Späte Ehre

von Kristina Auer 4. November 2016

Martin Dibobe war ein Wortführer der Menschen aus den ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika. Die erste Berliner Gedenktafel für einen Schwarzen hängt jetzt in der Kuglerstraße.

Es ist eigentlich bezeichnend, dass die erste Gedenktafel für einen nicht weißen Menschen in einer multikulturellen Weltstadt wie Berlin erst vor einigen Tagen enthüllt wurde. Aber immerhin: Jetzt ist sie da, und zwar in Prenzlauer Berg. Jetzt ehrt das Schild in der Kuglerstraße 44 den in Kamerun geborenen Martin Dibobe. Er war der erste Schwarze Zugführer der Berliner Hoch- und Untergrundbahn, der heutigen BVG. Die Tafel wurde am 31. Oktober anlässlich seines 140. Geburtstags eingeweiht.

 

Lokale Berühmtheit in Prenzlauer Berg

 

Die Historikerin Katharina Oguntoye hat über Martin Dibobe hat zu Martin Dibobe geforscht. Insgesamt fünf Berliner Wohnorte sind von Dibobe bekannt, alle in Prenzlauer Berg und Friedrichshain, so Oguntoye. Zunächst habe man als Ort für die Gedenktafel ein ehemaliges Wohnhaus Dibobes in der prominenteren Kastanienallee im Auge gehabt. Der Eigentümer sei damit jedoch nicht einverstanden gewesen. So befindet sich die Tafel jetzt in der Kuglerstraße, an Dibobes letztem bekannten Wohnort in Berlin. Dibobe reiste im Jahr 1922 zurück nach Afrika, durfte aber nicht nach Kamerun einreisen, das inzwischen französisch geworden war. In Liberia verlor sich seine Spur.

Martin Dibobe muss im Prenzlauer Berg nach der Jahrhundertwende eine lokale Berühmtheit gewesen sein, so Oguntoye. „Man hatte und hat als Schwarzer Mensch in Deutschland ja oft gar keine Chance sich zu verstecken“, sagt sie. „Die Aufmerksamkeit seiner Umwelt hatte er also automatisch.“ Dies könne in einer gewissen Lebensphase auch ein in Anführungsstrichen positiver Aspekt für Dibobe gewesen sein. So habe er sicherlich viel Kontakt zu jungen Leuten und ein unterhaltsames Freizeitleben gehabt.

Diese Gedenktafel für Martin Dibobe erinnert seit Montag in der Kuglerstraße 44 an Martin Dibobe

(Foto: Kristina Auer)

 

Dibobe, der mit Vornamen eigentlich Quane hieß, bevor er auf einer Missionarsschule in seinem Heimatland auf den christlichen Namen Martin getauft wurde, kam im Jahr 1896 als 20-Jähriger nach Berlin. Im Rahmen der Berliner Gewerbeausstellung wurde er gezwungen, sozusagen als Ausstellungsstück das „Afrikanische Alltagsleben“ darzustellen. Dibobe blieb in Berlin, machte zuerst bei Siemens eine Schlosserlehre und begann schließlich bei der Berliner Hochbahn zu arbeiten. Dort stieg er vom Schaffner zum Zugführer der ersten U-Bahn-Linie U1 auf, damals ein sehr anerkannter Beruf mit Beamtenstellung. Er heiratete eine Deutsche und soll zwei oder drei Kinder gehabt haben, von denen jedoch heute jede Spur fehlt, so die Historikerin Oguntoye.

 

Persönliche Leistung und politisches Engagement

 

Martin Dibobe werde sowohl wegen seiner persönlichen Leistung als auch seines politischen Engagements mit der Gedenktafel geehrt. „Man muss diesen Übergang von einer in eine andere Kultur würdigen,“ sagt Oguntoye. „Dibobe ist in Berlin zu einem Deutschen geworden.“ Oguntoye verweist darauf, dass viele damals nach Deutschland gekommene Afrikaner sich nicht gegen die strukturelle Diskriminierung und den Alltagsrassismus durchzusetzen konnten. „Er hat eine Karriere und den sozialen Aufstieg geschafft, dafür braucht es Talent, Intellekt und einen moralisch starken Charakter“, so Oguntoye weiter.

Dieser starke Charakter und seine Willenskraft zeigen sich andererseits in Dibobes politischem Engagement: Nach Ende des Kaiserreichs setzte er sich in der Weimarer Republik für die Rechte von Afrikanern in und aus den deutschen Kolonien ein. Dibobe stand den Sozialdemokraten nahe und war Mitglied in der linken Vereinigung Liga für Menschenrechte, die es bis heute gibt. Im Jahr 1919 stellte Dibobe mit allen 17 weiteren in Deutschland lebenden Landsleuten ein 32-Punkte-Papier auf, das er bei der Nationalversammlung in Weimar einreichte.

 

Hoffentlich nur der Anfang

 

Darin heißt es: „Die Eingeborenen verlangen Selbständigkeit und Gleichberechtigung, wie es jetzt in der neuen socialen Republik in Deutschland eingeführt ist.“ Dibobe und seine Landsleute forderten unter anderem gerechte Löhne, die Akzeptanz von Ehen mit weißen Frauen, das Ende von Beschimpfung am Arbeitsplatz und den Status als Deutsche. Dibobe sollte außerdem als „Vertreter seiner Rasse“ in die Nationalversammlung einziehen. Natürlich kam diese den Forderungen der Afrikaner nicht nach. Dennoch war er damit ein Wortführer von Afrikanern in der Weimarer Republik und kann als Pionier der afrodeutschen Bewegung angesehen werden.

Katharina Oguntoye geht davon aus, dass Dibobe auftrund seines politischen Engagements seine Anstellung verloren hat und deshalb nach Kamerun zurückkehren wollte. Die Gedenktafel für Martin Dibobe in der Kuglerstraße 44 sei ein Anfang zur Aufarbeitung und Erinnerung von Schwarzem Leben in Deutschland, so Oguntoye.  „Wir hoffen, es werden noch viele weitere folgen!“

 

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