Jobcenter: Der blinde Fleck im Datenwust

von Juliane Schader 7. Juli 2014

Das Jobcenter Pankow dokumentiert seine Arbeit akribisch. Doch in welche Jobs die Arbeitslosen wechseln, und wie viel Geld sie da verdienen, wird nicht erhoben. Steckt dahinter System?

Es ist nicht so, als würde sich das Jobcenter Pankow keine Mühe geben, seine Arbeit mit reichlich Daten zu dokumentieren. Auf der Internetseite www.statistik.arbeitsagentur.de kann man sich Exel-Listen voller Zahlen herunterladen, in denen minutiös auseinandergedröselt wird, wie viele langzeitsarbeitslose Frauen im Jahr 2012 in die Selbstständigkeit gewechselt und wie viele Geringqualifizierte derweil eine Weiterbildung angefangen haben.

Hier scheint man wirklich um Transparenz bemüht.

Umso erstaunlicher lesen sich die Antworten, die Jan Schrecker, Vorsitzender der Pankower Piratenfraktion, nun aus dem Jobcenter auf mehrere kleine Anfragen hin bekam. Schrecker wollte wissen, was hinter den reinen Zahlen steckt – wie viel die Menschen in ihren neuen Jobs etwa verdienen oder wie viele bei einer Zeitarbeitsfirma angefangen haben. Nur mit diesem Wissen könne man beurteilen, ob die Menschen vom Jobcenter auch nachhaltig in Arbeit gebracht würden, meint der Pirat.

 

„Die angebotene Dienstleistung kann nicht ermittelt werden“

 

Die lapidare Antwort aus dem Amt lautet jedoch: „Es werden keine Statistiken geführt.“ Generell werde nicht erfasst, in welchen Betrieben die Arbeitslosen unterkämen, heißt es. Gleiches gelte für das Gehalt. Zwar wisse man in einigen Fällen, in denen das Jobcenter die neue Arbeitsstelle vermittelt habe, auch das Bruttogehalt. Dies sei aber nicht immer der Fall, und da zudem keine Daten über Jobs vorlägen, die sich die Betroffenen selbst gesucht hätten, sei da keine plausible Statistik möglich.

Für Schrecker ist das ein mittelgroßer Skandal. „Die Verwaltungskosten steigen, es gibt immer mehr Klagen gegen Entscheidungen des Jobcenters – aber die Dienstleistung, die angeboten werden soll, ist nicht ermittelbar“, sagt er. Schrecker war selbst in einer Anwaltskanzlei für Sozialrecht beschäftigt und hat dort die Arbeit des Jobcenters aus Kundenperspektive mitbekommen. Nun arbeitet er sich seit ein paar Monaten an den aus seiner Sicht intransparenten Strukturen der Behörde ab.

Tatsächlich sind – wie auch in anderen Jobcentern Berlins – die Verwaltungskosten stark gestiegen: von 17 Millionen Euro 2005 auf 34 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Begründet wird das mit der Einstellung von dringend benötigtem Personal – 2006 arbeiteten im Pankower Jobcenter gut 400 Mitarbeiter, mittlerweile sind es 200 mehr, und das bei sinkenden Arbeitslosenzahlen.

 

Selbst der Chef zweifelt an der Qualität der Arbeit im Jobcenter

 

In Folge dessen könnte man erwarten, dass es bei der Betreuung der Kunden besser läuft. Doch die fast 8500 Widersprüche und 1500 Klagen, die allein im vergangenen Jahr angelaufen sind, sprechen eine andere Sprache. Selbst Axel Hieb, der Geschäftsführer des Jobcenters, räumte im März uns gegenüber ein, dass die Qualität der Arbeit in seinem Amt verbesserungswürdig sei.

Doch um herauszufinden, woran es bislang hakt, müsse man erst einmal wissen, wie das Jobcenter bislang funktioniere. Genau das sei aber nicht möglich, meint zumindest Jan Schrecker. „Es gibt keine Statistik, die erfasst, in wie weit das Jobcenter bei einer erfolgreichen Rückkehr in die Arbeitswelt beteiligt war. Ich kann nicht messen, was für einen Job die machen“, sagt er. Dahinter vermutet er nicht etwa ein Versehen, sondern System: „Mit derartigen Statistiken könnte man beweisen, was sie nicht herausbekommen wollen – nämlich, dass hier nur Menschen in Arbeit gepresst werden, anstatt sie nachhaltig zu vermitteln“, meint der Pirat.

  

 

UNSER FREUNDESKREIS: Werden Sie Mitglied im Freundeskreis der Prenzlauer Berg Nachrichten und stärken Sie damit die Unabhängigkeit Ihrer Lokalzeitung! Mehr Infos hier.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar