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Warum Prenzlauer Berg eine andere Bodenpolitik braucht

von Kristina Auer 12. Januar 2018

Bodenpolitik zum Wohle aller? Klingt in Prenzlauer Berg ziemlich utopisch. Dass es möglich wäre, weiß Professor Arno Bunzel vom Deutschen Institut für Urbanistik.


Für eine nachhaltige und sozial gerechte Stadtentwicklung brauchen wir eine andere Bodenpolitik, lautet die Kernteste der bodenpolitischen Agenda für die Jahre 2020-2030, die das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) gemeinsam mit dem Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung im Oktober veröffentlicht hat. Die Experten zählen neun Kernforderungen für eine zukunftsweisende Stadtentwicklungspolitik auf. Wir haben mit dem stellvertretenden Leiter des difu und Mitautor der bodenpolitischen Agenda darüber gesprochen, wie eine gute Bodenpolitik für Prenzlauer Berg aussehen könnte:

 

Herr Professor Bunzel, Sie schreiben in der bodenpolitischen Agenda, wir müssten uns heute mehr denn je der Bodenfrage stellen. Was ist diese Bodenfrage?

Die Bodenfrage ist die Frage, wer den Boden zu welchen Bedingungen nutzen darf. Boden ist letztendlich die Basis für jedes Leben, in der Stadt genauso wie auf dem Land, denn das Leben spielt sich auf ihm ab. Ein wichtiger Aspekt ist, dass wir mit dem Boden, den wir haben, richtig umgehen müssen – Boden ist ein Gut, das man nicht vermehren kann.

 

Und wer nutzt den Boden zu welchen Bedingungen? 

Das Besondere an der aktuellen Situation ist, dass internationales Kapital verstärkt in Immobilien angelegt wird, weil es derzeit wenig andere gewinnversprechende Optionen gibt. Dahinter steckt die spekulative Erwartung hoher Renditen aus dem Wertzuwachs der Immobilien. Zusätzlich verschärft wird die Situation, weil Berlin bekanntlich seit Anfang der 90er Jahre in großem Maße Flächen verkauft hat. So hat die öffentliche Hand Steuerungskraft eingebüßt, was ja auch kein Wunder ist: Wenn man den Boden verkauft hat, kann man ihn nicht mehr als Eigentümer nutzen. Wenn man dann trotzdem noch Einfluss darauf nehmen will, wie er genutzt wird, wird es kompliziert, rechtlich aufwendig und teuer.

Arno Bunzel Bodenpolitik Berlin

Prof. Dr. Arno Bunzel ist stellvertretender Leiter am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) Foto© David Ausserhofer

Den Investoren kann man daraus im übrigen keinen Vorwurf machen. In einer Marktwirtschaft hat jeder Marktteilnehmer Regeln zu beachten. Wenn er die beachtet, kann man es ihm nicht verübeln wenn er versucht, eine Rendite zu erzielen und nichts freiwillig abgibt.

Jetzt hat man also erkannt, dass der Verkauf so vieler Flächen falsch war. Was nun?

Es geht jetzt darum, eine Kehrtwende hinzukriegen. Ein sinnvoller Ansatz ist z.B., Grundstücke nicht zu verkaufen, sondern stattdessen Erbbaurechte zu vergeben. Das ist eine Form der Langzeitverpachtung und hat zwei Vorteile: Erstens bekommt man kontinuierliche statt einmalige Einnahmen und zweitens gibt man das Eigentum nicht aus der Hand. Nach Erlöschen des Erbbaurechts – bei Wohnungsnutzung sind es in der Regel 99, bei Gewerbe 30 Jahre – kann dann wieder neu über die Nutzung bestimmt werden.

Berlin muss aber auch wieder Flächen ankaufen. Wie schon gesagt ist der Boden, wir nennen das Liegenschaftspotential, begrenzt. Wenn zu wenige Flächen in öffentlicher Hand sind, kommt man in Zwangslagen, die Stadtentwicklung behindern. Und man kommt in eine Situation, in der man letztlich jeden Preis zahlen muss.

 

Und wie soll der Rückkauf von Boden bezahlt werden?

