Fette Beute

von Dominique Roth 31. Dezember 2016

JAHRESRÜCKBLICK 2016: Die Zahl der Straftaten ist in Pankow stark gestiegen. Am gefährlichsten ist es im Südwesten und Osten von Prenzlauer Berg. Besonders Diebe und Einbrecher treiben im Staddtteil ihr Unwesen.

WIEDERHOLUNG vom 25. Mai 2016:

 

UPDATE vom 25.07.2016

Pankow ist der Berliner Bezirk, in dem die Zahl der Straftaten am stärksten gestiegen ist. Das zeigt der Berliner Kriminalitätsatlas, der vergangene Woche veröffentlicht worden ist. Demnach wurden im gesamten Bezirk im Jahr 2015  insgesamt 44.156 Straftaten gemeldet. Das sind 4.353 mehr verübte Straftaten als noch 2014 und bedeutet einen Zuwachs von 10,9 Prozent. Im Vergleich zu den anderen Berliner Bezirken liegt Pankow in Bezug auf die Kriminalität trotzdem noch im Mittelfeld.

Die gefährlichsten Gegenden innerhalb des Bezirks sind laut Kriminalitätsatlas die Bezirksregionen Prenzlauer Berg Südwest und Prenzlauer Berg Ost. Das zeigt die Häufigkeitszahl, dich sich aus der Anzahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner ergibt. Am stärksten zugenommen haben Straftaten innerhalb Pankows hingegen am Helmholtzplatz, wo 2015 insgesamt 705 mehr Fälle bekannt wurden als noch im Vorjahr, das bedeutet einen Zuwachs von 29,8 Prozent. Was die Art der Straftaten angeht, zeigt der Kriminalitätsatlas in ganz Berlin einen Rückgang von Gewalttaten. Die Zahl der Diebstähle ist dagegen stark gestiegen. Das gesamte Dokument kann auf der Homepage der Berliner Polizei heruntergeladen werden. (Update: ka)

 

(Quelle: Kriminalitätsatlas Berlin 2015)

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ARTIKEL vom 25.05.2016

Es war ihr 13jähriger Sohn Ben, der als erster die Verwüstung sah. Der Rahmen der alten Flügeltür herausgebrochen, die Holzsplitter über den kompletten Flur verteilt. Ben rief sofort seine Mutter an, die noch im benachbarten Fahrradgeschäft ihr aufgeschlitztes Rad abgab. „Die haben die Tür einfach samt der kompletten Verankerung herausgebrochen“, berichtet Babette Fischer-Dieskau von dem Tag im November des vergangenen Jahres, an dem ihre Wohnung ausgeraubt wurde. „Und das am helllichten Tag.“

Die Wohnung, ein Altbau im Helmholtzkiez, war zwar nicht leer geräumt, aber nahezu alle Wertgegenstände waren verschwunden. „Unser Waschkorb war mitten im Flur, mit dem haben sie wohl die Sachen geschleppt“, fährt die Mutter zweier Söhne fort. „Das Schlimmste für die zwei Kleinen war allerdings, dass sowohl die Kaffeemaschine als auch die Boxen unserer Musikanlage noch in der Wohnung waren.“ Die Jungs denken teilweise bis heute, so ihre Mutter weiter, die Einbrecher hätten die Sachen nur vergessen und würden daher noch einmal zurück kommen. „Bei Ben ist es besonders schwer, er ist immer noch sehr verängstigt, wenn er alleine in der Wohnung ist. Ich kann manchmal nicht einmal zum Briefkasten gehen, ohne dass er sich fürchtet.“

 

Kellereinbrüche steigen um 100 Prozent

 

Wohnungen in Prenzlauer Berg sind bei Einbrechern schon länger ein beliebtes Pflaster. Viele Altbau-Wohnungen, in denen oft wertvolle Gegenstände zu finden sind. Im Schnitt wird jeden Tag in knapp 1,5 Wohnungen in Prenzlauer Berg eingebrochen, 2015 waren insgesamt 518 „Wohnräume“, wie es im Beamtendeutsch heißt, betroffen. Im Vergleich zum Vorjahr zwar ein Rückgang von 73 Fällen – blickt man jedoch auf die vergangenen fünf Jahre, pendelt die Zahl dieser Einbrüche konstant zwischen 450 und 600.

Extrem gestiegen sind hingegen Kellereinbrüche. 2015 verzeichnete die Polizei 3930 Fälle in Prenzlauer Berg. Zum Vergleich: 2014 waren es noch 2056, 2013 gar nur 1192. Das bedeutet einen Anstieg von knapp 100 Prozent, allein in einem Jahr. Die Polizei erklärt sich den rasanten Anstieg damit, dass es die Einbrecher vergleichsweise einfach haben, in die Keller einzubrechen. „Vor allem in die von Altbauten wie im Winsviertel, um den Wasserturm oder im Bötzowviertel“, wie der zuständige Kommissar in Prenzlauer Berg Dirk Mönchmeier der Berliner Zeitung sagt. Einige Häuser seien zwar oben schick saniert, aber in den Kellern sehe es noch aus wie vor 100 Jahren.

