„Wir sind doch nur ein Kulturprojekt“

von Juliane Schader 3. April 2012

Prenzlauer Berg oder Kreuzberg, Hauptsache Berlin! sagt Maria Nicanor. Die Kuratorin des BMW Guggenheim Labs im Interview über Gentrifizierungs-Gegner aus der 60ern und Diskussionen unter Nachbarn.

Maria Nicanor ist Kuratorin des BMW Guggenheim Labs. Angesichts der aktuellen Meldung, dass dieses nun doch in den Prenzlauer Berger Pfefferberg zieht, musste sie heute einen kleinen Marathon im Telefon-Interview-Geben absolvieren. Auch für die Prenzlauer Berg Nachrichten hatte sie kurz Zeit. Pünklich auf die Minute riefen sie zum verabredeten Termin aus New York an. Auf dem Festnetzanschluss. Es geht schließlich bei allem um die Zukunft des Urbanen, nicht des Digitalen. Wer braucht da schon Skype?

 

Wie wichtig ist es für das Lab, in welchem Viertel Berlins es denn nun stattfindet?

Gute Frage. Ich denke, dass ist gar nicht wichtig, so lange man über die Dinge sprechen kann, die man für wichtig hält, und Leute erreicht, die mitreden wollen.

 

Aber warum haben Sie sich dann zwischenzeitlich für Kreuzberg entschieden, wenn der Ort gar keine Rolle spielt?

Ab eine bestimmten Punkt in der Planung haben wir gemerkt, dass wir uns mit einigen Themen ganz besonders auseinandersetzen wollen. Eins davon war die Bedeutung der Spree für Berlin und die Entwicklung entlang des Flusses. Wir dachten, dass man darüber sprechen sollte, und dass räumliche Nähe da hilfreich wäre. Außerdem gab es dort ein wenig mehr Platz, was für einige der Projekte, die wir angehen wollen, eine Rolle spielt. Aber im Verlauf der bisherigen Arbeit ist mir doch klar geworden, dass der Ort weniger wichtig ist als die Personen, mit denen man diskutiert.

 

Wir das Lab und Prenzlauer Berg anders laufen, als es in Kreuzberg gelaufen wäre?

Natürlich sind die Örtlichkeiten etwas anders, aber das Programm bleibt das gleiche. Ich werde es jetzt noch ein wenig anpassen, weil ich auch darüber sprechen möchte, was in den letzten Wochen geschehen ist. Darüber hinaus planen mein Team und ich aber eh, mit den einzelnen Projekten raus in die Stadt zu gehen. Natürlich wird Prenzlauer Berg die Basisstation sein, aber eigentlich haben wir vor, überall in der Stadt präsent zu sein.

 

Sie selbst haben noch im Januar gesagt, dass das Lab auch eine Art Gemeindezentrum werden soll, und es wichtig sei, die Nachbarschaft mit einzubeziehen. Was ist daraus geworden?

Natürlich ist es wichtig, dass die Leute im direkten Umfeld sich auf uns als temporären Nachbarn einlassen und auch Lust auf das Lab haben.

 

Fühlen Sie sich da willkommen in Prenzlauer Berg?

Total. Im Januar waren wir schon einmal im Pfefferberg und haben vor den Anwohnern das Lab vorgestellt. Das war sehr nett, und am Ende der Veranstaltung sind Leute auf mich zugekommen und haben Projekte vorgeschlagen, die sie gerne im Rahmen des Labs anbieten wollten. Ich weiß natürlich auch, dass es mittlerweile Unterschriftenlisten gegen uns gibt. Nunja, es gibt unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen. Wir wollen mit allen reden, die mit uns reden wollen, und von da werden wir dann weitersehen.

 

Ist Prenzlauer Berg sicherer als Kreuzberg?

Ich weiß nicht, ob es sicherer ist. Es gibt immer Leute mit anderen Meinungen, egal wo man hinkommt. Aber es ist natürlich eine sehr andere Nachbarschaft.

 

Und was denken Sie über die ganze Diskussion?

Ich bin mir der Themen und Probleme, die da gerade diskutiert werden, sehr bewusst. Ich bin Spanierin, diese Diskussionen werden gerade auch bei uns geführt. Wir vom Lab sind nicht naiv, wir wissen, dass die Zukunft des Urbanen in Berlin schon längst diskutiert wird. Allein unsere Existenz ist jetzt der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht. Die ganze Situation ist gerade sehr politisiert.

 

Ist es nicht gut, dass die Diskussion schon läuft, bevor das Lab überhaupt angefangen hat?

Ich finde das fantastisch. Am Ende des Tages sind wir nur ein Kulturprojekt. Dass wir nun so viel Aufmerksamkeit genießen und überall die Themen diskutiert werden, die wir letztendlich auch auf der Agenda haben, ist doch super.

 

Hatten sie in New York eigentlich ähnliche Probleme?

In den ganzen zehn Wochen gab es eine Protestaktion. Acht oder zehn Leute kamen zu einer Veranstaltung und haben dort gegen die Gentrifizierung des East Village demonstriert. Uns ist es gelungen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Wir haben sie eingeladen, einen Workshop im Lab zu halten, und das haben sie auch gemacht: Über Hausbesetzer. Die Demonstranten waren nämlich fast alles Aktivisten der 60er Jahre, und es war super, so mit einer Generation ins Gespräch zu kommen, die sich schon seit Jahrzehnten mit Veränderungen in der Stadt beschäftigt. Am Ende haben wir nicht nur einen Workshop im Lab gemacht, sondern auch gemeinsame Touren durchs East Village. Das ist das tolle daran: Du kann ein Thema nehme, es hin und her wenden und am Ende kommen tolle Sachen dabei heraus. So lange unsere Kritiker mit uns reden, bin ich froh, wenn was passiert.

 

Sie haben also keine Angst vor Berlin?

Nein, auf keinen Fall.

 

 

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