Allzeit b(e)reit?

von Susanne Grautmann 20. Juni 2016

Es ist die größte Angst vieler Eltern: Dass sie ihr Kind an die Drogen verlieren könnten. Und wie ist die Lage hier in Prenzlauer Berg?

Eins steht schon mal fest: Die Versorgung steht. „Die Jugendlichen sagen, wenn sie etwas kaufen wollen, bekommen sie es überall“, erzählt Anne Honeck, Streetworkerin in Prenzlauer Berg. Sie arbeitet für Gangway, einen Berliner Verein für Straßensozialarbeit, der vom Senat und den Bezirksämtern unterstützt wird.In Prenzlauer Berg ist besonders der Mauerpark dafür bekannt, dass dort gedealt wird. Aber auch in anderen „parkähnlichen Grünanlagen“ komme es zu „Handelstätigkeiten“, heißt es im Jargon der Polizei. 

Die Dealer sprechen potenzielle Kundschaft offen an und machen auch vor Jugendlichen nicht halt. „Ich wurde auf dem Helmi abends schon häufiger angequatscht, ob ich etwas kaufen möchte“, erzählt die 16-jährige Sophie* aus Prenzlauer Berg. Meistens werde ihr und ihren Freundinnen dort Gras angeboten, einmal sei es aber auch Heroin gewesen. „Ich kann nicht ausschließen, dass die Männer uns nur einen Schrecken einjagen wollten“, sagt sie. Es habe aber nicht so auf sie gewirkt, denn die Männer hätten ihre Antwort sehr genau abgewartet. Der Helmi sei generell dafür bekannt, dass man dort jederzeit Gras bekomme, und sie kenne auch Leute von ihrer Schule, die sich dort mit „ihren“ Dealern träfen. 

 

 „Kiffen ist wie Cola trinken“

 

Die Polizei stellt in Prenzlauer Berg überwiegend den Verkauf von Cannabisprodukten an Jugendliche fest. Auch die Streetworker sagen, dass die Jugendlichen hier hauptsächlich Cannabis konsumierten, härtere Drogen spielten bei den Teens in Prenzlauer Berg kaum eine Rolle. Dörthe Exner, die ebenfalls für Gangway in Prenzlauer Berg unterwegs ist, schildert ihren Eindruck, dass die Zahl der Jugendlichen, die kiffen, hier in den letzten zehn Jahren gestiegen ist, während der Alkoholkonsum eher zurückgegangen sei. 

„Kiffen ist wie Schokolade essen oder Cola trinken für die Teens“, meint auch ein Jugendsozialarbeiter aus Prenzlauer Berg. Weil viele Jugendliche in Prenzlauer Berg finanziell ziemlich gut ausgestattet sind, können sie auch in dieser Hinsicht relativ problemlos an Drogen gelangen.  

 

Die Experimentierfreude im Umgang mit Drogen hat sich erhöht 

 

Konkrete Zahlen zum Drogenkonsum der Jugendlichen hier lassen sich nicht in Erfahrung bringen. Aus der Senatsgesundheitsverwaltung heißt es: „Wir verfügen nur über die Zahlen für Berlin insgesamt, nicht jedoch über bezirksgenaue Daten zum Drogenproblem.“ Das Bezirksamt weiß auch nicht mehr: „Es gibt keine statistischen Erhebungen bzw. validen und relevanten Untersuchungen zu Ihren Fragestellungen im Prenzlauer Berg.“

Die Streetworker von Gangway beobachten, dass die Experimentierfreude der Teens in Bezug auf Drogen in den letzten Jahren größer geworden ist. Besorgniserregend finden sie, dass immer mehr sogenannte „legal highs“ einfach über das Internet bestellt werden können. Dabei handelt es sich um Badesalze oder Räuchermischungen, die berauschend wirken. Das Problem: Keiner weiß genau, welche Inhaltsstoffe darin stecken, Nebenwirkungen und Dosierung sind genauso unbekannt. Weil sich die Zusammensetzung der „legal highs“ ständig ändert, kommt die Suchtmittelstelle mit der Erfassung nicht mehr hinterher. 