 

Dreimal so viele Taschendiebstähle wie 2010

 

Irene und Wolfgang, die ihre wahren Namen nicht veröffentlicht sehen wollen, sind ziemlich angefressen. Auf Taschendiebe angesprochen, ledert das Händler-Pärchen vom Mauerpark-Flohmarkt los: „In den vergangenen Monaten und Jahren ist es hier immer schlimmer geworden“, sagt Wolfgang. „Falsche Fünfzig-Euro-Scheine haben sie uns angedreht, den Rucksack haben sie uns unter dem Tresen weggeklaut, dem Nachbar wollten sie den Geldbeutel nehmen – alles in den letzten vier Wochen!“ Irene fügt an: „Mit dem Wechselgeld haben sie uns auch schon betrogen. Die machen das so gut, das bekommst du gar nicht mit. Am Schluss fehlen dir halt dann zwanzig Euro.“

Die Zahl der Taschendiebstähle in Prenzlauer Berg ist in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen. 2010 waren es nach Angaben der Polizei lediglich 330 registrierte Fälle, 2012 schon rund 450 und 2015 verzeichneten die Beamten in Prenzlauer Berg knapp 900 Fälle von Straßenraub. Vor allem die Touristenmagnete wie der Mauerpark-Flohmarkt sorgen dafür, dass Taschendiebe sich in Prenzlauer Berg wohlfühlen. Zwischen den Menschenmengen, die sich an den Ständen vorbeidrängen, lassen sich leicht Wertgegenstände entwenden. „Es strömen so viele Kunden hierher, da lässt sich Taschendiebstahl nicht komplett vermeiden“, meint Rainer Perske, der den Flohmarkt organisiert. „Wir arbeiten zwar eng mit der Polizei zusammen, es gibt hier Zivilstreifen und noch eigens eingestelltes Sicherheitspersonal“, schiebt er nach „aber wir können nicht überall sein. Dafür ist der Markt einfach zu groß.“

 

Am Helmholtzplatz wird jeden Tag ein Rad geklaut

 

Direkt vor dem eigentlichen Flohmarkt, auf dem Bürgersteig, hat sich in den vergangenen Jahren ein eigener Stand etabliert, der Fahrräder unbekannter Herkunft feilbietet. Jeder, der sich länger als zwanzig Sekunden ein Rad ansieht, wird von einem der Verkäufer angesprochen. „Hey, Interesse? Ist gut“, tritt ein rund 50jähriger Mann aus einer Menschenansammlung hervor, die gerade einen selbstgebauten Blech-Roboter begutachtet. „Ich kann dir geben, für dreißig Euro“, spricht der Mann weiter, die Augen hinter einer voll verspiegelten Sonnenbrille und unter einer marineblauen Baseballcap versteckt. „Alle Fahrräder gehören mir, nichts geklaut“, versichert er auf Nachfrage. „Okay, ich mache zwanzig Euro.“

Rainer Paske ist gegen diese Verkäufer machtlos. „Unsere Zuständigkeit endet am Bürgersteig. Links und rechts von unserer Einfahrt könnte ich noch intervenieren, aber die stehen ja nochmal 50 Meter weiter.“ Zu gerne würde er nach eigener Aussage das dubiose Geschäft mit den Rädern eindämmen. „Wir haben jetzt dafür gesorgt, dass auf unserem Gelände kein Fahrrad mehr ohne Herkunftsnachweis verkauft werden darf.“ Mehr könne er aber leider nicht tun.

Der Mauerpark gilt als einer der Hotspots, an dem geklaute Fahrräder weiterverkauft werden. Der Tagesspiegel schreibt gar schon von einem zynischen Kreislauf: Man kaufe ein billiges, gebrauchtes Fahrrad, fahre es eine Weile und ist es nach ein paar Wochen wieder los.

Die Zahlen belegen zumindest einen steten Anstieg bei Fahrraddiebstählen. Lag die Zahl dieser Delikte 2010 in ganz Berlin noch bei knapp unter 20.000 und 2013 bei rund 26.500, ist sie inzwischen auf über 32.000 angestiegen. Ganz vorne mit dabei: Prenzlauer Berg. Allein rund um den Helmholtzplatz wurden 2014 315 Fahrräder geklaut – fast jeden Tag eins.

 

Greifswalder Straße bei Autodieben besonders beliebt

 

Ähnlich beliebt ist Prenzlauer Berg auch bei Autodieben. Gemessen an den Autozulassungen werden der Süden des Bezirks, also in den Vierteln an der Greifswalder Straße, sogar die meisten Autos gestohlen. Auf knapp 9000 Kfz-Zulassungen kamen von Juni 2014 bis Mai 2015 108 Diebstähle. Zum Vergleich: Tempelhof hat in absoluten Zahlen mit 126 die meisten Autodiebstähle zu verzeichnen – bei insgesamt knapp 35.000 Kfz-Zulassungen.
Für die Familie von Babette Fischer-Dieskau, in deren Wohnung am Helmholtzplatz eingebrochen wurde, könnte sich nächsten Monat nun alles zum Besseren wenden. Sie ziehen nach Weissensee um, zwar nicht wegen des Einbruchs, sondern aufgrund einer Mietsteigerung in ihrer bisherigen Wohnung von über 60 Prozent. „Aber“, sagt sie „vielleicht hilft der Umzug in eine neue Umgebung unseren Kindern auch, die Angst zu verlieren.“

 

Im Schwerpunkt Kriminalität geht es in dieser Woche darum, wie gefährlich Prenzlauer Berg ist.

Wie sich die Kriminalität in unserem Stadtteil in den letzten Jahren entwickelt hat, zeigen unsere Infografiken.

Wie man sich am besten gegen Taschendiebstahl, Fahrraddiebstahl und Wohnungseinbrüche schützt, könnt Ihr hier nachlesen.

 

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