Keine Vorfahrt nirgends

von Anja Mia Neumann 22. Dezember 2016

UPDATE Im Wahlkampf hieß es: Fahrradfahrer sollen mehr Raum bekommen. Konkret geht es in Prenzlauer Berg um zwei Routen nur für Radler. Die Stargarder Straße wird nun als Fahrradstraße in Betracht gezogen.

Pankows Bürgermeister Sören Benn (Linke) hat mitgeteilt: Das Bezirksamt will beantragen, dass die Stargarder Straße zur Fahrradstraße wird.

Auch die Gleimstraße komme in Frage – allerdings zählt sie laut Verkehrslenkung derzeit zum „übergeordneten Straßennetz“, was bedeutet, dass sie so keine Fahrradstraße werden darf. Deshalb will das Bezirksamt zuerst einmal für die Gleimstraße die Entlassung aus dem übergeordneten Straßennetz beantragen.

Was die anderen Straßen angeht, dazu halten sich Pankows Entscheider noch bedeckt und berufen sich auf den Senat: Es bleibe abzuwarten, „welche Aussagen zum Ausbau des Berliner Fahrradstraßennetzes im Koalitionsvertrag gemacht werden“. (Update ane)

 

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ARTIKEL vom 3. November 2016:

Berlin soll fahrradfreundlicher werden, notfalls auch zu Lasten der Autofahrer und ihrer Parkplätze: So war es im Wahlkampf von fast allen Parteien zu hören. Sogar in der rot-grün-roten Bezirksvereinbarung in Pankow, auf die sich Linke, Grüne und SPD einigten, steht es schwarz auf weiß: Der Straßenraum soll neu aufgeteilt werden, „gegebenenfalls“ fallen dadurch Parkplätze für Autos weg, „gegebenenfalls“ soll es Fahrradschnellstraßen geben.

Da kann das neue Bezirksamt – seit vergangener Woche besteht es (vorerst) aus einem Linken-Bürgermeister und zwei Stadträten (Grüne und SPD) – gleich mit der Arbeit beginnen. Und zeigen, wie ernst es die Forderung nach einem neuen „bezirklichen Radverkehrsanlagennetz“ meint. Denn in der letzten Sitzung vor dem Wechsel an der Bezirksspitze haben die Verordneten den neuen Entscheidern noch schnell eine Aufgabe mitgegeben: In Prenzlauer Berg soll es neue Fahrradstraßen geben.

 

Vorschlag:

  • Eine Fahrradstraße als Nord-Süd-Route in Prenzlauer Berg: Dunckerstraße, Stargarder Straße, Senefelderstraße und Kollwitzstraße zum Kollwitz- und Senefelderplatz.
  • Eine Fahrradstraße als Ost-West-Route: Gleimstraße und Stargarder Straße.

Zusammen mit dem Bezirksamt Mitte soll dafür ausgewertet werden, was gut und was schlecht bei der Fahrradstraße in der Choriner Straße läuft.

Malerei, die auf die Vorfahrt für Radler in der Choriner Straße hinweist.

(Foto: Anja Mia Neumann)

 

Fahrradfahrer werden ob dieser konkreten Ideen jubeln, Autofahrer werden gelinde gesagt wenig begeistert sein. Trotz aller „gegebenenfalls“-Abschwächung in der Formulierung zur rot-grün-roten Zählgemeinschaft, die den Prenzlauer Berg Nachrichten vorliegt, der Vorschlag trifft einen Nerv.

Einzig ist etwas Nachhilfe zum Thema Fahrradstraßen nötig. Beim Ortsbesuch in der Choriner Straße, die seit 2011 Fahrradstraße ist, zeigt sich nämlich: So richtig gut funktionieren tut es dort nicht. Ob es an der überraschend späten Ausschilderung liegt von der Schönhauser Allee kommend? Tempo 30 fährt hier jedenfalls kaum ein Autofahrer und dass es sich bei den Autos, die dort ausnahmsweise fahren dürfen, tatsächlich immer um Anlieger handelt, das glaubt wohl niemand.

 

Was bedeutet nun eigentlich „Fahrradstraße“?

Wir zitieren aus der Straßenverkehrsordnung:

„Ge- oder Verbot

1. Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr darf Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt.
2. Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern.
3. Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist erlaubt.
4. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt.“

 

Heißt: Fahrradfahrer haben Vorrang auf einer Fahrradstraße, Autofahrer haben das Nachsehen und müssen ihr Tempo dem der Radfahrer anpassen – vorausgesetzt Autos dürfen die Straße überhaupt benutzen (z.B. durch das Schild „Anlieger frei“ wie in der Choriner Straße).

Ob Pankows neues Bezirksamt eine Vehemenz an den Tag legen wird – zu Gunsten der Radfahrer, wie vor den Wahlen etliche Male versprochen? Die Chance bekommt es mit den konkreten Vorschlägen zu zwei Fahrradstraßen-Routen auf dem Silbertablett serviert.

 

„Ausbau des Fahrrad-Nebenroutennetzes“ scheitert an den Pflasterstraßen

 

In der Vergangenheit jedenfalls sind vergleichbare Vorschläge eher versandet genauer gesagt in Pflastersteinen begraben worden, wie der „Ausbau des Fahrrad-Nebenroutennetzes“ seit 2007 zeigt.

Dafür sollte etwa die sogenannten „Prenzlauer Berg-Tangente“ Bernauer Straße, Oderberger Straße, Kollwitzplatz, Marienburger Straße, Hufelandstraße fahrradfreundlich gestaltet werden. Die Antwort: „Wurde im Nahbereichskonzept nicht näher untersucht. Handlungsbedarf ergibt sich aus der Art der Fahrbahnbefestigung mit Großpflaster (Reihensteinpflaser). Asphaltierung des Straßenzuges Wörther-, Marienburger- und Hufelandstraße ist mit erheblichem Mittelbedarf verbunden und hat Einfluss auf das Stadtbild.“ Stattdessen sollen Radfahrer lieber auf der Danziger Straße fahren – obwohl es dort noch immer keinen durchgängigen Radweg gibt.

 

Drei neue Radwege in Prenzlauer Berg im Nebenroutennetz

 

Ähnlich sieht es für die Greifenhagener Straße und für die Stedinger Straße aus, auf denen auch Pflastersteine sind: finanzielle Mittel für eine Asphaltierung – bislang Fehlanzeige.

Doch es hat sich seit 2007 auch etwas getan: In der Thomas-Mann-Straße und der Hanns-Eisler-Straße wurden Radwege markiert. Und die Pappelallee und die Stahlheimer Straße – ein wahrer Unfallschwerpunkt für Radler – werden gerade umgebaut.

 

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