Kein Platz für Yoga

von Thomas Trappe 19. November 2012

In Sanierungsgebieten kümmern sich Betroffenenvertretungen um die Sorgen von Anwohnern. Jetzt kriegen sie kein Geld mehr. Es gehe zu oft nicht um Sanierungsfragen, wird moniert. 

Karin Ludwig ist betroffen. Betroffen von Sanierung, Gentrifizierung und Verdrängung. Seit 40 Jahren habe sie nun Kiez-Erfahrung, und seit 1994 wird ihr Kiez um den Teutoburger Platz saniert – fast genauso lange ist Ludwig in der Betroffenenvertretung (BV) Teutoburger Platz aktiv. Eine Initiative, die vom Land finanziert wird und sich den mit dem städtebaulichen Wandel einhergehenden Problemen widmen soll. Ludwig findet, sie und ihre Mitstreiter leisten gute Arbeit. Entsprechend verärgert ist sie, dass im kommenden Jahr der BV der Saft abgedreht wird. Und der Bezirk nicht bereit ist, die Kosten ersatzweise zu tragen.

Die BVen und ihre Finanzierung sind gekoppelt an die Sanierungsgebiete, die Mitte der 90er Jahre in ganz Berlin ausgerufen wurden. Die meisten Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg sind in den vergangenen Jahren ausgelaufen, zwei weitere werden bald folgen: Der Teutoburger Platz im kommenden Jahr und dann der Helmholtzplatz, voraussichtlich ein Jahr später. In beiden Gebieten gibt es je eine BV, mit eigenen Räumlichkeiten und eigenem Büromaterial. 20.000 Euro pro Jahr bekommt nach Aussagen von Sprecherin Karin Ludwig die Teutoburger BV. Damit ist jetzt Schluss. Die Linken-Fraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung scheiterte im Stadtentwicklungsausschuss mit einem Antrag, die Finanzierung fortzusetzen. Die Mietverträge der BV-Räume mussten oder müssen noch gekündigt werden. Überraschen kann das kaum: Die zuständigen Kommunalpolitiker und die BV, zumindest am Teutoburger Platz, sind sich alles andere als grün.

 

Kein Konzept, keine Transparenz

 

Der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) ist gegen eine bezirkliche Sonderförderung für die BV. Er verweist darauf, dass es am Helmholtz- und am Teutoburger Platz bereits mehrere Initiativen und Vereine gebe, die sich Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben hätten; am Teutoburger Platz zum Beispiel das Stadtteilzentrum und die Initiative Leute am Teute mit ihrem Platzhaus. „Und demnächst kommt noch ein Platzhaus auf dem Hirschhof dazu.“ Kirchner zweifelt offenbar auch an dem Nutzen der Förderung, da die BVen kaum das zustande bringe, was ihr Zweck sei: Eine breite Masse der Anlieger anzusprechen. Verglichen mit Bürgerinitiativen in Buch oder Französisch-Buchholz sei die Resonanz in den Prenzlauer Berger BVen auffallend gering. Der Bezirk sei nicht dafür zuständig, semi-private Veranstaltungen kleinerer Gruppen zu sponsern.

„Yogakurse, Gesprächskreise und Schachturniere“ fallen dem Bezirksverordneten Roland Schröder (SPD) ein, er lehnte als Vorsitzender des BVV-Ausschusses für Stadtentwicklung mit der Mehrheit eine Ersatz-Finanzierung ab. Schröder räumt zwar ein, dass sich die Vertretungen auch um Anliegen von Nachbarn kümmern – aber auch um viel Anderes. „Und wenn dafür Steuergelder in Anspruch genommen werden, kann man auch verlangen, dass da eine gewisse Transparenz herrscht.“ Er sei bereit, über eine Förderung zu sprechen, wenn ein Konzept vorgelegt werde, „wenigstens mal zwei Din-A-4-Seiten, wo drauf steht, was man eigentlich so macht“. Bis jetzt sei die von BV-Seite hervorgebrachte Hauptbegründung für eine weitere Förderung, „dass es das die letzten 20 Jahre doch auch gegeben hat“. 

 

Basisdemokratisch ohne Wahlen

 

Zu wenig Transparenz, kaum Resonanz – harte Vorwürfe an die BV, die Karin Müller ärgern, die sie aber auch nicht wirklich entkräftet. Auf Anfrage erklärte sie, dass sie nicht wisse, wie viele Teilnehmer es in ihrer BV gebe. „Vielleicht so 20.“ Der Verein arbeite strikt „basisdemokratisch“ – das gehe auch ohne Wahlen oder feste Gremien und Strukturen in der BV. Wenn es Wahlen geben sollte, sei die Bezirksverwaltung in der Pflicht, diese zu organisieren. Man suche sich seine Mitstreiter eben selbst aus, sagt Ludwig. In ihrer BV würden sich verschiedene Gruppen treffen; unter anderem das Initiativen-Netzwerk Bin Berlin, „Selbsthilfe- und Kiezgruppen“ und der linke Fußballverein „Roter Stern“.  Die Arbeit transparenter zu gestalten, sei unnötig, so Ludwig weiter, da man garantieren könne, auch ohne Kontrolle im Sinne des Stadtteils zu arbeiten. „Wir sind näher dran an den Problemen der Leute im Kiez.“

Dass das Bezirksamt nun kein Geld zuschießen wolle, ist nach Ludwigs Auffassung nicht in der Struktur ihrer BV begründet, sondern in deren unbequemen Arbeit. Das sieht auch Michail Nelken (Linke) so, der als Bezirksverordneter den Antrag auf Weiterförderung mitformulierte. Das Bezirksamt wolle „ein paar Meckerer loswerden. Das hat mit einer allgemein geringen Wertschätzung von Bürgerbeteiligung zu tun. Das ist halt anstrengend.“ Den Vergleich mit Initiativen in Buch oder Französisch-Buchholz findet Nelken abwegig, da dort Traditionsvereine hinter etwaigen Initiativen stehen. In Prenzlauer Berg gebe es das kaum. Umso wichtiger sei es, „mit den Betroffenenvertretungen ein Bindeglied zwischen Verwaltung und Bürgern“ am Leben zu halten.

 

 

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