„Als ob man täglich mit der Entlassung rechnet“

von Kristina Auer 1. Januar 2017

JAHRESRÜCKBLICK 2016: Marcus Buthmann vermietet neun Ferienwohnungen in Prenzlauer Berg, hochoffiziell und ehrlich. Bisher war das legal. Im Podcast erzählt er, warum er das Zweckentfremdungsverbot ungerecht findet.

WIEDERHOLUNG VOM 1. Juni 2016:

 

UPDATE:

Das Berliner Verwaltungsgericht hat am 8. Juni entschieden, dass das Zweckentfremdungsverbotsgesetz verfassungsgemäß ist. Gewerbliche Anbieter von Ferienwohnungen hatten Klage eingereicht, um zu erreichen, weiter Ferienwohnungen vermieten zu dürfen. Ihrer Ansicht nach verstößt das Verbot gegen die Berufsfreiheit, die Eigentumsgarantie und den Gleichheitsgrundsatz, da andere Berufszweige weiterhing Wohnraum gewerblich nutzen dürfen. Das Gericht wies die Klagen mit der Begründung ab, dass in Berlin ein Zweckentfremdungsverbot gebraucht werde, um dem Mangel an Wohnraum entgegenzuwirken. Die Berufsfreiheit sei nicht verletzt, da Ferienwohnungen weiter angeboten werden könnten, allerdings nicht in geschützem Wohnraum. Auch gegen die Eigentumsgarantie verstößt das Gesetz nach Auffassung des Gerichts nicht, weil nicht zwangsläufig der größtmögliche Gewinn aus der Vermietung gesichert werden muss. Außerdem hätten die Betreiber mit der zweijährigen Übergangsfrist genügend Zeit gehabt, sich auf die neue Gesetzeslage einzustellen. Wollen die Kläger das Urteil nicht hinnehmen, müssen sie jetzt beim Oberverwaltungsgericht in Berufung gehen.

 

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ARTIKEL vom 1.06.2016:

 

Hier geht es direkt zum Podcast

 

„Jedes Mal, wenn ich über das Zweckentfremdungsgesetz spreche, rede ich mich regelrecht in Rage“, sagt Marcus Buthmann. Seit 2007 betreibt er in der Dunckerstraße Ferienwohnungen, die er über seine Internetseite berlinerleben.net vermietet. Angefangen hat er mit zwei Wohnungen, inzwischen sind es neun Stück, alle im selben Haus, in dem der 53-Jährige auch selbst wohnt. Die Wohnungen hat er angemietet, selbstverständlich mit Erlaubnis der Vermieter. Beim Bezirk hat er sein Gewerbe ebenfalls ganz offiziell angemeldet, er bezahlt Übernachtungssteuer, Mehrwertsteuer, alles ist korrekt. Trotzdem ist das, womit er seinen Lebensunterhalt verdient, spätestens seit dem 1. Mai 2016 verboten, denn da endete die Schonfrist für die Zweckentfremdung von Wohnraum. „Ich verstehe einfach nicht, wieso der Gewerbeschein, den ich 2007 bekommen habe, auf dem steht ‚Vermietung von Ferienwohnungen‘, jetzt plötzlich nicht mehr gelten soll“, sagt er.

Hier vermietet Marcus Buthmann seine insgesamt neun Ferienwohnungen

(Foto: Kristina Auer)

 

„Ungerecht, scheinheilig und populistisch“

 

Beim Verwaltungsgericht liegen derzeit 154 Klagen aus ganz Berlin gegen das Gesetz vor, acht davon kommen aus Pankow, wie Gerichtssprecher Kai-Christian Samel auf Anfrage mitgeteilt hat. Bei einem ersten Gerichtstermin zum Thema am 8. Juni soll über diese Klagen entschieden werden.

Die Betreiber der Ferienwohnungen haben sich in der Apartment-Allianz zusammengeschlossen, um sich der schwierigen Lage gemeinsam entgegenzusetzen. Warum Buthmann das Zweckentfremdungsverbotsgesetz, wie es mit vollem Namen heißt, „ungerecht, scheinheilig und populistisch“ findet, und warum er bezweifelt, dass es für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen wird, erklärt er in unserem dieswöchigen Podcast:

 

 

„Ich behaupte nicht, dass man damit nicht gutes Geld verdienen kann“, sagt Buthmann. Dennoch seien er und seine Kollegen ehrliche Gewerbetreibende wie in allen anderen Wirtschaftszweigen eben auch. Das Gesetz bedroht die Existenz seines Unternehmens. „Natürlich mache ich mir große Sorgen, und das nicht erst seit vier Wochen“, sagt Buthmann. Seine Ferienwohnungen hat er übrigens alle persönlich eingerichtet. Die, in der wir uns befinden heißt „Mandela“. „Weil hier die Deko einen südafrikanischen Touch hat“, sagt Buthmann. „Und die Karte an der Wand zeigt die Stadt George in Südafrika, wo ein Teil meiner Familie lebt.“

 

Rausschmiss von Airbnb

 

Bis Anfang des Jahres hat Buthmann seine Ferienwohnungen auch über das Portal Airbnb angeboten. Im Januar habe Airbnb jedoch die Profile aller professionellen Anbieter mit einer Ankündigung von 14 Tagen entfernt, und das ohne Erklärung. „Ich vermute, die wollen zurück zur Home-Sharing-Economy, wo jeder seine eigene Wohnung oder nur ein Zimmer darin anbietet“; sagt Buthmann. Ihm selbst macht der Rausschmiss aber nur wenig aus, die meisten Kunden bezieht er über seine eigene Webseite.

Wenn beim Gerichtstermin am 8.Juni im Sinne des Zweckentfremdungsgesetzes entschieden wird, will auch Buthmann Klage einreichen. „Dass die Gerichte jetzt auch noch solche Ungerechtigkeiten bestätigen, das will ich nicht glauben“, sagt er.

 

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