Amt ohne Personal oder Personal ohne Effizienz?

von Juliane Schader 9. Februar 2012

Ein Pankower Pirat kann das Gejammer über den Personalmangel in den Ämtern nicht mehr ertragen: Dort solle erstmal effizienter gearbeitet werden. Im Amt erntet er damit nur müdes Kopfschütteln.

Dass in Pankows Ämtern überhaupt noch etwas funktioniert, scheint an ein Wunder zu grenzen: Das Ordnungsamt – kurz vor dem Personalkollaps. Das Bürgeramt – gnadenlos unterbesetzt. Das Sozialamt – lässt viele Bedürftige im Regen stehen, weil es bei der Bearbeitung der Anträge nicht hinterherkommt. Nach Jahren des Personalabbaus sei man nun jenseits der Schmerzgrenze, tönt es unisono aus dem Bezirksamt. Nur ein einsamer Pirat, der will das so nicht akzeptieren.

Jan Schrecker ist nicht nur Bezirksverordneter der Piratenpartei, sondern arbeitet auch in einer auf Sozialrecht spezialisierten Anwaltskanzlei. Dort erlebt er, dass er oft mehrfach die gleichen Informationen an unterschiedliche Abteilungen des Amtes schicken muss – „Offenbar tauschen die sich untereinander nicht aus“, meint er. „Aber alles, was ich doppelt mache, machen die Mitarbeiter des Sozialamtes auch doppelt.“ Zudem klagt er über ständig wechselnde Zuständigkeiten und komplizierte Formulare, deren Bearbeitung unnötig viel Zeit fresse. „Man kann nicht guten Gewissens mehr Personal fordern, wenn man intern nicht effizient arbeitet“, sagt Schrecker.

 

Ein Amt voller teurer Mitarbeiter, die nicht miteinander sprechen?

 

Um seine Erfahrungen im Arbeitsalltag mit Fakten zu belegen, hat er eine kleine Anfrage bei der für Soziales zuständigen Stadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) gestellt. Deren Antworten scheinen große Missstände aufzudecken: So sei im vergangenen Jahr für Personal im Sozialamt 4,6 Millionen Euro ausgegeben worden, als Hilfen zum Lebensunterhalt und für Unterkunftskosten aber nur 3,2 Millionen Euro. Die Frage, ob bei der Bearbeiten von Fällen Informationen aus anderen Fachbereichen herangezogen würden, beantwortet sie nur knapp mit „Nein“. Und alle Fragen Schreckers zu detaillierten Statistiken über Widersprüche und Anzahl der unbarbeiteten Anträge werden abgebügelt mit dem Hinweis, solche Zahlen würden nicht erhoben.

Für den Piraten ist die Lage damit klar: „Was der Verwaltung fehlt, ist ein Qualitätsmanagement“, meint er. Jeder freie Träger müsse ein Qualitätshandbuch anlegen, nur das Amt selbst mache in diesem Bereich gar nichts. „Aktuell soll bei der Obdachlosenhilfe gekürzt werden, weil diese Menschen keine Lobby haben. Statt dessen sollte man besser erstmal kontrollieren, ob die Verwaltung effizient genug arbeitet.“

Forderungen, die Stadträtin Zürn-Kasztantowicz nur mehr ein müdes Lächeln abringen. „Qualitätsmanagement finde ich sehr gut“, meint sie. „Aber leider braucht man auch dafür Personal oder Geld für eine externe Firma, was wir beides nicht haben.“ Sie meint, Schrecker habe ihre Antworten nicht ganz richtig interpretiert.

 

„Arbeitete das Amt nicht effizient, wäre der Betrieb längst zusammengebrochen“

 

So stimme es zwar, dass das Sozialamt für Personalkosten von 4,6 Millionen Euro sorge. Diese Mitarbeiter seien jedoch für die Auszahlung von Sozialleistungen von insgesamt 130 Millionen Euro zuständig, von denen die 4,6 Millionen für die Hilfen zum Lebensunterhalt und die Unterkunftskosten nur einen Bruchteil darstellten. Auch die Sache mit der fehlenden Kommunikation der Abteilungen untereinander will sie so nicht auf sich sitzen lassen: „Wenn jemand das erste Mal staatliche Unterstützung beantragt, kann es zunächst zu Mehrarbeit kommen. Sobald aber klar ist, dass jemand mehrere Leistungen bekommt, wird die Bearbeitung bei einem Mitarbeiter gebündelt“, meint Zürn-Kasztantowicz. Natürlich passierten in einem so großen Amt immer auch mal Fehler. „Aber wir achten sehr auf Effizienz – ohne ressourcenschonendes Arbeiten wäre der Betrieb vermutlich längt zusammengebrochen.“

Statt dessen bleibt sie dabei, dass der Personalmangel nicht nur herbeigeredet und durch schlechtes Management verschuldet sei, sondern real existierend. „Schon jetzt haben wir den Personalbestand erreicht, den der Senat mal als Ziel des Abbaus gesetzt hat“, meint die Stadträtin. Weitere Einsparungen seien da einfach nicht mehr möglich. Dennoch verschärfe sich die Situation weiter, weil sie durch Verrentung freiwerdende Stellen nicht nachbesetzen könne: Der Mitarbeiterpool des Landes, aus dem sie sich bedienen müsse, sei ziemlich leer, die Nachfrage aber sehr groß. „Für Ämter, die stressig sind oder die nicht das beste Image haben, finden sich einfach keine neuen Mitarbeiter. Für unser Sozialamt ist das ein großes Problem“, erklärt Zürn-Kasztantowicz. Auch wenn sie den Wunsch nach mehr Effizienz im Kern immer richtig sei: „Wenn die Decke zu kurz ist, kann man sie zwar hin und her ziehen, aber man friert auf jeden Fall.“

 

 

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