Die Einrichtung von Sondervermögen und Bodenfonds können hier ein guter Ansatz sein. Die Kommunen müssen finanziell und personell in die Lage versetzt werden, handlungsfähig zu sein. Besonders was das Personelle angeht, gilt das auch für Bezirke wie Pankow. Vor allem ist hier aber der Senat gefordert. In Berlin gibt es dafür das Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (kurz SIWANA, Anm.), dass nun auch für den Ankauf von Grundstücken genutzt werden kann.

 

Bei der Flächenvergabe geht es jetzt um ganz konkrete politische Praxis. Sie treten aber auch für Gesetzesänderungen ein. Was muss hier noch passieren?

Wir schlagen zum Beispiel vor, das Vorkaufsrecht auszuweiten. Preislimitierung ist hier ein wichtiges Stichwort. Aktuell haben wir ja oft das Problem, dass Grundstücke zu teuer sind und der Bezirk dann nicht genug Geld hat. Es gäbe aber die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht zum Verkehrswert auszuüben, wenn der Kaufpreis deutlich zu hoch ist. Der Verkehrswert orientiert sich an früheren Verkaufswerten und nicht an spekulativen Zukunftserwartungen. Man könnte also beispielsweise einführen, dass ein Bezirk in einem bestimmten Umkreis bei Verkäufen generell das Vorkaufsrecht zum Verkehrswert ausüben kann.

Eine andere Möglichkeit wäre, das Planungsrecht praktikabler zu machen. Es wäre ein Modell denkbar, mit dem Kommunen mit geringem Aufwand Satzungen erlassen können, die die Art der Bebauung oder beispielsweise einen Anteil an Sozialwohnungen festlegen können. Momentan geht das nur mittels eines städtebaulichen Vertrags in Gebieten, wo Bebauungspläne erforderlich sind.

Vereinfachung von Verwaltungsabläufen ist sowieso ein großes Thema. Es gibt den Vorschlag der Innenentwicklungsmaßnahme, dafür bräuchte es ebenfalls eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dieses Instrument zielt darauf, Eigentümerinnen und Eigentümer dazu zu bewegen, ihre Grundstücke zu bebauen oder an Bauwillige zu veräußern. Auch hier wäre es möglich, bestimmte Regeln für alle Grundstücke innerhalb eines bestimmten Umkreises festzulegen, anstatt jedes Grundstück einzeln zu behandeln. Bei fehlender Bereitschaft zur Mitwirkung droht die Enteignung. Das ist natürlich ein heftiges Instrument, weil es sehr stark in die Rechte von Grundstückseigentümern eingreift. In meiner Einschätzung könnte eine solche Maßnahme helfen, sie wäre aber auf eine selbstbewusste Kommunalpolitik angewiesen, die sich auch traut, sie anzuwenden.

Schließlich ist auch über die Besteuerung von Grund und Boden zu reden. Derzeit werden bebaute Grundstücke deutlich höher besteuert als unbebaute. Darin liegt ein Fehler, weil ein Anreiz geschaffen wird, Grundstücke nicht zu bebauen. Bebaute Grundstücke erfüllen aber ihren Zweck, unbebaute liegen brach. Eine Umstellung auf die Besteuerung des reinen Bodenwerts wäre ein deutlicher Schritt nach vorne. Das Thema ist insofern auch aktuell, als die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig ist und reformiert werden muss, was der Gesetzgeber innerhalb der auferlegten Frist nicht geschafft hat. Am 16. Januar entscheidet das Bundesverfassungsgericht, wie es weiter geht. Und dann gibt es noch einen letzten Aspekt: Wir könnten die Grunderwerbssteuer senken, das macht das Bauen an sich billiger. Die Kommunen sollte meiner Ansicht ganz von der Grunderwerbssteuer befreit werden.

 

Das sind eine ganze Menge Vorschläge. Kritiker behaupten ja, mehr Regulierung durch die öffentliche Hand könnte Bauwillige vergraulen. Ohne private Investitionen wird die Wohnungsnot aber nicht zu lösen sein. Wie bewerten Sie diesen Einwand?

