Gründerzeitmuseum vor dem Aus

von Thomas Trappe 17. Dezember 2012

Nun doch: Der Treff „Herbstlaube“ in der Dunckerstraße muss wahrscheinlich schließen. Und damit auch das Museum. Vor Weihnachten sollen die Rentner davon nichts erfahren.

Karin Ehrlich feierte am Freitag Geburtstag. Nicht ihren eigenen, sondern den eines langjährigen Gastes, einer Rentnerin, 85 Jahre alt ist sie geworden. Die Stimmung in dem Seniorentreff Herbstlaube in der Dunckerstraße 77 ist gut, man hört es im Hintergrund. Und wenn man Frau Ehrlich so zuhört, ist man schließlich überzeugt, dass hier im Treff die letzten Senioren, die überhaupt noch am Helmholtzplatz leben, zusammenkommen. Und da kann man dann auch gut verstehen, dass die Frau Ehrlich ihren Rentnern lieber erst nach den Feiertagen erzählen will, dass ihr Treffpunkt bald nicht mehr sein wird. Und das Gründerzeitmuseum im gleichen Haus auch ernsthaft gefährdet ist.

Die Herbstlaube gibt es seit den Wendetagen – noch 1989 besetzten Anwohner ein ehemaliges Büro  der Blockparteienorganisation Nationale Front, es entstand das erste ABM-Projekt im Osten Berlins. Seitdem ist die Herbstlaube vor allem Anlaufpunkt für alteingesessene Anwohner des Helmholtzkiezes, die im Zuge der Sanierung immer weniger wurden. Die Herbstlaube wird betrieben vom Verein „Miteinander-Füreinander“, der in den vergangenen Jahren zunehmend in finanzielle Bedrängnis geriet. Nachdem im vergangenen Jahr bereits die Insolvenz drohte, wurden mehrere Projekte des Vereins beendet, zum Beispiel die Nachbarschaftshilfe. Es blieben die Herbstlaube und das ehrenamtlich betriebene Gründerzeitmuseum „Zimmermeister Brunzel baut ein Mietshaus“. Ende 2011 bewilligte der Bezirk eine Fortführung der Fördermittel. Das Haus schien gerettet. Das war ein Trugschluss.

 

Reiner Wein im neuen Jahr

 

Im April habe es das letzte Mal Zuschüsse für den Verein gegeben, sagt Karin Ehrlich. Jetzt lebe man von den Mitgliedsbeiträgen und Spenden, und die seien sehr überschaubar. Ein paar Dutzend Mitglieder gebe es, viele von ihnen leben von Hartz IV, Grundsicherung oder einer sehr geringen Rente – viel Geld könne da nicht genommen werden. Bezahlt werden muss davon die Miete für die Herbstlaube und das Museum und außerdem eine Mitarbeiterin auf Zwei-Drittel-Basis. 1.800 Euro, so Ehrlich, wären monatlich nötig. „Doch leider sieht der Bezirk keine Notwendigkeit mehr, uns zu unterstützen. Wir fallen jetzt eben weg.“ Der allergrößte Teil der Arbeit im Museum und dem Treff wird bereits jetzt von zwölf Ehrenamtlichen gemacht. 

Die Mietverträge seien bereits vorsorglich gekündigt, zum Mai 2013 laufen sie dann aus. Kampflos geschlagen geben will sich Karin Ehrlich zwar nicht, aber eine ähnlich laute Protestaktion wie in vor ein paar Monaten in der Stillen Straße sei den Rentnern der Herbstlaube nicht zuzumuten. Grund: Sie seien dafür viel zu alt. „Wir müssen sie unterstützen und nicht zum Kampf aufrufen“, sagt sie. Es kann viel kaputt gehen. So würden viele der täglichen Gäste – im Schnitt rund 15 – die Nachricht einer wahrscheinlichen Schließung nur schlecht verkraften. „Im neuen Jahr müssen wir dann aber reinen Wein einschenken.“

 

Rettung Kooperation

 

In der Pankower Bezirksverordnetenversammlung forderten die Grünen nun das Bezirksamt auf, Gründerzeitmuseum und Herbstlaube zu retten. Das Museum trage „zur Aufarbeitung der Gründerzeitgeschichte und zur Geschichte des Bezirks bei“. Zudem sei es wichtig für die Bildungsarbeit. So kooperiert das Haus mit einer Kita und einer Grundschule in Prenzlauer Berg. Der Grünen-Fraktion schwebt dabei vor, dass der Verein „Miteinander-Füreinander“ mit der Betroffenenvertretung (BV) am Helmholtzplatz zusammenarbeitet. 

BVs werden aus Geldern für die Finanzierung der Sanierungsgebiete getragen; am Helmholtzplatz läuft diese Förderung mit dem Ende der Sanierungszeit demnächst aus. Um eine Ende sowohl von BV als auch Herbstlaube und Museum zu verhindern, heißt es im Antrag, sei vom Amt zu „prüfen, ob die sozialen Angebote in der Dunckerstraße zu einer Zusammenarbeit angeregt werden können. Hiermit könnten die Mietkosten verringert und beide Angebote im Kiez erhalten werden.“ Damit wären auch die Kleiderkammer, die kostenlosen Sozial- und Rechtsberatungen, ein Chor und Theatergruppen, die von der BV getragen werden, zukunftssicher.

Karin Ehrlich zeigt sich sehr offen für den Vorschlag und will gerne entsprechende Gespräche führen. Einen Vorschlag des Amtes will sie allerdings nicht annehmen: In einen Seniorentreff in der Grellstraße umzuziehen. Das sei zu weit für die Rentner am Helmholtzplatz. Die zuständige Bezirksstadträtin war bisher für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

 

 

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