Von den Schwierigkeiten, das Fernwärmenetz zu erweitern

von Juliane Schader 6. Juni 2011

Verwaiste Baustellen, doppelt aufgerissene Straßen, zu spät informierte Anwohner – Vattenfall-Vorstandsmitglied Wolf-Dietrich Kunze erklärt, warum die Ausweitung der Fernwärmenetzes kein Ponyhof ist.

Für die Besichtigung seiner Baustelle ist Wolf-Dietrich Kunze ein paar Tage zu spät gekommen. Das Vorstandsmitglied bei Vattenfall Europa, verantwortlich für das Berliner Fernwärmenetz, sitzt in einem Café am östlichen Ende der Stargarder Straße. Vor ein paar Tagen war genau hier, vor seiner Nase, noch die Straße aufgerissen und Bauarbeiter wuselten herum, um die Rohre in die Erde zu bringen, die in Zukunft Fernwärme in den Helmholtzkiez bringen sollen. Anfang April wurde damit begonnen; bis zum Ende des Jahres will man sich bis zur Kreuzung Schönhauser Allee vorgearbeitet haben. In diese Richtung ist die Baustelle weitergezogen; von all den Behinderungen, die sie mit sich brachte, ist an dieser Ecke nun nichts mehr zu sehen.

„Wir, wie auch die Kollegen von den Wasserbetrieben, haben immer das Problem, dass unsere Arbeiten mit Einschränkungen für die Anwohner verbunden sind“, erzählt Kunze. Straßen müssten gesperrt werden, Parkplätze fielen weg; auch für die Gewerbetreibenden sei das nicht unbedingt eine ideale Situation. „Hier hatten wir auch noch einen unglücklichen Start, als eine übereifrige Baufirma erstmal die ganze Straße gesperrt hat und dann 14 Tage lang nichts passierte.“ Solche Vorfälle seien auch nicht im Interesse von Vattenfall. Man sei vielmehr bestrebt, schnellstmöglich alle Arbeiten zu erledigen. „Aber je mehr Anwohnerinteressen wir berücksichtigen müssen, desto länger brauchen wir.“

 

Niemand hat etwas gegen Fernwärme, aber alle sind gegen den Baulärm

 

Es ist immer das gleiche Spiel: Gegen den Anschluss an das Fernwärmenetz hat im Prinzip niemand etwas. Nur die Unannehmlichkeiten, die mit einer solchen Baustelle einhergehen, die will man nicht mittragen müssen. Zumindest nicht, wenn wie im Fall der Stargarder Straße die letzte große Baumaßnahme erst ein Jahr her ist – damals werkelte das Bezirksamt, das mit Gehwegvorstreckungen den Verkehr beruhigen wollte. „Wir bemühen uns um Koordination mit anderen Unternehmen, die wie etwa die Wasserwerke oder die Telekom auch Leitungen unter der Ende haben“, sagt Kunze. Die Strippen dabei liefen aber beim Bezirksamt zusammen; es fehle ein konkretes System. „Da gibt es sicherlich noch Verbesserungsmöglichkeiten.“

Sicherlich. Denn das Ergebnis dieser mangelhaften Absprachen liegt auf der Straße und geht zu Lasten der Anlieger, für die nur zählt, dass da, wo sonst ihr Auto parkt oder ihre Café-Tisch steht, nun ein Loch ist, und das schon wieder. Daher sitzt Kunze heute hier, um für mehr Verständnis zu werben. Um zu sagen, dass Vattenfall um die Mängel wisse, und, so weit das ginge, auch dagegen vorginge. Um zu erklären, dass der Weltkonzern nicht leichtfertig mit der Existenz der kleinen Cafés in der Straße spiele, denen aufgrund des Baulärms die Kunden ausbleiben. Denn gerade das ist der Eindruck, den viele hatten, als schon wieder Bagger in der Stargarder Straße anrollten.

 

Überraschende Rohrfunde halten die Arbeiten auf

 

„In fertig gewachsenen Gebieten mit Altbaubestand ist unsere Arbeit immer schwieriger“, erklärt Kunze. Unter der Erde lägen bereits Rohre, die im schlimmsten Fall auch auf keinem Plan verzeichnet seien. So käme es durchaus vor, dass man bei der Arbeit unvermutet etwa auf ein Abwasserrohr stieße, dass dann umverlegt werden müsste. Dies wiederum sei gar nicht so einfach, da ein solches Rohr ein gewisses Gefälle benötigte. „So etwas kostet Zeit und Geld und hält auf.“

Weitere Verzögerungsgründe seien die Arbeiten anderen Unternehmen oder weitere externe Faktoren, auf die man Rücksicht nehmen müsse, wie etwa Straßenfeste oder Ereignisse wie der Berlin-Marathon. Da könne es dann auch einmal dazu kommen, dass man an zwei verschiedenen Enden einer Straße mit dem Bau beginne. „Freiwillig würden wir so was nicht machen. Im Idealfall rücken wir Abschnittsweise entlang einer Straße vor“, meint Kunze. Darüber hinaus seien mehrere Firmen an der Verlegung der Fernwärmeleitung beteiligt. Wenn die nicht optimal aufeinander abgestimmt seien, könne es auch mal vorkommen, dass eine Baustelle ein paar Tage brach liege. „Besonders im Sommer sind die Baufirmen stark gefordert, da kann es zu Verzögerungen kommen.“

Bleibt die Frage der Anwohnerinformation. „Man könnte eine Studie dazu machen, wann dafür der richtige Zeitpunkt ist“, meint Kunze. Vier Wochen vorher sei manchen zu früh, zwei Wochen zu spät. „Wir machen Aushänge und stellen auch große Informationstafeln aus“, sagt Kunze. „Es ist aber meist nur ein geringer Teil der Anwohner, der sich nicht angemessen informiert fühlt.“

 

Bis Weihnachten ist die Stargarder Straße versorgt, bis 2017 der Prenzlauer Berg

 

Bis zum Ende des Jahres will Vattenfall die Stargarder Straße mit Fernwärme versorgt haben. Langfristig sollen 40 Prozent der Häuser über das neue Netz mit Wärme versorgt werden. Da der Anschluss der Häuser in einem Zug mit der Verlegung der Hauptleitung erfolge, seien weitere Arbeiten in dieser Straße dann erstmal unwahrscheinlich, sagt Kunze.

Dafür geht es an anderen Orten weiter. Neben den Nebenstraßen des Helmholtzkiezes soll auch das Gleimviertel mit Fernwärme versorgt werden. Bis 2017 will Vattenfall 17 Millionen Euro in die Fernwärme-Erschließung des Prenzlauer Bergs investieren. Die nervige Baustelle, die es bislang von der Prenzlauer Allee bis vor die Lychener Straße geschafft hat, wird sich also noch ein wenig weiter durch das Viertel fressen.

Am nördlichen Ende der Stargarder Straße hat man derweil vorerst Ruhe vor großen Baumaschinen. Da kann man den Gesang der Kindergeburtstagsgesellschaft besser hören, die das Café mittlerweile erobert hat.

 

Die Verlegung der Fernwärme kostet die Anwohner Nerven und Vattenfall viel Geld. Warum das Unternehmen dennoch investiert und wie das System Fernwärme funktioniert, können Sie hier lesen.

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