„Das Angebot ist zu gering“

von Thomas Trappe 26. April 2016

Der Prenzlauer Berger Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup (SPD) fordert im Interview, Genossenschaften in Berlin stärker zu fordern. Und sieht die Probleme vor allem in der Anfangsfinanzierung von Projekten.

Der SPD-Politiker Klaus Mindrup sitzt seit 2013 im Bundestag und ist dort Mitglied im Bauausschuss. Als Prenzlauer Berger Bezirkspolitiker kümmerte er sich schwerpunktmäßig mit Wohnungsbaugenossenschaften und saß im Beirat der Genossenschaft Bremer Höhe, heute in deren Vorstand. Bis 2006 wohnte er selbst in einer Wohnung der Bremer Höhe, inzwischen ist er bei der Selbstbau eG eingezogen. Im Interview beklagt er eine zu zurückhaltende Förderpolitik Berlins für Genossenschaften. Gerade Menschen, die für einen Wohnberechtigungsschein zu viel, für eine Eigentumswohnung aber zu wenig verdienten, könnten von Genossenschaften mehr profitieren, meint er.

 

Herr Mindrup, in den 90ern bis in die späten 2000er hinein gab es eine ganze Reihe von Genossenschaftsgründung in Prenzlauer Berg, danach aber nicht mehr. Ist die Zeit dafür einfach abgelaufen?

Bis vor wenigen Jahren konnten Genossenschaften noch Altbauten zu vertretbaren Preisen erwerben, heute gibt es da normalerweise wirtschaftlich nichts mehr zu holen. Genossenschaften müssen sich daher jetzt verstärkt dem Neubau widmen. Das Problem ist aber, dass für Neubauten viel Eigenkapital erforderlich ist, das junge Genossenschaften in der Regel nicht haben. Menschen mit Wohnberechtigungsschein können sich so etwas ohne Zuschüsse nicht leisten – und auch viele andere nicht. Zu einer Bank zu gehen und Geld für eine Genossenschaftsgründung zu bekommen, das können Sie derzeit auch vergessen. Man sollte sich, will man ein Projekt verwirklichen, mit Genossenschaften zusammen tun, die schon länger aktiv sind, den Markt kennen, mit Banken zusammenarbeiten und als sogenannte „Dachgenossenschaften“ agieren. 

 

Das klingt jetzt wie befürchtet aussichtslos. Denn selbst, wenn eine Genossenschaft im Boot ist und Eigenkapital vorhanden: Ist es dann nicht trotzdem unmöglich, beim Grundstückserwerb gegen Investoren zu bestehen, die ja in der Regel viel mehr zahlen können?

Man hat natürlich nur eine Chance, wenn Grundstücke von der öffentlichen Hand oder öffentlich-rechtlichen Institutionen vergeben werden, die soziale Kriterien anlegen. In wenigen Ausnahmefällen gibt es auch private Eigentümer, die nicht spekulativ tätig sind und das Gemeinwesen fördern wollen. Genossenschaften würden im Falle einer Vergabe durch die öffentliche Hand zum Beispiel verpflichtet, sich über einen bestimmten Zeitraum Mieter mit Wohnberechtigungsschein zuweisen zu lassen oder Wohngruppen zuzulassen, die nach dem Sozialgesetzbuch gefördert werden. In Berlin ist man mit diesem Instrument noch zurückhaltend, ganz anders als beispielsweise in München, wo Belegungsbindungen von 60 Jahren vereinbart werden.

 

Sind Genossenschaften Garanten für günstige Mieten? Oder anders gefragt: Haben sie eine Schutzfunktion vor dem freien Markt?

Wenn man sich die durchschnittlichen Mietpreise ansieht auf jeden Fall. Wichtig ist aber, dass die Genossenschaften wirtschaftlich geführt und verantwortungsbewusst verwaltet wird. Bei der Bremer Höhe und Selbstbau gilt das auf jeden Fall. Wir hatten aber in Prenzlauer Berg auch schon eine Insolvenz, vor 14 Jahren bei der Mendelssohn-Genossenschaft. Die hatten sich an einer Sanierung verhoben, und alle Genossenschaftshäuser wurden von der finanzierenden Bank verkauft und später teilweise in Eigentumswohnungen aufgeteilt und weiter veräußert. Bislang ist dies aber ein Einzelfall geblieben.

 

Bei der Selbstbau ist es eigentlich ausgeschlossen, als Außenstehender eine Wohnung zu bekommen, der Andrang ist hier so groß wie bei kaum einer anderen Wohnung in Prenzlauer Berg. Für andere Genossenschaften wird das gleiche gelten. Inwieweit kann man dann eigentlich davon sprechen, dass die Genossenschafts-Mieter Glückspilze sind, die gegenüber der großen Masse von Mietern privilegiert werden? Und ist das nicht auch schon wieder auf eine Art ungerecht?

Nein. Genossenschaften sind Hilfe zur Selbsthilfe. Vor zehn Jahren waren Genossenschaftswohnungen bei weitem nicht so begehrt wie heute. Wer sich bewegte, kam herein. Weil vielen Mietern damals das Solidaritätsprinzip, das hinter Genossenschaften steht, nicht einleuchtete. In dieser Zeit rechnete keiner mit einer so krassen Verschärfung auf dem Mietmarkt. Man kann den Menschen in den Genossenschaften heute nicht vorwerfen, dass sie sich damals vorausschauend verhalten haben. Was nichts daran ändert, dass Angebot und Nachfrage bei Genossenschaftswohnungen heute in keinem vernünftigen Verhältnis mehr stehen. Daher wollen auch Genossenschaften neu bauen und neue Mitglieder aufnehmen. Sie brauchen dabei aber die Unterstützung Berlins, zum Beispiel bei der Schaffung von Baurecht oder bei der Bereitstellung von Grundstücken zu vertretbaren Preisen. Das ist auch ein Instrument der Förderung von Menschen, die zu viel verdienen, um einen Wohnberechtigungsschein zu erhalten und zu wenig verdienen, um eine Eigentumswohnung kaufen zu können. Gerade diese Gruppe fällt oft durchs Raster und Genossenschaften können dort helfen.

 

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