1 Jahr AfD in der BVV Pankow

von Kristina Auer 25. Oktober 2017

Die AfD ist erstmals im Deutschen Bundestag vertreten. Seit genau einem Jahr sitzt die Partei diese Woche schon in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Eine Bilanz.

Am Anfang war alles noch spektakulär, stellenweise sogar dramatisch. Als die Alternative für Deutschland mit der konstituierenden Sitzung der Pankower Bezirksverordnetenversammlung am 27. Oktober 2016 erstmals in das Bezirksgremium einzog, empfingen Gegendemonstranten die Besucher und Verordneten schon vor dem Eingang zum Bezirksverordnetensaal in der Fröbelstraße mit Bannern und Plakaten. Die konstituierende Sitzung wurde begleitet von teils lautstarken Buh-Rufen aus dem Zuschauerraum.

Bei der BVV-Wahl am 18. September hatte die AfD in Pankow 13,3 Prozent und damit acht Sitze erreicht – sowie den Anspruch auf einen Stadtratsposten. Zur Erinnerung hier nochmal das ganze Wahlergebnis:

Fortan saßen folgende Abgeordnete für die AfD in der Pankower AfD:

  • Stephan Wirtensohn (Fraktionsvorsitzender)
  • Liane Bottin (stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Beisitzerin)
  • Andreas Holder
  • Stefan Kretschmer
  • Dr. Frank Meier
  • Klaus Peterson
  • Thomas Weisbrich
  • Tobias Thieme

 

 

 

Stadtratskandidat Nicolas Seifert und die „Clown-Affäre“

 

Mit der Nominierung von Nicolas Seifert als Stadtratskandidaten begann ein wahres Drama um die junge AfD-Fraktion in der Pankower BVV. Zunächst versäumte es Seifert, sich wie üblich vor der konstituierenden Sitzung den anderen Fraktionen vorzustellen – er war im Urlaub. Was wohl als Anfängerfehler gelten konnte, wurde von den Verordneten der anderen Parteien durch Nicht-Wahl in einem ersten Wahlgang abgestraft.

Bei der nächsten BVV-Sitzung war dann alles anders: Die Prenzlauer Berg Nachrichten hatten erfahren, dass Seifert ein Jahr zuvor bei einer AfD-Demonstration auf einen ZDF-Reporter im Clowns-Kostüm losgegangen war:

So saßen im Dezember dann protestierende Clowns im Zuschauerraum der BVV, das Medieninteresse an unserem Bezirksgremium war selten hoch, sogar das Fernsehen war da. Derweil die einhellige Meinung unter den Bezirksverordneten der anderen Parteien – wer einen Clown angreift, ist als Stadtrat nicht wählbar. Die AfD jedoch hielt an ihrem Kandidaten fest. Mit dem verheerenden Ergebnis, dass Seifert in insgesamt sieben Wahlgängen als Stadtrat für die AfD durchfiel. Nach dem siebten Wahlgang Ende Januar gab Seifert auf und die AfD begann mit der Suche nach einem neuen Kandidaten. Ende März stand fest: Der Ex-CDU-Stadtrat aus Tempelhof-Schöneberg Daniel Krüger sollte es machen. Im insgesamt neunten Wahlgang wurde Krüger auf der Sitzung Anfang April zum Stadtrat gewählt und machte Pankows Bezirksamt als letztes im berlinweiten Vergleich vollständig.

 

Politische Arbeit in der BVV

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Nachdem die Personalien geklärt sind, werfen wir einen Blick auf die politische Arbeit der AfD. Nur sechs Anträge hat die AfD seit März in der Bezirksverordnetenversammlung gestellt. Darin geht es um Themen einen Fahrradweg für die Prenzlauer Promenade, öffentliche Toiletten und Firmentickets für den öffentlichen Nahverkehr. Dem Wahlkampf zur nahenden Bundestagswahl ist wohl zumindest in Teilen der Antrag für die Belange der Bürgerinitiative in der Michelangelostraße Ende Juni geschuldet.

Die Bekämpfung von vermeintlichem Linksextremismus fand Einzug in zwei Anträge – unter anderem wollten die AfD-Verordneten die Förderung linker Jugendeinrichtungen durch das Bezirksamt unterbinden. Bisher wurden alle Anträge von der Bezirksverordnetenversammlung abgelehnt, nur zwei wurden überhaupt zur Besprechung in Ausschüsse verwiesen. Über den aktuellen Antrag zum Moratorium in Sachen öffentliche Toiletten ist noch nicht entschieden worden.

