Tausendfaches Nein

von Anja Mia Neumann 2. März 2016

UPDATE Der erste Einwohnerantrag in der Geschichte Pankows ist gescheitert. Prenzlauer Berger hatten Unterschriften gesammelt und für die Parkplätze in der Lilli-Henoch-Straße gekämpft.

UPDATE

Der Einwohnerantrag wurde in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammtlung am 2. März 2016 abgelehnt. Die Linksfraktion stimmte dafür, die SPD-Franktion enthielt sich. Der Grund: Die Mehrheit der Politiker bezweifelt, dass genau an dieser Stelle Parkplätze erhalten werden müssen.

(Aktualisierung Anja Mia Neumann)

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ARTIKEL vom 25. März 2015

Das gab es noch nie. Prenzlauer Berger sammeln Unterschriften und geben den Bezirkspolitikern ihren Rüffel – „zur zwingenden Beratung.“ Es geht um wegfallende Parkplätze.

Es geschieht etwas Ungewöhnliches in den heiligen Hallen des Bezirksamtes. Der Bürger meldet sich zu Wort und zwingt die Politiker im gleichen Atemzug, sich zu positionieren und sich zu entscheiden. Die müssen sich allesamt mit dem Menschen beschäftigen – und mit dem, was ihm auf der Prenzlauer Berger Seele brennt.

Die Premiere in Sachen Bürgerbeteiligung, der sich die Bezirksverordnetenversammlung Pankow am Mittwoch entgegen sieht, hat einen ebenso unattraktiven Namen wie das Verfahren auf dem Weg dahin unsexy ist. Wir präsentieren: Einwohnerantrag. Richtig gelesen: Einwohnerantrag. Nun ist es raus und möglicherweise auch die Luft aus diesem Artikel. Wir wiederholen: Einwohnerantrag. Falls Sie noch da sind und der deutschen Behördensprache trotzen wollen: Es folgt, worum es eigentlich geht und wie es dazu kam.

 

Die Drei von der Anwohner-Initiative und jeder 155. Prenzlauer Berger

 

Anfang des Jahres sitzen drei Anwohner von der Anwohner-Initiative Ernst-Thälmann-Park vor dem gleichnamigen Schwimmbad an ebenjenem Park. Immer wieder und sammeln Unterschriften. Gegen die geplante Bebauung der angrenzenden Parkplätze in der Lilli-Henoch-Straße. Denn im Viertel und im angrenzenden Gebiet an der Anton-Saefkow-Straße sollen 2200 neue Wohnungen gebaut werden. Im vergangenen Sommer wurde nach langem Hin und Her ein Konzept erstellt. Volker Herold, Angelika Hornig und Wolfram Langguth sind dagegen und sorgen sich um die Stellmöglichkeiten für Behindertentransporte, Lieferdienste und die Autos der Schwimmbad-Besucher in ihrer Wohnsiedlung.

Ganze 1000 Unterschriften sind nötig, um so einen Einwohnerantrag zum Erfolg zu führen. Das ist ungefähr jeder 155. Prenzlauer Berger. Inklusive Kindern, die natürlich noch gar nicht unterschreiben dürfen. Das dürfen erst Jugendliche ab 16 Jahren. Kommen diese 1000 Unterstützer zusammen, gibt es eine „zwingende Beratung“ durch die Bezirksverordneten. Drei Bürger müssen ihren Otto unter den Antrag setzen und mit ihrem Namen dafür stehen.

Von der Theorie zurück zur Praxis: Die Drei von der Anwohner-Initiative haben mit Klinkenputzen und Gesprächen letztlich 1134 Unterschriften zusammen bekommen. 1032 davon waren laut Bezirksverordnetenvorsteherin akzeptabel – mehr als 1000. Ergo kommt es zum ersten Einwohnerantrag in der Geschichte Pankows.

 

Luftschneisen, Zierkirschen und Hochhäuser

 

Lassen wir nun die Kontrahenten zu Wort kommen: Herold gegen Kirchner. „Es wird über die Köpfe hinweg entschieden“, klagt einer der Antragsteller Volker Herold. „Letztlich geht es nur um Kohle bei dem Bau.“ Herold ist bekannt dafür, den Stadträten gern mal auf den Zahn zu fühlen und sich – außergewöhnlich stark – für die Interessen des Thälmann-Gebietes einzusetzen. Ihm geht es, klar, um die Parkplätze und darum, dass „nicht noch mehr Feuerwehrstellplätze unerlaubterweise zugestellt werden müssen“.

Aber auch um die „Frischluftschneisen“ in der Stadt sorgt er sich. Durch die Bebauung der Parkplätze werde nämlich die Zirkulation der Luft gestört. „Es geht um die Beatmung von Berlin.“ Dabei spielen auch die schützenswerten japanischen Zierkirschen am Parkplatz eine Rolle: Sie würden beeinträchtigt werden, fürchtet Herold. Oder gar vernichtet.

 

Ernst-Thälmann-Park 2.0

 

Zuständig für den Bau im Bezirk ist Jens-Holger Kirchner (Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung. Er steht hinter den Bebauungsplänen: „Wenn der Platz eng wird, muss man höher bauen.“ Eben auch auf Kosten eines Parkplatzes. „Ernst-Thälmann-Park 2.0″, nennt er es. „Es geht hier um die Verbindung von Wohnungsbau und Grün. Die muss weiterentwickelt werden – was spricht dagegen?“ Im April startet eine Machbarkeitsstudie zur Bebauung und ab September fließen deren Ergebnisse in die Pläne ein.

Ein Fan des recht neuen Einwohnerantrags scheint Kirchner übrigens nicht zu sein. Es gebe einfachere Instrumente der Bürgerbeteiligung, meint er. Zum Beispiel den Bürgerantrag, wenn ein Bezirksverordneter das Anliegen unterstütze. Dann trage der Bürger seine Position in die Versammlung ohne vorher auf Unterschriftenjagd zu gehen.

 

Nachtrag aus der BVV (25. März 2015, 19:20 Uhr):

Zu dem Einwohnerantrag hielt Volker Herold eine Rede. Anschließend meldeten sich mehrere Verordnete zu Wort. Es gab Applaus und Zwischenrufe aus dem Publikum. Letztlich wurde der Antrag in den Stadtentwicklungsausschuss überwiesen.

 

 

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