„Ich will nicht nach Prenzlauer Berg ziehen“

von Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten 30. November 2010

Matthias Köhne (SPD) ist Bürgermeister des Bezirks Pankow – und damit auch von Prenzlauer Berg. Hier spricht er darüber, warum er sich dort mehr 60-Jährige wünscht.


Herr Köhne, Sie sind Bürgermeister des Bezirks Pankow. Über was reden wir eigentlich, wenn wir über Pankow reden – über Pankow, Weißensee oder Prenzlauer Berg?

Wir reden über den größten Bezirk der Stadt mit 370 000 Einwohnern und 13 Ortsteilen, wobei jeder Ortsteil etwas Besonderes ist, ein eigenes Image hat und ein eigenes Selbstbewusstsein. Das macht es ziemlich schwierig, weil alles natürlich unter einen Hut gebracht werden muss. Es gibt eine große Vielfalt. Ich hoffe auch, dass es ein gemeinsames Bewusstsein für den Bezirk gibt.

Was haben diese 13 Ortsteile gemeinsam?

Sie haben zunächst einmal die gemeinsame Verwaltungseinheit. Die ist willkürlich entstanden, mit der Bezirksfusion 2001. Aber ich glaube, die Ortsteile sind mittlerweile ganz gut zusammengewachsen. Man ist in allen Bereichen nicht nur stolz auf das Eigene, sondern auch darauf, dass die Anderen zum Bezirk gehören

Was ist an Prenzlauer Berg das Besondere?

Prenzlauer Berg hatte von Anfang an eine gewisse Sonderrolle, weil Pankow und Weißensee sich etwas ähnlicher sind. Außerdem ist Prenzlauer Berg als Ganzes ja ein eigener Ortsteil, während Pankow und Weißensee wesentlicher stärker in sich untergliedert sind. Prenzlauer Berg ist der am höchsten verdichtete Stadtteil, möglicherweise auch der berühmteste, den wir im Bezirk haben. Prenzlauer Berg hat eine hohe Attraktivität für die Menschen außerhalb von Berlin. Dort wird Prenzlauer Berg nicht sehr stark mit Pankow identifiziert.

Identifiziert man sich denn in Prenzlauer Berg überhaupt mit dem Bezirk Pankow?

In erster Linie identifiziert sich jeder mit seinem Ortsteil, in dem er wohnt. Wenn Sie jemanden aus Wilhelmsruh oder Buch fragen, dann wird der auch nicht sagen, ich bin Pankower, sondern ich bin Bucher oder Wilhelmsruher. So ist es in Prenzlauer Berg auch. Es gab Differenzen bei der Frage, wie der Bezirk heißen soll. Da trafen die unterschiedlichen Mentalitäten aufeinander. Natürlich ist es nicht besonders günstig, dass sich einer von drei Bezirksnamen durchgesetzt hat und sich zwei – Weißensee und Prenzlauer Berg – unterordnen mussten. Das wurde vor allem in Prenzlauer Berg so empfunden. Aber für das Leben im Bezirk hat das keine Bedeutung.

Sie wohnen direkt in Pankow. Was müsste passieren, damit Sie nach Prenzlauer Berg ziehen?

Ich will gar nicht nach Prenzlauer Berg ziehen, weil mir das dort viel zu verdichtet ist. Ich habe es lieber ein bisschen ruhiger. Da ist mir einerseits wichtig, nah dran zu sein mit einer guten ÖPNV-Verbindung, andererseits brauche ich eine gewisse Ruhe. Die finde ich nicht unbedingt in Prenzlauer Berg.

Wenn Ihnen der Prenzlauer Berg schon jetzt zu sehr verdichtet ist: Warum werden dann weiterhin Frei- und Brachflächen bebaut?

Was jetzt passiert, sind meistens Dachgeschossausbauten innerhalb der bestehenden Bebauung, aber ansonsten gibt es ja nicht mehr viel freie Baufläche. Man müsste bewusst Freiflächen, die im Rahmen der Stadtsanierung freigehalten worden sind, bebauen. Das wird nicht passieren. Natürlich sind in dieser Frage Konflikte programmiert. Wenn wir weiter verdichten, dann müssen wir uns fragen: Für wen ist das überhaupt noch attraktiv? Ich glaube, irgendwann ist eine Grenze erreicht.

