Datenschutz-Panne bei der Erstellung des Berliner Mietspiegels

von Juliane Schader 2. Februar 2011

Vertraulich sollten die Daten der Menschen behandelt werden, die an der Umfrage für den neuen Mietspiegel teilnahmen. Dann fanden sie ihre E-Mail-Adressen offen einsehbar in der Adresszeile eines Verteiler wieder.

Den vertraulichen Umgang mit Daten hatte man sich etwas anders vorgestellt. Nicht weniger war 8000 Berliner Mietern und Hausbesitzern versprochen worden, als sie im vergangenen Herbst an der Umfrage zur Erhebung des Berliner Mietspiegels teilnahmen. Einige von ihnen fanden jedoch ihre E-Mail-Adresse offen einsehbar im Adressfeld eines größeren E-Mail-Verteilers wieder.

Im August 2010 hatte das Hamburger Unternehmen „F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt“, welches im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das Mietpreisniveau in Berlin ermittelt, erstmals Anschreiben und Fragebögen per Post verschickt. Diese sollten ausgefüllt zurückgesandt werden, und es wurde angekündigt, dass eventuell eine weitere Kontaktaufnahme für ein ausführlicheres Interview folgen würde. Hierbei traten die Probleme auf.

So erhielt ein Prenzlauer Berger eine E-Mail von einer sonst offenbar privat genutzten T-Online-Adresse. Auf vier Zeilen wurde er darin von einer Frau dazu aufgefordert, sie doch unter einer Handynummer zurückzurufen, um einen Interviewtermin zu vereinbaren. Die Mail war weder mit einer Signatur noch mit einem Hinweis auf F+B versehen. „Das erschien mir nicht seriös, daher habe ich nicht zurückgerufen. Das Interview kam so nicht zustande“, sagt er.

 

Viele E-Mail-Adressen verraten Vor- und Nachname und sogar den Arbeitgeber

 

Doch die wenig professionelle Aufmachung der Mail war nicht deren einziger Makel. Darüber hinaus hatte die Frau sie gleich an einen größeren Verteiler geschickt und alle anderen Empfänger offen für alle sichtbar ins Adressfeld geschrieben. Der betroffene Prenzlauer Berger erfuhr somit nicht nur zehn weitere E-Mail-Adressen von anderen Befragten, sondern  damit auch gleich deren Namen, da diese ihre Adressen aus Vor- und Nachnamen kreiert hatten. Bei einem Teilnehmer erkannte man sogar den Arbeitgeber, da dieser eine Adresse @unternehmen.de verwendete.

„Es ist datenschutzrechtlich unzulässig, personenbezogene E-Mail-Adressen in einem Verteiler zu verwenden, sodass sie Dritten dadurch zugänglich gemacht werden“, sagt Anja-Maria Gardain, Sprecherin des Berliner Beauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit. Auch wenn das Verfahren der Befragung insgesamt durch den Datenschutzbeauftragten im Vorfeld abgesegnet worden sei – dieses konkrete Vorgehen sei rechtswidrig.

Bei F+B will man sich zu dem Vorfall nicht zitieren lassen. Dafür ist das Unternehmen gegenüber seinem Auftraggeber, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, auskunftsfreudiger. Deren Sprecher Mathias Gille erklärt auf Anfrage der Prenzlauer Berg Nachrichten: „Ich habe mit F+B gesprochen und man hat mir mitgeteilt, dass bereits im November eine freie Mitarbeiterin entlassen wurde, nachdem einige Unzuverlässigkeiten aufgetreten waren.“ Bei zukünftigen Umfragen wolle man darauf achten, dass der Datenschutz eingehalten werde, und auch bei der Kontaktaufnahme per E-Mail den Auftraggeber deutlicher machen. „Bei F+B spricht man aber nur von diesem einen Fall.“

 

Fehlerhaftes Vorgehen bei Umfragen gefährdet deren Repräsentativität

 

Doch auch über die Missachtung des Datenschutzes hinaus ist das Vorgehen der F+B-Mitarbeiterin problematisch. Schließlich ist die Erstellung des Mietspiegels eine wissenschaftliche Untersuchung, die gewissen Ansprüchen wie der Auswahl der Befragten nach einem bestimmten Verfahren gerecht werden muss, um als repräsentativ zu gelten.

Das unprofessionelle Vorgehen der Mitarbeiterin hat jedoch dafür gesorgt, dass Menschen von der Umfrage ausgeschlossen wurden – entweder, weil ihnen wie dem betroffenen Mann aus Prenzlauer Berg die Art der Ansprache unseriös erschien, oder weil sie die Interviewerin nicht per Handy kontaktieren wollten. Schließlich gelten Telefonate aufs Handy immer noch teurer als solche aufs Festnetz. Somit könnte die Stichprobe, nach der die 8000 Berliner Haushalte ausgewählt wurden, die an der Befragung teilnehmen sollten, nicht mehr repräsentativ und damit der gesamte Mietspiegel fehlerhaft sein.

Bedenken, die man bei der Senatsverwaltung und dem von ihr beauftragten Unternehmen nicht teilt. „F+B arbeiten seit Jahren in diesem Bereich mit Handynummern und hat bisher keine Beeinträchtigung dadurch festgestellt“, sagt Gille. Die notwendige Anzahl an Interviews sei immer zusammengekommen, meint er. Zudem habe laut F+B die entsprechende Mitarbeiterin nur 65 Befragte betreut.

 

Kontakt nur über Handy schließt Menschen von der Teilnahme aus

 

Doch auch wenn F+B auf seine Quoten kommt, heißt das nicht, dass nicht trotzdem gerade sozial schwächere und ältere Menschen den Kontakt über das Handy scheuen und somit von der Umfrage ausgeschlossen und im Ergebnis nicht berücksichtigt werden. Ebenso wenig, wie sicher gestellt ist, dass die aufgetretenen Probleme tatsächlich auf die entlassene Mitarbeiterin zurückzuführen sind nicht auch andere Interviewer die gleichen Fehler gemacht haben wie ihre Kollegin.

Wie viel der Senat F+B für die Untersuchung bezahlt, kann Gille nicht genau sagen. Ganz günstig wird die Befragung von über 8000 Berlinern inklusive Auswertung der Daten jedoch nicht sein. Professionelles Vorgehen und die Einhaltung des Datenschutzes sollten da selbstverständlich sein.

„Noch einmal mache ich nach dieser Panne sicher nicht bei einer solchen Umfrage mit“, sagt der Prenzlauer Berger. Schließlich wolle er lieber selbst bestimmen können, wer seine E-Mail-Adresse kenne.

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