Die Knöllchen-Lotterie

von Juliane Schader 13. Februar 2014

„Neues aus der Parkzone“ ist hier mittlerweile eine beliebte Serie. Heute geht um den verwirrenden Effekt von zwei Vignetten am Auto und den Umgang mit Widersprüchen, der wohl ausgewürfelt wird.

Atomphysik, die Lage in Syrien, die Cricket-Regeln – die Welt ist voller komplizierter Dinge. Nicht zwangsläufig dazugehörig erscheint das Ausstellen von Knöllchen für Falschparker. Zu Unrecht, wie sich nun herausstellt.

Nehmen wir nur den Fall des Herrn L. aus der Oderberger Straße, der seinen Namen nicht so gerne in der Zeitung lesen möchte. Seit Monaten kassiert er immer wieder Strafzettel, obwohl er einen Parkausweis am Fenster seines Wagens kleben hat. Mehrmals hat er schon – erfolgreich – Widerspruch dagegen eingelegt. Irgendwann wurde es ihm aber doch zu bunt und er wandte sich an den zuständigen Stadtrat Torsten Kühne (CDU). Der das Problem gleich gewissenhaft analysierte.

Zum einen, schrieb ihm Kühne, klebe die Plakette des Herrn L. nur noch halb an der Scheibe, sodass das Datum der Gültigkeit schwer zu lesen sei. Zudem stiftete eine weitere Plakette, gültig für eine andere Parkzone, Verwirrung, ebenso wie ein am Seitenfenster angebrachtes ein Veterinär-Schild. Und dann seien die entsprechenden Kontrollen auch noch bei Dunkelheit erfolgt.

Vielleicht war zudem Vollmond und jemand hatte hinter dem Bezirksamt zu einem ungünstigen Zeitpunkt Knochen vergraben. Oder der Kontrolleur hatte gerade etwas im Auge und sein Kollege konnte Lesen noch nie leiden.

 

Ressourcen-Verschwendung Knöllchen-Streit

 

Wie dem auch sei: Kühne entschuldigte sich für die Umstände und ließ die Knöllchen stornieren. Was seine fleißigen Mitarbeiter auf der Straße bis heute nicht davon abhält, einfach neue auszustellen. Obwohl, wie L. mittlerweile auch von Mitarbeitern des Ordnungsamtes bestätigt wurde, die Plakette durchaus ordnungsgemäß und lesbar angebracht wurde.

Mittlerweile hat L. beim Polizeipräsidenten eine gerichtliche Entscheidung beantragt. „Völlige Ressourcenverschwendung“ findet er es, dass er, der Stadtrat und vermutlich auch mehrere Mitarbeiter des Ordnungsamtes sich so intensiv mit solchen Lappalien beschäftigen müssten. Zudem trage es nicht unbedingt zur Akzeptanz des Anwohnerparkens bei, wenn man sich alle paar Wochen mit unberechtigten Strafzetteln auseinandersetzen müsse.

 

Ein Fall, drei Widersprüche, drei Ergebnisse

 

Ressourcenverschwendung, das ist auch ein Wort, dass Vera Böpple benutzt. Als Betreiberin der Kulturkantine in der Alten Königsstadt in der Saarbrücker Straße hat auch sie Anspruch auf eine Parkvignette. Als diese zwar schon beantragt, aber noch nicht ausgestellt war, wies sie mit einem Zettel am Auto auf diesen Umstand hin. Strafzettel kassierte sie trotzdem. Das ist aber nicht der eigentliche Aufreger.

Richtig ärgerlich wurde es für Böpple, als sie gegen alle drei Knöllchen Widerspruch einlegte und drei unterschiedliche Reaktionen darauf erhielt: Einmal bekam sie gar keine Antwort, einmal wurde das Verfahren eingestellt und einmal wurde ihr Widerspruch zurückgewiesen und ihr neben den 10 Euro Bußgeld noch eine Gebühr von 28,50 Euro aufgebrummt. „Mich ärgert, dass es hier offensichtlich Spielräume gibt, die willkürlich zugunsten oder zuungunsten der Bürger genutzt werden können“, sagt Böpple.

Und was sagt das Amt? „Auch bei uns arbeiten Menschen und es passieren Fehler“, meint Stadtrat Kühne. Die Geschichte des Herr L., die ihm bekannt ist, sei aber ein Einzelfall. „Natürlich haben wir die Mitarbeiter noch einmal darauf hingewiesen, dass sie aufmerksam nach Plaketten schauen sollen, bevor sie ein Knöllchen ausstellen.“

 

Acht Prozent der ausgestellten Knöllchen blieben 2013 unbezahlt

 

Zur Frage, nach welchen Kriterien die Widersprüche gegen Knöllchen bearbeitet werden, meint er hingegen: „Das würde ich auch gerne wissen.“ Zuständig sei hier die Bußgeldstelle der Polizei, die sich auf Anfrage auf einen Ermessensspielraum beruft, den jeder Sachbearbeiter habe, der einen Widerruf bearbeitete. Bei identischen Fallgestaltungen können dadurch rechtmäßig unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden“, heißt es aus der Pressestelle der Polizei. Dabei löst die Einstellung eines Verfahrens aber keinen Anspruch auf künftig weitere Verfahrenseinstellungen aus.“

Laut Kühne wurden 2012 98 Prozent der Pankower Knöllchen auch abgerechnet; 2013 waren es 92 Prozent. Diese niedrige Zahl erkläre sich aber mit der Einführung neuer Parkzonen im vergangenen Jahr, so der Stadtrat. Daher sei das Jahr nicht repräsentativ.

Pro Monat würden in Pankow 40.000 Knöllchen verteilt, sagt Kühne. Wie viele Widersprüche daraufhin die Bußgeldstelle erreichen, dafür gibt es keine Statistik, da die Polizei nur Zahlen für Ganz-Berlin hat, wo pro Monat 2000 Widerspruche zusammenkommen. Im Pankower Amt, das ja eigentlich gar nicht zuständig ist, sind im Januar 20 Widersprüche eingegangen sowie 35 Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Knöllchenschreiber.

Im Verhältnis zur Menge an Strafzetteln insgesamt sieht Kühne hier kein gravierendes Problem.

 

Dieser Artikel wurde am 13. Februar um 12.45 Uhr um ein Statement der Polizei ergänzt.

 

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