Der Wiener-Kongress

von Thomas Trappe 9. September 2011

Pankower Kommunalpolitiker müssen hart ackern. Das macht hungrig. Man riecht’s.

Die Schwäche vieler kommunaler Politikervertretungen ist neben dem Mangel an demokratietheoretisch wünschenswerter Beteiligung des breiten Volkes sicher, wenn nicht gar vor allem, der immer wieder festzustellende Mangel an Bockbieranstichen. Die Pankower Bezirksverordnetenversammlung ist in dieser Hinsicht, jedenfalls innerhalb meines an provinzieller Lokalpolitik nicht gerade armen Erfahrungshorizonts, eine rühmliche Ausnahme. Hier gibt es zwar noch keine regelrechte Fassbier-Tradition, aber, wie sagt man so schön, der Weg dahin wird gerade gepflastert. Bockbier und Bockwurst werden unabdingbare Ingredienzien einer gelungenen gesellschaftlichen Willensbildung.

Man könnte darauf verweisen, dass die Essgewohnheiten der in Truppenstärke vertretenen Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr bei der jüngsten Pankower BVV dafür verantwortlich waren, dass binnen kurzer Zeit den großen Saal das feine Odeur gestopfter Schweinemasse-in-Echtdarm-Happen erfüllte – doch man bediente plumpe Klischees und spräche zudem die Unwahrheit. Denn es waren dann doch die Bezirksverordneten, die gleich reihenweise und teilweise vor Sitzungsbeginn mit feinen Wurstwaren ihre Plätze besetzten, die Zusammenkunft sozusagen zu einem Wiener-Kongress umgestalteten.

Die parlamentarische Gulaschkanone im Pankower BVV-Saal befindet sich, abgetrennt durch eine schmucke Tür, im hinteren Teil des Sitzungssaals, der wiederum Platz bietet für rund 1.000 Wurstesser, gefühlt. Und absolut sinnvoll ist das Ganze auch: Denn tatsächlich nehmen die Versammlungen der Bezirksverordneten, im Gegensatz, sorry, muss jetzt: zur Wurst, kein Ende. Eine Verpflegung der vielen Ehrenamtlichen ist daher angebracht. Ebenso des älteren Herren in der ersten Publikumsreihe, der einen die Bürgerfragestunde nutzenden anderen Gast in bester 50er-Jahre-Rhetorik darum bat, doch gefälligst woanders hinzuziehen, wenn es ihm hier in Pankow nicht passe. Aber das nur am Rande.

Wurst alleine ist natürlich keine Lösung, das wurde auch bei dieser Sitzung deutlich. Einseitige Ernährung führte offenbar zu Spannungen, die sich öfters entlud und zum Beispiel einmal in der Feststellung seitens der Linken mündete, bei der CDU gebe es nur Schlafmützen. Bei den Grünen sah sich sogar ein Abgeordneter genötigt, das Rednerpult zu besetzen und der Linken vorzuhalten, ihre Kollegen im Bundestag, „die nerven“, und sich zugleich wieder zu trollen.

Weit entspannter, und das ist nun mal unabstreitbar die Folge eines auf Ergänzung und Ausgleich setzenden Speiseplans, wirkten da die beiden Kollegen von den Sozialdemokraten in der letzten Reihe. Sie hatten vorgesorgt: Mit zwei Flaschen Bier und einer schönen Tüte krosser Kartoffelchips.

 

 

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