 

Polemischer Tonfall

 

Neben den sechs Anträgen hat die AfD-Fraktion 28 kleine Anfragen an das Bezirksamt gerichtet. Die Themen erstrecken sich von Altkleidercontainern über die bezirkliche Investitionsplanung bis zur Verkehrssituation im Pankower Norden oder den Beziehern des Wohnberechtigungsscheins (WBS). Geflüchtete und Linksextremismus sind Inhalt mehrerer Anfragen.

Einige Anfragen stechen durch einen polemischen Tonfall heraus. So sorgte sich der Fraktionsvorsitzende Stephan Wirtensohn um die geistige Gesundheit von Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) und fragte spöttisch:

Darf der Unterzeichner hoffen, daß beim Bezirksbürgermeister keine »Rechts-Links-Schwäche« vorliegt, welche bekanntlich – neben der Akalkulie [Unfähigkeit im Umgang mit Zahlen] – als häufiges Symptom eines Gerstmann-Syndroms bekannt ist? Darf der Unterzeichner mithin hoffen, daß die Leitung des Bezirksamtes sich weiterhin in »gesunden Händen« befindet?

Aktuell fragt Wirtensohn nach einem nicht näher definierten „Problemfall“ bei der Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter. Der Fraktionsvorsitzende droht darin auch gleich mit einer Pressemitteilung: Die zuständige Stadträtin Rona Tietje (SPD) kehre einen „Vorfall“ unter den Tisch.

 

Ausschluss von Tobias Thieme

Nach dem anfänglichen Stadtrats-Debakel kamen bereits im Mai wieder personelle Probleme innerhalb der AfD-Fraktion auf: Der Verordnete Tobias Thieme wurde aus der Fraktion ausgeschlossen. Laut Fraktionschef Wirtensohn läuft zudem ein Parteiausschlussverfahren. Die Gründe für den Rauswurf seien parteiintern, so die geschlossene Aussage. Thieme begründete sein Ausscheiden mit einem gravierenden Dissens in Sachen Fraktionsarbeit. Er könne die zurückhaltende Rolle der AfD-Fraktion nicht mit seinem Wählerauftrag in Einklang bringen.

Thieme sitzt jetzt als fraktionsloser Bezirksverordneter in der BVV. Gewissermaßen könnte man ihn als Pankows Frauke Petry bezeichnen – mit dem Unterschied, dass Thieme die Fraktion nicht freiwillig verlassen hat. Seit dem Rauswurf ist Thieme jedenfalls durch Anträge und häufige Wortmeldungen in den BVV-Sitzungen aufgefallen. Zuletzt beantragte er die Einbindung Geflüchteter in die Weihnachtsbräuche. So könnten die Menschen mit christlichen Werten vertraut gemacht und vor Vereinsamung geschützt werden. Der Antrag sei unnötig entgegnete die Linke: Ein solches Angebot gebe es bereits, es sei aber für die Teilnehmer freiwillig. Der Antrag wurde ohne Besprechung im Ausschuss in der BVV-Sitzung am vergangenen Mittwoch abgelehnt.

 

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1 Kommentar

Tobias Thieme 26. Oktober 2017 at 16:50

Beglückwünsche Sie zu dem Qualitätssprung von „Mainstream- Journalismus“ zu wirklich , wenn auch nicht umfänglich, bezirksbezogener Real-Kiezpresse.
Wenn noch die Erkenntnis sich Bann bricht, dass selbst bei inhaltlich neutralen, nicht von politischer Indoktrination gezeichneten Anträgen auch ein fraktionsübergreifender Konsens erzeugt werden könnte bei gutem Willen von R2G, würde der Verbesserung der Lebensumstände im Bezirk noch mehr Vor-
und Anschub geleistet. Allerdings kann ich mich Ihrer Analyse und Vergleich als „Pankower Frauke Petry“ nicht anschließen, man flieht nicht bei Problemen der Politikausrichtung aus der Kommunity, sondern versucht innerhalb derer eine Klärung oder Neu-Weichenstellung zu erzielen. Genau in der Phase befinden wir uns. Bis zu einem Ergebnis dessen verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,
Bezirksverordneter Tobias Thieme .

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