufschrei, der derzeit durch die Kulturszene geht. So hofft er, doch noch mehr Geld für Pankows Kultur locker machen zu können. Aber geht diese Rechnung auf?

Von einem CDU-Stadtrat hätte man wahrlich ein etwas konservativeres Vorgehen erwartet. Aber Torsten Kühne, Pankows Mann für Kultur, ist ein Zocker. Zumindest, wenn es um die bezirklichen Kultureinrichtungen und deren Abwicklung geht. Seit einigen Wochen propagiert Kühne in Ausschüssen und vor der Presse, dass etwa die Kultur im Thälmann-Park oder die Kurt-Tucholsky-Bibliothek eingespart gehören. Doch wer darauf achtet, wie er im Anschluss an die Sparpläne immer noch verkündet, wie wichtig und einzigartig die jeweiligen Einrichtungen sind, dem wird schnell klar: Hier will jemand genau das Gegenteil von dem erreichen, was er fordert.

Nehmen wir das Beispiel des Museumsstandortes Heynstraße in Alt-Pankow. Ein Kleinod sei diese ehemalige Wohnung des Stuhlrohrfabrikanten Fritz Heyn, meint Kühne. Dies aufzugeben sei ein massiver Verlust. Dennoch schlägt er die Abwicklung vor, um 53.000 Euro im Jahr zu sparen; eventuelle Rückzahlungsforderungen von Fördergeldern nicht ausgeschlossen. Sinnvolles Sparen sieht anders aus. Zumal Kühne nicht müde wird, zu betonen, dass die von ihm auf die Abschussliste gesetzten Institutionen nur durch Zufall dort gelandet seien: Irgendwo müsse man halt sparen. 

 

Starke Gegner als Garanten für viel Aufmerksamkeit

 

Hinter diesem Vorgehen steckt Kalkül: Das passiert, wenn ihr uns noch weiter das Geld streicht, lautet Kühnes Botschaft an den Senat. Die scharfe Kritik, die er dadurch nicht nur von den Landespolitikern, sondern auch von der kompletten Kulturszene erntet, nimmt er dabei billigend in Kauf. Fast scheint es, als hätte er sich etwa mit den im Kampf gegen Schließungen erprobten Mitarbeitern der Tucholsky-Bibliothek und des Thälmann-Parks bewusst besonders starke Gegner ausgesucht. Denn je größer die Welle, die seine Forderungen auslösen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das Land zum Schluss doch noch mehr Geld locker macht. Auch eine alternative, vielleicht private Finanzierungsmöglichkeit findet sich leichter, wenn die Aufmerksamkeit entsprechend groß ist.

Der ersten Teil seines Plans ist mittlerweile aufgegangen: Den großen Aufschrei in der Öffentlichkeit, den hat Torsten Kühne erreicht. Für die nächste Bezirksverordnetenversammlung am kommenden Mittwoch sind Protestaktionen angekündigt, eine entsprechende Petition läuft, die Gegner von Kühnes Sparpläne organisieren sich bei Facebook. Nun muss nur noch der zweite Teil, das Auftreiben von Geld, funktionieren. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob der Stadtrat nicht zu hoch gepokert hat.

Denn zum einen besteht natürlich die Gefahr, dass letztendlich doch eine der Einrichtungen über die Klippe springen muss. Um das Ausmaß der Einsparungen deutlich zu machen, hat Kühne bewusst konkrete Projekte auf die Abschussliste gesetzt, statt Kürzungen nach dem Rasenmäher-Prinzip zu verordnen. Wenn der zusätzliche Geldsegen ausbleibt, wird er sie aber tatsächlich schließen müssen.

 

Ist Pankow besonders arm oder besonders unfähig im Umgang mit Geld?

 

Zum anderen versucht Kühne, am Rande des ganzen Wirbels tatsächlich intern durch Umstrukturierungen Geld zu sparen. Das zeigt sich am Beispiel der beiden Bibliotheksstandorte, deren Mitarbeiter er gerne in den anderen Büchereien einsetzen möchte, um deren Öffnungszeiten zu verlängern. Während etwa beim Thälmann-Park oder der Heynstraße eindeutig der Unterton mitschwingt, dass hier etwas Besonderes gefährdet wird, weisen die Bibliotheken und auch die Musikschulen offenbar wirklich noch Einsparpotential auf. Ein Eindruck, der auch auf die anderen Einrichtungen abfärben könnte. So wird die ganze Aktion verwässert.

Ob Torsten Kühne sich auf Kosten der Pankower Kultur verzockt hat, oder ob seine Rechnung aufgeht, das werden die kommenden Wochen zeigen. Während die Haushaltsverhandlungen der anderen Bezirke mehr oder weniger unter Ausschluss der Berlinweiten Öffentlichkeit laufen, hat Pankow die Aufmerksamkeit sicher. Nur ob das produktiv ist, das muss sich erst beweisen.

Schließlich kann man das ganze Theater auf zwei Weisen interpretieren: Entweder ist Pankow tatsächlich schon völlig zugrunde gespart und hat es daher am schwersten von allen Bezirken. Oder die Pankower können einfach nicht mit Geld umgehen und sind selbst schuld an ihrer Situation. Die Pankower Kulturschaffenden können nur beten, dass es nicht die letztere Meinung ist, die sich letztendlich in der Öffentlichkeit durchsetzt.



 

 

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