Erfolgreich leer gedroht

von Thomas Trappe 20. April 2012

15 Euro warm: Die Ankündigung horrender Mieten in der Gleimstraße zeigt Wirkung. Innerhalb weniger Wochen gibt es kaum noch Mieter. Die Mieterberatung spricht von „absurden“ Vorgängen.

Es ist Vorsicht geboten, wenn Politiker mit Superlativen um sich werfen. Aber ganz abwegig ist es dann wohl doch nicht, wenn der Linken-Bezirksverordnete Michail Nelken davon spricht, dass er „so etwas überhaupt noch nicht erlebt hat“. Der Ex-Stadtrat für Stadtentwicklung hat einen Überblick über die Geschichte der Mieterhöhungen in Prenzlauer Berg, und jetzt geht es um die Gleimstraße 52. Verdoppelt werden sollen dort die Mieten. Nelken ist entsetzt, die Mieterberatung geht auf die Barrikaden. Wahrscheinlich zu spät: Denn im Haus wohnt kaum noch jemand.

Die Geschichte einer erfolgreichen Drohgebärde in einem Wohnhaus, das eigentlich im sogenannten Milieuschutzgebiet liegt und damit vor unangemessenen Mieterhöhungen verschont bleiben müsste – so sehen es Nelken und die Mieterberatung. Es ist keine lange Geschichte: Vor nicht mal zwei Monaten, am 27. Februar, erhielten laut Mieterberatung die Bewohner in der Gleimstraße Briefe von der Hausverwaltung. In denen wurde eine Erhöhung der Mietpreise um 6,90 Euro pro Quadratmeter angekündigt. Als Grund wurden Sanierungsmaßnahmen angegeben. Ein Betroffener wandte sich an die Mieterberatung, die veranstaltete dann ein paar Tage später eine Infoveranstaltung. „Da war dann schon nur noch die Hälfte des Hauses bewohnt“, so Kristina Senoner von der Beratung.

 

Zu schnell aufgegeben

 

Für Senoner ist das Schreiben eine Drohgebärde, mit dem einzigen Ziel, die Mieter aus dem Haus zu kriegen. Wenn das das Ziel der Hausverwaltung gewesen ist, so scheint es jetzt schon fast erreicht: Nach Informationen der Mieterberatung seien inzwischen noch mehr Mieter weg. Jene, die im Haus wohnen, werden demnächst die Modernisierungsankündigung, so nennt sich das Schreiben, per Unterschrift anerkennen müssen. Tun sie es nicht, steuern sie auf einen Rechtsstreit mit der Hausverwaltung zu. 

Dabei haben sich wohl einige Mieter zu schnell ergeben, meint Senoner. Sie hat nämlich erhebliche Zweifel an der Rechtsgültigkeit der Vorgänge. So werde die Mieterhöhung auch mit dem Ausbau einer Dachwohnung gerechtfertigt. „Aber eine Mieterhöhung muss selbstverständlich mit einer Wertverbesserung der Mieterwohnung begründet sein.“ Mietern, die jetzt noch wohnen, sei zum empfehlen, wohnen zu bleiben und die „mietrechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen“, sagt sie. Zur Beurteilung der Modernisierungsankündigung reicht ihr ein Wort: „Absurd“.

 

„Luxussanierungen werden abgelehnt“

 

Der Bezirksverordnete Michail Nelken – er zweifelt die formale Richtigkeit des Schreibens generell an – sieht in der Gleimstraße eine nicht neue Taktik erfolgreich angewendet. Mit mehr oder weniger subtilem Druck werden zunächst Mieter vertrieben. Sind sie aus dem Haus, falle es dem Eigentümer leichter, gegenüber dem Bezirksamt eine Luxussanierung und vor allem Änderungen von Grundschnitten im Wohnhaus durchzusetzen. Denn diese sind in Milieuschutzgebieten eigentlich nur in Ausnahmefällen möglich.

„Wenn da keiner mehr wohnt, ist auch keiner mehr zu schützen“. So fasst Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankower Stadtrat für Stadtentwicklung, den Gedankengang mancher Immobilienunternehmen zusammen. „Das ist sicher eine bewährte Taktik, auf die mancher Eigentümer setzt“, meint er. Und stellt klar, dass das mit ihm als Verantwortlichen in der zuständigen Behörde nicht zu machen sei. „Luxussanierungen werden abgelehnt.“ Allerdings sieht er einen Großteil der Schuld für die Misere bei den Mietern der Gleimstraße 52.

 

Ohne Kalaschnikow

 

Diese nämlich sind nach Kirchners Beobachtung in de vergangenen Wochen nur allzu bereitwillig aus dem Haus ausgezogen. „In Prenzlauer Berg, einem Stadtteil, in dem jede verbrannte Semmel zum Rechtsstreit führt, zieht ein komplettes Haus ohne Weiteres aus? So richtig kann ich mir das nicht vorstellen.“ Da die „sicher nicht mit der Kalaschnikow vertrieben wurden, unterstelle ich mal, dass sie einverstanden waren“. Kirchner hätte sich, ähnlich wie die Mieterberatung, offenbar mehr Courage gewünscht. „Wenn die Mieter das Spiel sofort mitmachen, werde ich dann nicht den edlen Retter spielen“. Warum so viele Mieter so schnell ausgezogen sind, weiß er nicht.

Beim Hausverwalter, der „cityofberlin Immobilien“, betont Geschäftsführer Martin Schlegel, dass sein Unternehmen nur „Überbringer, nicht Initiator“ der Nachricht sei. „Die Zahlen stimmen, ich kann sie aber nicht erklären“, so Schlegel. Verantwortlich sei der Besitzer des Hauses, der aber nach Schlegels Eindruck verantwortungsvoll handle. Es würde außerdem mehr als nur das Dachgeschoss saniert: Fassade, Dämmung, außerdem würden ein Fahrstuhl und neue Balkone angebaut. Es sei sogar ein Beauftragter eingesetzt worden, der „proaktiv auf die Mieter zugeht und sie berät“. Wie viele Mieter in den vergangenen Wochen gekündigt haben, weiß Schlegel nicht. Abgesehen davon geht Schlegel davon aus, dass jede Baumaßnahme mit der Sanierungsverwaltungsstelle abgesprochen würde.

 

 

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