Das halte ich für ein pauschales Totschlag-Argument. Es wird immer wieder vorgebracht, trägt aber in der Realität nicht. Wenn man genau hinschaut, erkennt die öffentliche Hand fast immer das Interesse privater Investoren und sucht gerechte Lösungen. Insofern halte ich das für ein politisches Argument.

 

Wenn Ihre Forderungen umgesetzt werden, kommen sie für Prenzlauer Berg dann trotzdem zu spät?

Eine Umkehr der Entwicklungen halte ich zwar für unwahrscheinlich. Man kann die Situation aber stabilisieren und negative Entwicklung anhalten oder zumindest verlangsamen. Aber das setzt großes Engagement und Entschlossenheit der öffentlichen Hand voraus. Insofern würde ich nicht sagen, dass es zu spät ist. Das Vorkaufsrecht ist in Prenzlauer Berg sicherlich ein wichtiges Instrument.

In Prenzlauer Berg haben wir nicht so sehr das Problem, Flächen einem sinnvollen Nutzen zuzuführen, sondern ein Preisproblem; auch, wenn wir von Verhältnissen wie in Paris oder London glücklicherweise noch meilenweit entfernt sind. Die Frage ist, wie man das Preisproblem in den Griff bekommt. Und die Antwort lautet auch hier: Wir brauchen eine Ankaufpolitik. Es geht dabei übrigens nicht nur um Wohnraum.  Kleingewerbe und Kultureinrichtungen, die soziale Infrastruktur, all das lässt sich nur retten, wenn die öffentliche Hand ins Eigentum geht und solche Räume dann auch zu günstigeren Preisen zur Verfügung stellt.

 

In den letzten Tagen gab es mehrere gute Nachrichten. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hat gerade bekräftigt, das erwähnte Sondervermögen SIWANA jetzt verstärkt für Haus- und Grundstückskäufe ausgeben zu wollen. Der Bezirk Pankow hat Anfang des Jahres zum ersten Mal sein Vorkaufsrecht in Anspruch genommen und das Haus in der Belforter Sraße 16 gekauft. Wird jetzt endlich alles gut? Wo stehen wir auf dem Weg zu einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik?

Da schwanke ich ein bisschen hin und her. Wir haben unser Papier ja bewusst vor Beginn der regierungsbildenden Gespräche veröffentlicht in der Hoffnung, dass sie Einfluss auf eine Koalitionsvereinbarung nehmen könnten. In der aktuellen bundespolitischen Situation ist da natürlich etwas die Luft raus. Trotzdem glaube ich, der Problemdruck ist so groß, dass große Akzeptanz besteht, sich auf allen Ebenen mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Die Nachrichten der letzten Tage haben mich in der Klarheit auch überrascht. Trotzdem würde ich sagen: Die derzeitige Situation ist ambivalent.

