10 Jahre PBN

Im politischen Wohnzimmer

von Redaktion 13. April 2021

Die einen schreiben am liebsten über Menschen aus dem Kiez, die anderen haben ein Herz für Lokalpolitik: Heute erzählen Anja Mia Neumann und Peter Schulz von ihren Recherchen für die Prenzlette.


Hinter den Kulissen, hinter denen ich sitze, sind meistens fremde Wohnzimmer oder fremde Küchen. Sie sind nicht öffentlich, durch Fenster und Wohnungstüren und Gardinen oder Vorhänge verdeckt. Im Verborgenen sitze ich, bin still und lasse mir von einem Leben erzählen, vom Scheitern und vom Glück, von Kindern und der Liebe, von Tod und Krankheit, von Arbeit und dem Alltag – Leben, dass für andere vielleicht traurig oder gewöhnlich oder nicht nachahmenswert ist, nicht als Vorbild dient, möglicherweise aber auch erheiternd, interessant, spannend scheint. Am Ende will ich vermutlich nicht, dass ein Leben und ein Alltag sang- und klanglos untergeht.

Ich will nicht, dass das Leben von S. ohne Beachtung einfach an uns vorbeizieht. Ich hatte S. bei der Tafel kennengelernt, ein paar Tage später saß ich in ihrem Wohnzimmer neben Hund und Katze, Kaffee und Kuchen. Sie hatte es nie wirklich leicht gehabt, wenig Geld, aber eine unbeirrbare Würde. Der Hund und die Katze waren ihr Ein und Alles, die beiden gaben ihr Struktur und viele Gründe, einfach weiterzumachen. Ich will nicht, dass das Leben von H., das ganz anders ist als das von S., ohne Beachtung an uns vorbeizieht. H.s Leben war vermeintlich gewöhnlich – Beruf, Kinder, Ehemann, Alltag –, aber als ich sie traf, mit fast 80 Jahren, hatte sie eine Offenheit, eine Freude, eine Neugier, eine Unternehmungslust, trotz aller Widrigkeiten im Leben, das auch von Tod und Unglück handelte.

Ich suche nicht nach möglichst viel Dramatik und Aufsehen. Ich suche nicht nach persönlicher Übereinstimmung oder einheitlichem Meinungsaustausch. Die Schriftstellerin Maxie Wander hat einmal geschrieben: „Ich halte jedes Leben für hinreichend interessant, um anderen mitgeteilt zu werden.“ An diesen Satz denke ich oft bei meiner Arbeit. Ich lerne dabei: Die Welt ist voller Leben, es gibt dieses und jenes, alle sind einmalig und unwiederholbar. Und gerade deshalb achtenswert. Ich sitze still in fremden Wohnzimmern oder fremden Küchen und höre zu. Innerlich, glaube ich, staune ich wie ein kleines Kind: überall so viel Leben, das aufgeschrieben werden muss. Und beiläufig ploppt immer wieder die Frage auf: Ja, was ist das denn nun, das Leben?

Peter Schulz


Hohe Decken mit Wasserflecken, harte Stühle und Fenster, die sich nicht öffnen lassen. Dazu eine schlechte Mikrofonanlage, die die Menschen am Stehpult manchmal kaum hörbar in den hinteren Reihen verzerrte. Das sind bleibende Erinnerungen an die Arbeit aus der Tagung der Pankower Bezirksversordnetenversammlung für die Prenzlauer Berg Nachrichten. Unzählige um die Ohren geschlagende Abendstunden mit Live-Getwitter – über kleine Diskussionen um Befindlichkeiten der Verordneten oder über große Debatten um Bauprojekte. Immer wieder kommen Prenzlauer Berger in den Zuschauerraum, entweder demonstrieren sie mit selbst gebastelten Schildern für die Kunst im Mauerpark oder sie halten emotionale Reden aus Angst, ihre Wohnung zu verlieren.

Ein besonderes Highlight natürlich die Wahlen zur BVV alle fünf Jahre – zuletzt 2016. Mitfiebern im Saal, wenn die Piraten abgewählt, dafür die AfD reingewählt wird in die Bezirksverordnetenversammlung und danach das Geschacher um den Bürgermeister-Posten und um Zählgemeinschafts-Konstellationen. Letztlich macht der Linke Sören Benn das Rennen – vor der Wahl hatten die PBN auch ihn auf einen selbst gewählten „Ortstermin“ getroffen und nach seinen Ambitionen gefragt, falls er denn Bürgermeister von Pankow werden sollte. Benn entschied sich für den Thälmann-Park. Weil: „Die Auseinandersetzung, die wir um den Ernst-Thälmann-Park führen, steht für mich prototypisch für die Debatten im Bezirk.“ Ob sich daran etwas geändert hat kurz vor der nächsten Runde?

Last, but not least absolut unvergessen aus dem BVV-Saal: Das Ping-Pong-Spiel um den Posten eines Stadtrats für die AfD. Am Ende scheitert ein Kandidat krachend – nicht nur ein Mal – und ein abtrünniger CDU-Politiker bekommt das Amt. Bis dahin vergehen allerdings Monate und das Hin und Her lockt sogar Clowns und Esel auf die Zuschauerränge.

Anja Mia Neumann

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