An der Ecke Saarbrücker Straße/Belforter Straße will ein Investor die alte Blockrandbebauung wiederherstellen. Bisher gibt es dort einen aufgelockerten Grundriss aus der Nachkriegszeit. Unterstützen Sie die Pläne?

Der politische Wille ist, dass sich an der jetzigen Kubatur dort nichts ändert, dass die Freiflächen erhalten bleiben und es keine Blockrandbebauung gibt. Das Bezirksamt hat hier den Beschluss gefasst, eine Erhaltungssatzung aufzustellen, die die bestehende Bebauung sichert und eine Blockrandbebauung ausschließen soll.

Befürchten Sie eine Klage des Investors?

Das ist durchaus möglich. Es hat gerade kürzlich ein Urteil gegeben, wo es um einen Fall ging, der um die Ecke liegt, in der Kollwitzstraße. Dort wurde vom Gericht nicht mit einer möglichen Blockrandbebauung argumentiert, sondern mit der Freifläche des Wasserturmplatzes. Auch eine Beeinträchtigung dieser Freifläche müsse man in Betracht ziehen. Das ist eine neue Argumentationslinie, die man möglicherweise durchhalten kann.

Sie haben mal für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit gearbeitet. Prenzlauer Berg könnte eine Schlüsselrolle spielen bei einem möglichen Wahlsieg von Renate Künast. Wie wichtig ist Prenzlauer Berg für Klaus Wowereit?

Ich weiß nicht, ob Prenzlauer Berg so wichtig ist für einen Wahlsieg von Renate Künast. Diesen Zusammenhang habe ich noch nicht erkannt. Die Stadt Berlin ist größer als Prenzlauer Berg. Das muss man immer in Betracht ziehen. Man darf sich hier nicht täuschen lassen von der Bevölkerungsdichte und möglicherweise hohen Artikulationsfähigkeit.

Nennen Sie uns bitte ein Klischee über Prenzlauer Berg, das aus Ihrer Sicht stimmt.

Ich finde es bedenklich und sogar besorgniserregend, dass es Teile in Prenzlauer Berg gibt, wo der Anteil der über 60-Jährigen bei unter fünf Prozent liegt. Das Durchschnittsalter in Prenzlauer Berg liegt bei 33 Jahren. Wenn man, überspitzt formuliert, keinen Kinderwagen durch die Gegend schiebt, dann kann man schon das Gefühl haben, das man nicht dazugehört. Das ist keine gesunde Mischung für eine sozialverträgliche Stadt. Das ist nicht unbedingt Klischee, sondern das ist die Realität.

Wie lange wird es dauern, bis Prenzlauer Berg den Bevölkerungsaustausch der vergangenen Jahre verkraftet hat, bis es wieder eine „gesunde Mischung“ gibt?

Die Situation war zum Beispiel vor 20 Jahren eine ähnliche in Marzahn-Hellersdorf. Die Bevölkerung war damals dort auch sehr jung. Zu DDR-Zeiten sind die jungen Leute noch aus den Innenstadtbereichen in die neuen Wohnungen am Stadtrand gezogen. Inzwischen ist Marzahn-Hellersdorf ein Bezirk mit massiven demographischen Problemen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht möglicherweise ähnliche Probleme in 20 Jahren in Prenzlauer Berg bekommen. Die Voraussetzungen sind im Prenzlauer Berg zwar besser, aber die homogene Bevölkerungszusammensetzung ist nicht gut für die Entwicklung des Gebiets. Was passiert denn da in Zukunft? Die Infrastruktur hat sich auf die derzeitige Bevölkerungsstruktur ausgerichtet: Es gibt Kinderläden, Kindercafés, etc. Es wird aber eine Alterung im Laufe der Zeit geben, an die sich die Infrastruktur anpassen muss. Man kann nicht an dem festhalten, was man hat, das lässt sicht nicht konservieren.

Wie wird der Bezirk darauf reagieren?

Wenn wir sagen, wir brauchen keine Einrichtungen für ältere Menschen in Prenzlauer Berg, weil es dort eben auch wenig ältere Menschen gibt, dann ist das die falsche Konsequenz. Man muss es genau umgekehrt sehen: Gerade deswegen muss man dafür sorgen, dass Angebote geschaffen werden, die den Stadtteil auch für diese Bevölkerungsgruppe attraktiv machen.

 

Hier geht´s zum zweiten Teil des Interviews mit Matthias Köhne: „Ansonsten sagt man aber: Staat, lass mich in Ruhe!“

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