 

 Die Streetworker setzen auf „Rausch- und Riskokompetenz“

 

Die Streetworker setzen bei ihrer Arbeit deswegen vor allem auf Aufklärung. Sie wollen den Jugendlichen eine „Rausch- und Risikokompetenz“ vermitteln. Dabei geht es ihnen nicht darum, den Zeigefinger zu erheben, sie predigen auch nicht die Abstinenz. In ihrer Arbeit akzeptieren sie, dass Jugendliche Rauschzustände erleben wollen. Sie klären aber über verschiedene Substanzen und rechtliche Aspekte auf. Dafür fahren sie durch den Kiez und suchen das Gespräch mit Teens, die sich nachmittags oder abends auf den Plätzen in Prenzlauer Berg aufhalten. 

Die Jugendlichen begegneten ihnen dabei mit einer großen Offenheit, sagt Exner. „Wir spüren, dass sie das Bedürfnis haben, mit einem Erwachsenen über das Thema Drogen zu sprechen, aber die Eltern sind dafür in der Regel nicht die ersten Ansprechpartner“. In den Gesprächen hat Exner den Eindruck gewommen, dass der Druck, den die Teens in der Schule oder mit Blick auf ihre Zukunft empfinden, auch eine Rolle für ihren Drogenkonsum spielt. 

 

Ein Schüler aus Prenzlauer Berg schildert seine Erfahrungen gegenüber den PBN: 

„Ich habe mit 14 zum ersten Mal an einem Joint gezogen. Ich kann nicht sagen, dass ich stolz darauf bin, aber so war es. Ich habe mit vielen Leuten zu tun, die kiffen, und irgendwann habe ich es dann auch ausprobiert. Am Anfang fand ich es ziemlich gut und habe dann öfter gekifft. 

Das hat sich allerdings an einem Sommerabend vor einem Jahr schlagartig geändert. Ich war mit Freunden im Mauerpark und wir haben Marihuana geraucht. Vielleicht hatten wir da schlechtes Zeug, ich weiß es nicht. Jedenfalls wurde mir auf einmal ganz übel und alles wurde total komisch. Ich wusste überhaupt nicht mehr, ob das, was ich erlebe, real ist, oder ob ich das geträumt habe. Das hat mir einen ziemlichen Schreck eingejagt. Seitdem habe ich nie wieder gekifft.

Andere Drogen spielen bei mir keine Rolle. Das gilt eigentlich auch für meine Freunde. Mir fällt aber auf, dass viele neugierig auf die Wirkung von Kokain sind. Sie sagen, dass sie gerne irgendwann mal koksen würden. Das hängt bestimmt auch damit zusammen, dass Kokain in so vielen Filmen und Büchern eine Rolle spielt.“   

 

Der Konsum von Cannabis bleibt illegal 

 

Solange Teenager sozial gut eingebunden seien, Freunde und eine Familie hätten, in der sie sich aufgehoben fühlen, hätten sie ihren Konsum in aller Regel noch recht gut im Griff, meint die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Pia-Katja Süßenguth, die ihre Praxis in Prenzlauer Berg hat. „Es ist Teil einer normalen Entwicklung der Heranwachsenden, dass sie Dinge ausprobieren wollen, die zuvor der Erwachsenenwelt vorbehalten waren.“ Riskante Verhaltensweisen übten in der Jugendzeit einen besonderen Reiz aus, und gleichzeitig sei die Sehnsucht nach intensiv erlebten Gefühlen in dieser Lebensphase verstärkt. 

Was vielen allerdings nicht klar ist: Wer Cannabis besitzt, verstößt in Deutschland nach wie vor gegen das Gesetz. Auch wenn ein Jugendlicher mit Hasch erwischt wird, fertigt die Polizei laut Polizeisprecher Martin Dams eine Strafanzeige wegen „Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz“. Sind die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen, wird der Fall zur weiteren Entscheidung an die Staats- bzw. Amtsanwaltschaft übergeben. Das Verfahren kann im weiteren Verlauf eingestellt werden, aber zur Anzeige kommt es in jedem Fall. 

 * Name geändert

 

Sucht- und Drogenberatung Prenzlauer Berg, Buchholzer Str. 8, 10437 Berlin. Telefon: (030) 447 11 10. 

 

Unser Thema der Woche:  

In unserem Podcast erzählen Johanna, 18, und Julian, 15, wie es sich als Teenager lebt in Prenzlauer Berg, womit sie ihre Zeit verbringen und wie sie am liebsten feiern. 

Tanzschule, Chor und Schlagzeugunterricht sind nicht für alle Jugendlichen hier eine Option für die Freizeitgestaltung. Manche verbringen auch 363 Tage im Jahr in einem kommunalen Jugendclub.  

 

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