Trotz Kälte: Obdachlose bekommen weniger Hilfe

von Thomas Trappe 7. Februar 2012

Mitten im Winter wird wohl eine Einrichtung geschlossen. Für eine warme Mahlzeit sollen Bedürftige in Prenzlauer Berg zudem künftig dreimal mehr als bisher zahlen.

Die Nachricht könnte ungelegener nicht kommen. Während die Prenzlauer Berger Obdachlosen-Cafés wegen der Kältewelle kaum noch Platz zum Aufwärmen bieten, zeitigt die Geldnot des Bezirks jetzt auch hier Folgen. Und zwar gravierende: Wie die Prenzlauer Berg Nachrichten erfuhren, beabsichtigt der Bezirk, Hilfe für Obdachlose massiv zu kürzen. So soll eine Einrichtung in drei Wochen komplett geschlossen werden. Und eine andere wurde aufgefordert, dreimal mehr Geld für das Essen zu nehmen, das sie für Obdachlose ausgibt – was faktisch eine Aussperrung bedeuten würde. Prenzlauer Berg droht damit ein Stadtteil Berlins zu werden, den Wohnungslose im Winter nicht mehr aufsuchen können.

Im Sozialprojekt Prenzlauer Berg in der Greifenhagener Straße hat man, offenbar zeitgleich mit anderen Trägern, vor wenigen Wochen von den Sparplänen erfahren: Zum 1. März gibt es keine Zuschüsse mehr. „Das heißt, wir werden geschlossen“, fasst der Leiter der Einrichtung, Johannes Kevenhörster, zusammen, was das hieße. 158.000 Euro habe der Bezirk bisher für das Café gegeben, das als zentrale Anlaufstelle für Obdachlose in Prenzlauer Berg gilt.

 

„Sie werden in die Nachbarbezirke ausweichen“

 

„Wir stehen jetzt tierisch unter Druck“, sagt Kevenhörster. Habe es zunächst noch geheißen, dass Zuschüsse nur gekürzt werden, sei Anfang Februar schließlich die Komplettstreichung bekannt gegeben worden. „Aber wir haben ja verbindende Verträge. Weder können wir sofort das Mietverhältnis beenden, noch sofort allen Mitarbeitern, inklusive mir, kündigen.“ Jetzt gehe es darum, den Bezirk doch noch von einer Kehrtwende zu überzeugen, sagt Kevenhörster.

Das Sozialprojekt teilt bis jetzt kostenlose warme Mahlzeiten an Obdachlose aus. Wenn auch nicht kostenlos, so doch kostengünstig, können Prenzlauer Berger Obdachlose im Café Treffpunkt der Heilsarmee in der Kuglerstraße ein Essen bekommen – doch auch damit ist es wohl bald vorbei. So berichtet der Sozialarbeiter Christian Vrangys, dass der Einrichtung vom Bezirk ebenfalls Kürzungen angekündigt worden seien. Um ein Fünftel sollen die Zuschüsse gekürzt werden. Um den Verlust zu kompensieren, so laute ein Vorschlag der Verwaltung, sollten die Preise von bisher 50 Cent auf 1,50 Euro pro Essen erhöht werden. „Das kann kein Obdachloser mehr bezahlen“, sagt Vrangys. „Sie werden dann in die Nachbarbezirke ausweichen.“

 

Kapazitätsgrenze ist erreicht

 

Notschlafplätze sind von den Kürzungen nicht betroffen. Mob e.V., der 17 Plätze bereitstellt, finanziert sich durch Spenden und aus Einnahmen der Obdachlosen-Zeitung „Straßenfeger“, bezirkliche Zuschüsse gibt es nicht. Andreas Düllick, Straßenfeger-Chefredakteur und mob-Vereinsvorstand, sieht trotzdem Folgen für seine Einrichtung. „Wir sind jetzt schon an der Kapazitätsgrenze. Durch die Kürzungen werden sicher noch mehr Menschen bei uns auflaufen.“ Neben dem Bankrott, dem Sozialprojekt und der Heilsarmee gibt es im Bezirk Pankow außerdem noch eine Einrichtung für Obdachlose in der John-Schehr-Straße, der Club 157. Dass sich fast ausnahmslos alle Pankower Einrichtungen in Prenzlauer Berg befinden, liegt an der zentralen Lage.

Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD), Stadträtin für Soziales, lässt deutlich durchblicken, dass sie mit den Kürzungsszenarien alles andere als zufrieden ist. „Das macht im Moment wirklich keinen Spaß mehr.“ Umfänglich äußern möchte sie sich aber noch nicht, da die Pläne zunächst in der Bezirksverordnetenversammlung verhandelt werden müssten und daher auch noch Änderungen möglich sind. „Grundsätzlich habe ich erst mal mit den Trägern gesprochen und formuliert, wie sich das Amt die Sache vorstellt.“ Durchaus stehe „auch eine Schließung des Sozialprojekts im Raum“, so Zürn-Kasztantowicz. Allerdings arbeite der Bezirk an Lösungen, wie die Folgen der Kürzungen abgefedert werden könnten.

 

 

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