Wir brauchen Platz

von Thomas Trappe 7. März 2016

Eine Umfrage unter unseren Lesern zeigt: Die Prenzlauer Berger sind Familienmenschen und brauchen immer mehr Wohnraum. Mit weiteren Zuzug in den Stadtteil ist das nur schwer zu vereinbaren. Viele rechnen mit Problemen.

Berlin wächst. Fast acht Prozent mehr Menschen als heute werden in 15 Jahren in der Stadt leben, so lautet die vorsichtige Prognose des Landes. Für den Bezirk Pankow ist die Prognose doppelt so hoch. Das ist keine neue Entwicklung, denn schon lange wächst der Bezirk überdurchschnittlich, besonders beliebt ist dabei Prenzlauer Berg – nicht zuletzt wegen seines guten Rufs bei jungen Familien. Wir wollten es genauer wissen, und haben unsere Leser gefragt – wie, warum und wie glücklich leben sie in Prenzlauer Berg, welche Probleme sehen Sie auf uns zukommen? Die Umfrage ist Teil eines Themenschwerpunkts zum Thema Bevölkerungswachstum in Prenzlauer Berg. 

Mehr als hundert Leser nahmen an der nicht repräsentativen Umfrage teil. Als erstes wollten wir von Ihnen wissen, seit wann sie in Berlin wohnen. Hier zeigte sich klar, dass die allermeisten der Befragten nach 1990 in die Stadt kamen, nämlich 77 Prozent – 44 Prozent war der Anteil jener, die erst nach 2000 herzogen. Die Zahl derer, die in Berlin geboren wurden, war unter den an der Umfrage teilnehmenden Lesern deutlich unterdurchschnittlich. Immerhin jeder dritte Berliner hat nach derzeitigem Stand seine Wurzeln hier – unter den Befragten waren es nur 17 Prozent. Prenzlauer Berg zeigt sich damit als Stadtteil, für den man sich entscheidet – und in dem ein durch Geburt erzeugtes Heimatgefühl eher die Ausnahme sein dürfte.

Ein wichtiger Grund, hierher zu ziehen, scheint dabei die Familienfreundlichkeit Prenzlauer Bergs zu sein: 60 Prozent der Befragten gaben an, dass sie auch deswegen hier leben wollten. Weitere angegebene Gründe sind unter anderem die zentrale Lage, die gute Infrastruktur und das Lebensumfeld. Im Folgenden sehen Sie die häufigsten Antworten auf unsere Frage, was Prenzlauer Berg so lebenswert macht. (Je größer das Wort, desto häufiger wurde es genannt. Mit Google Drive Word Cloud.)

 

Wenn man dann mal schaut, was die Befragten in Prenzlauer Berg am meisten stört, kriegt man einen ganz guten Eindruck, für was der Stadtteil so steht – und für was eben nicht.

 

 

Es verwundert bei diesem Stimmungsbild kaum, dass es unterdurchschnittlich wenige Singlehaushalte in Prenzlauer Berg gibt. Mehr als die Hälfte aller Menschen in Berlin lebt alleine, in unserer Umfrage war der Anteil der Single-Haushalte deutlich geringer: Nur jeder fünfte gab an, alleine zu leben. Einen großen Anteil machten die Zwei-Personen-Haushalte aus, zu denen nicht nur Paare, sondern wahrscheinlich auch Alleinerziehende gehören.

 

Wo mehr Menschen leben, wird mehr Wohnraum benötigt. Auch das lässt sich aus den Umfrageergebnissen ablesen: Unsere Befragten haben sich in den vergangenen zehn Jahren räumlich vergrößert. Waren sie vor zehn Jahren noch mit im Schnitt 2,7 Zimmern ausgekommen, brauchen sie jetzt durchschnittlich drei Zimmer. Allerdings sollte man diese Ergebnisse nicht überinterpretieren. Dass im Laufe des Lebens der Platzbedarf eher steigt als sinkt, ist recht normal. Trotzdem könnte sich in diesen Zahlen auch niederschlagen, dass Prenzlauer Berg viele Familien anzieht – und die in der Phase der Kindererziehung meist größere Wohnungen brauchen als davor und danach.

 

 

Eine Vermutung, die unserer Umfrage zugrunde lag, konnte indes nicht bestätigt werden. Dass sich nämlich in den vergangenen Jahren die Einstellung zu Kindern geändert hat. Dass sie heute mehr Kinder wollten als sie früher gedacht hätten – das verneinte mehr als die Hälfte der Befragten. Nur fünf Prozent sagten, sie wollten heute mehr Kinder. Der Rest gab an, das nie durchgeplant zu haben.

Dass sie inzwischen in einem Familienkiez leben, das ist unter den Befragten unstrittig. Durchaus von zwei Lagern kann man sprechen, geht es um die Einstellung zu dieser Ausgangslage. Kinder stören nur einen verschwindend geringen Anteil (3 Angaben) der Befragten, anders sieht es aber aus, fragt man nach den Erziehungsberechtigten. So gaben 49 Prozent an, dass sich „nichts gegen Kinder haben, aber gegen manche Eltern“. Die andere Hälfte erklärte hingegen, dass sie es einfach schön finde, dass sich hier offenbar so viele Familien wohlfühlten. Für etwas mehr soziale Durchmischung in den Kiezen sprechen sich fast zwei Drittel der Befragten aus. Knapp 15 Prozent befürworten eine gewisse Homogenität, vier Prozent sagen, die Bevölkerung sei jetzt schon zu heterogen.

 

Nur jeder Zehnte glaubt an bezahlbaren Wohnraum

 

Dass es tatsächlich zu einer stärkeren Durchmischung kommen wird, daran glauben aber offenbar die wenigsten. Nur jeder Zehnte kann sich vorstellen, dass es in Prenzlauer Berg in Zukunft bei anhaltenden Bevölkerunsgwachstum noch bezahlbaren Wohnraum auch für Niedrigverdiener geben wird. 55 Prozent hingegen glauben, dass sich den Stadtteil nur noch Besserverdienende leisten könnten – und jeder vierte ist überzeugt, es werde für niemanden mehr Wohnraum geben.

90 Prozent der Befragten sagen dann auch, dass die Wohnfrage wohl die drängendste in den kommenden Jahre werde. 82 Prozent fragen sich, wie genügend Kita- und Schulplätze mitsamt Turnhallen zur Verfügung gestellt werden könnten. Dass die Grünflächen knapp werden könnten, fürchtet jeder zweite Befragte. Erstaunlicherweise sagt nur jeder vierte, dass die öffentliche Daseinsfürsorge leiden könnte – obwohl schon heute in Berlin in vielen Bereichen ein Kollaps der öffentlichen Verwaltung zu befürchten ist. Auch über ausreichend Radwege und Straßen machen sich nur 26 Prozent der Befragten Sorgen.

 

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