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1 Kommentar

Ulf Maaßen 12. Januar 2018 at 11:25

Öffentliche Wohnungsbaubestände verkaufen, wenn die Immo-Preise niedrig sind und später das kommunale Vorkaufsrecht in den Hochpreisphasen wahrnehmen? Ökonomisch sinnvolle Politik sieht anders aus.
Letztlich ist es irrelevant, wer die Wohnungen besitzt, sofern die Wohnungen nicht leer stehen (wobei das Wohnen in den kommunalen Beständen eher unbeliebt ist). Entscheidend ist die Korrelation zwischen Bevölkerungsentwicklung und Wohnflächenangebot. Die Bevölkerung Berlins ist seit 1991 um unwesentliche 100.000 Menschen angestiegen. Aufgrund der Neubau- und Sanierungstätigkeiten ist die Wohnfläche/Berliner im selben Zeitraum von ca. 35qm auf 41qm angestiegen (Quelle: Statistisches Landesamt). „Wohnungsnot“ sieht anders aus. Bei den steigenden Mieten bei Neuvermietung insbes. in nachgefragten Kiezen (wo wir ja alle wohnen wollen) handelt es sich um ein Wohlstandsproblem: Immer mehr Berliner Bürger wollen und können sich mehr Wohnfläche – zumindest zur Miete – leisten. Das Nachsehen haben die Schwächeren: Diese müssen enger zusammen ziehen und/oder werden in die weniger attraktiven Kieze verdrängt.
Die Berliner Parteien wetteifern darin, welche die tollste „Mieter-Retterin“ ist: Die o.g. „Wahrnehmung des kommunalen Vorkaufsrecht“ wäre eine besonders teure und ineffiziente Maßnahme unter den vielen populistischen Augenwischerei-Idee, die die Berliner Politik in den letzten Jahren erfunden hat, um von ihrer mangelnden Courage abzulenken. Die einzige sinnvolle und ökonomisch nachhaltige Lösung im Sinne der Wohnungssuchenden ist die großflächige Ausweisung von Bauland, möglichst in nachgefragten Lagen. Davon gäbe es in Berlin genug. An die riesigen Kleingartenanlagen teilweise in besten, mit dem ÖPNV angebundenen Lagen traut sich in Berlin – im Gegensatz zu allen anderen deutschen Großstädten – kein hiesiger Politiker ran. Kleingartenanlagen sind Zwischennutzungen! Sie sind bei höhenwertigen Nutzungen kündbar! Das sehen die Regelungen im Bundeskleingartengesetzes und die Pachtverträge genau so vor. Dass wir mehrheitlich mit unsere Abstimmungsverhalten die Randbebauung ehemaliger Flughäfen verhinderten, trug auch nicht zur Entspannung des Wohnungsmarktes bei.
Es spricht übrigens auch nix dagegen, in möglichen Neubauquartieren im größeren Umfang sog. „Luxuswohnungen“ zu bauen (im Berliner Sprachgebrauch werden so Neubauwohnungen mit Gäste-WC, einem tiefen Balkon und einer Fußbodenheizung geschmäht). Denn bei 85% Mietwohnungen in Berlin ist die Nachfrage nach halbwegs vernünftigen Eigentumswohnung riesig. Tausende Berliner Familien suchen verzweifelt nach Eigentumswohnungen als zukünftigen Lebensmittelpunkt. Die Preise für attraktive Eigentumswohnungen sind in den letzten Jahren um ca. 150 % gestiegen (Die Neuvermietungs-Mieten um ca. 10%). Es gibt keine Kaufangebote zu halbwegs vernünftigen Preisen. Die Bedürfnisse, dieser für die Stadt so wichtigen Menschen nach Wohneigentum werden von der Berliner Politik ignoriert. Denn das sind ja „Gentrifizierer“ und somit „böse“ – wenngleich meist hart arbeitend. Diese Familien sind dazu verurteilt, entweder ihr Leben lang Mieter – und damit wirtschaftlich abhängig – zu bleiben, ins Einfamilienhaus im Umland abzuwandern oder sich für ihr ganzes Leben unverhältnismäßig hoch zu verschulden.
Das ist das eigentliche Drama auf dem Berliner Immobilienmarkt!

Eine vernünftige Bodenpolitik für eine schöne Stadtentwicklung in Berlin, für die es aufgrund der Nachfrage Handlungsspielraum gibt, würde bedeuten:
– Ausweisung von Bauland auch gegen Widerstände – möglichst innenstadtnah und gut angebunden
– Städtebauliche Wettbewerbe und Aufstellung von Bebauungsplänen, die eine schöne, kleinteilige und lebendige Stadtstruktur gewährleisten z.B. mit Festlegung von Gewerbeeinheiten und sozialen Einrichtungen im EG und dem Zwang zu grundstücksübergreifenden Tiefgaragen. Andere Städte können das!
– Bau der notwendigen Erschließungsstraßen durch die Kommune
– Parzellierter Verkauf von 15 bis 30 m breiten Baugrundstücken an Bauträger, Genossenschaften, Baugemeinschaften, privaten Bauherren – gerne auch zum effizienten und „sauberen“ (daher in Berlin ungeliebten) Höchstgebotsverfahren. Einzelne Parzellen werden dann von den Kommunalen Wohnungsbaugesellschaften mit Sozialen Wohnungsbau bebaut.
Dafür braucht es in Berlin Mut!

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