Multikulti-Magnet Prenzlauer Berg

von Anja Mia Neumann 13. April 2015

Schwaben war gestern. Immer mehr Zuzügler kommen aus dem Ausland nach Prenzlauer Berg. Ihre Zahl stieg zuletzt um mehr als die Hälfte. Gekommen, um zu bleiben?

Die Zahlen sind beeindruckend, die Pankows Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial da präsentiert. Fast 25 000 Prenzlauer Berger haben einen ausländischen Pass. Das ermittelte das Statistische Landesamt zum Stichtag, dem letzten Tag des Jahres 2014.

Bei genau 156 736 Einwohnern im Kiez macht das zwar gerade mal rund 16 Prozent aus (in Neukölln sind es mehr als 22 Prozent). Besonders aufhorchen lässt aber der Vergleich zu 2010 – damals lebten nur knapp 16 000 Ausländer im Viertel. In den letzten vier Jahren stieg ihre Zahl also um mehr als die Hälfte.

 

Viele gut ausgebildete West-Europäer zieht es in den Kiez

 

Woran liegt das? Flüchtlinge schießt es einem sofort in den Sinn. Aber das ist ein Trugschluss. Natürlich ist auch in Prenzlauer Berg deren Zahl gestiegen. Doch mit beispielsweise 177 Syrern (zu 21) ist das ein verschwindend geringer Anteil.

Die Gründe sind andere, warum Multikulti aus Prenzlauer Berg bald nicht mehr wegzudenken ist. Vor allem West-Europäer zieht es hierher. „Viele Einwanderer sind jung, gut ausgebildet und kommen nach Berlin, weil es eben hip ist“, erklärt Niewiedzial, die sich seit einem Jahr um Migration und Integration in Pankow kümmert.

Von den 25 000 Ausländern stammen aktuell rund 17 600 aus europäischen Ländern, vor allem aus Italien (2219 Menschen zu 1126), Frankreich und Spanien. Die Krise, Arbeitslosigkeit und Zukunftsängste waren bei vielen wohl der Auslöser, auszuwandern und sich hier niederzulassen.

 

Menschen in der Rushhour des Lebens

 

„Das positive Image von Prenzlauer Berg spielt aus der Ferne eine Rolle“, sagt die Integrationsbeauftrage „Gerade viele Einwandererfamilien mit Kindern suchen einen eher bürgerlichen Bezirk und landen dann in Prenzlauer Berg.“ Vor Kreuzberg oder Neukölln beispielsweise schrecken viele zurück, die sich in der Stadt nicht so gut auskennen.

 

Pankows Integrationsbeauftragte Niewiedzial

Die gebürtige Polin Katarina Niewiedzial ist Pankows Integrationsbeauftragte.

 

Der typische Einwanderer in Prenzlauer Berg ist Künstler aus der Mittelschicht oder hat einen Arbeitsvertrag in einem der vielen Start-Up-Unternehmen, ist zwischen Mitte 20 und Mitte 30 und in der Familiengründungsphase – oft kommen Männer mit einer schwangeren Frau oder Kindern. Viele dieser Zuzügler sind also Menschen in der so genannten Rushhour des Lebens, in der sich die Ereignisse ohnehin überschlagen.

Ob sie bleiben wollen? Das hängt nach Auffassung von Niewiedzial an der „Willkommenskultur“. Zwar mag die 36-Jährige das Wort nicht. Doch sie benutzt es häufig und betont, dass es nichts Wichtigeres gebe.

 

Eine Frage des Willkommen-Heißens

 

Letztlich heißt das zuallererst: Sich als alter Prenzlauer Berger bewusst sein, dass sich die Bevölkerungsstruktur ändert und offen auf die neuen Menschen zugehen.

Und von Behördenseite: Die Menschen auffangen, wenn sie ihre ersten Schritte in einem unbekannten Land machen, sie einen Deutschkurs machen oder arbeiten wollen. Ein erster Schritt dazu soll ein so genanntes Welcome-Center beim Bürgeramt in der Fröbelstraße sein.

Hier sollen vor allem Menschen, die aus dem EU-Ausland kommen und meist nur bei der Anmeldung Kontakt zu Behörden haben, einen direkten und fremdsprachigen Ansprechpartner bekommen. Bisher gab es den vor Ort nicht.

 

Pankow als Labor einer neuen Gesellschaft

 

Für Niewiedzial könnte Pankow in Sachen Migrationspolitik wegweisend werden: „Pankow ist ein Bezirk mit einer günstigen sozialen Struktur. Weil soziale Probleme nicht so im Vordergrund stehen, lässt sich gut beobachten, wie eine moderne Einwanderungsgesellschaft funktionieren kann“, sagt sie und ist überzeugt: „Pankow kann ein Labor dafür sein, wie sich diese Gesellschaft gut gestalten lässt.“

Fakt ist schon jetzt: Zwischen die deutschen Kinderwagen auf Prenzlauer Bergs Straßen schieben sich immer mehr italienische und spanische. Und man hört häufiger „salut“, „hola“ und „ciao“.

 

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