Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 3

von Kristina Auer 13. Juli 2017

Die Danziger Straße 55 galt als Hoffnungsträger: Die Deutsche Wohnen wollte das Haus kaufen, der Bezirk sein Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen – zum ersten Mal. Am Ende fehlte: das Geld.

Was passiert:

Seit Anfang des Jahres wissen die Mieter in der Danziger Straße 55, dass die Deutsche Wohnen, eines der größten Wohnungsunternehmen Deutschlands, ihr Haus für 6,2 Millionen Euro kaufen will. Das Haus mit 22 Wohnungen und drei Gewerbeeinheiten ist voll vermietet und steht im Milieuschutzgebiet Helmholtzplatz. Deswegen hat der Bezirk ein Vorkaufsrecht auf das Haus. Soll ein Haus verkauft werden, muss der Käufer beim Bezirk einen Negativbescheid anfordern, also den Verzicht auf das bezirkliche Vorkaufsrecht. Der Bezirk kann diesen Bescheid verweigern und stattdessen versuchen, das Haus selbst zu kaufen. Dafür muss er innerhalb von zwei Monaten ein Konzept für die Finanzierung über Dritte aufgestellt haben. Meist sind diese Dritten landeseigene Wohnungsbaugenossenschaften wie die Gewobag, oder Wohnungsgenossenschaften.

Im Fall der Danziger Straße 55 hat der Bezirk den Negativbescheid zum ersten Mal zunächst nicht ausgestellt. Die Mieter wandten sich sowohl an die Bezirkspolitiker, als auch an Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Infolgedessen gab es Gespräche zwischen den Mietern, Politikvertretern, einer Wohnungsbaugesellschaft und der Genossenschaft Bremer Höhe. Die Mieter wollten rund eine Million eigene Ersparnisse in die Genossenschaft einbringen, diese hätte den Rest aufbringen müssen, um das Wohnhaus zu kaufen.

Der aktuelle Stand:

Seit wenigen Wochen ist klar, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht nicht zugunsten der Genossenschaft Bremer Höhe in Anspruch nehmen wird. Die Deutsche Wohnen hat das Haus also gekauft. Der Grund: Der Kaufpreis ist so hoch, dass sich kein sinnvolles Finanzierungskonzept finden ließ, mit dem die Mieten in dem Haus bezahlbar bleiben könnten. Schuld daran sind offenbar zwei Umstände: Erstens macht der Grundstückspreis laut Mieter Dominikus Murr über die Hälfte des gesamten Kaufpreises aus. Denn diese berechnen sich nach den Bodenpreisen von vergleichbaren Grundstücken der letzten zwei Jahre, es fließen Spekulationen über Wertsteigerung mit ein. Zweitens berücksichtigen die amtlichen Gutachten diesen Bodenwert, sodass der Preis von 6,2 Millionen Euro als angemessen bewertet wird. Infolgedessen können Bezirk und Senatsverwaltung den Verkaufswert nicht drücken, obwohl er für landeseigene Unternehmen oder Genossenschaften unbezahlbar ist.

Das sagen die Mieter:

Dominikus Murr wohnt seit dem Jahr 2000 in dem Haus und betreibt im Erdgeschoss das Geschäft „Immergrün“, einer der ersten Bioläden im Kiez. Um den Laden macht er sich nun die größten Sorgen, denn bei Gewerbemieten gibt es noch viel weniger Mieterschutz als bei Wohnungen. „Es kann sein, dass ich den Laden schließen muss“, sagt Murr.

Um die verbleibende Summe für den Kauf zusammenzutragen, hätte es einen günstigen Kredit gebraucht, beispielsweise von der Investitionsbank Berlin oder eine Stiftung, sagt Murr. Auch der hätte aber das Problem nicht gelöst, dass der Kauf zum Preis von über sechs Millionen nicht wirtschaftlich hätte sein können.

Neben Stadtrat Kuhn und Finanzsenator Kollatz-Ahnen habe die Mietergemeinschaft auch die Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup (SPD) und Andreas Otto (Grüne) angesprochen. „Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik recht stark hinter die Sache geklemmt hat“, sagt Murr. Kuhn sei eben ein etwas vorsichtiger Politiker. Letztendlich hätten aber alle getan, was sie können. „Wir haben aber auch alle mit Nachdruck angesprochen und sozusagen bei der Ehre gepackt“, sagt Murr.

Die Danziger Straße 55 (Mitte) wird von der Deutschen Wohnen gekauft

Das sagt der Stadtrat:

Auch Stadtrat Kuhn sieht das größte Problem für die tatsächliche Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts in den spekulativen Bodenpreisen. „Der Verkaufspreis war einfach zu hoch“, sagt Kuhn. Ein weiteres Problem: „Die Vorgaben für die amtlichen Wertgutachten werden auf Bundesebene beschlossen“. So liege die Anpassung außerhalb des Wirkungsbereichs und schwäche das Instrument des Vorkaufsrechts.

Laut Kuhn hat der Bezirk mit der Deutschen Wohnen eine sogenannte Abwendungserklärung vereinbart. „Von der Deutschen Wohnen kam die Zusage, dass die Mieter dort Wohnrecht behalten werden“, sagt Kuhn. Außerdem habe sie sich verpflichtet, für sieben Jahre keine Aufzüge oder Balkone an dem Haus zu bauen.

Fazit:

Der Verkauf der Danziger Straße 55 zeigt die Probleme des bezirklichen Vorkaufsrechts auf. Wer ein Haus für sechs Millionen Euro kauft, muss Gewinne erzielen, mit denen der Preis wieder erwirtschaftet werden kann. Das lässt sich mit niedrigen Mieten nur schwierig schaffen. Die Bezirkspolitik ist damit im Zwiespalt: Sie hat zwar ein Vorkaufsrecht, kann dieses aber nur schwer wahrnehmen, weil die Preise für landeseigene Gesellschaften oder Wohnungsgenossenschaften oft unbezahlbar sind. Auf der anderen Seite muss der Bezirk die Preise als gerechtfertigt anerkennen, weil spekulative Bodenwerte laut bundesweiter Vorgaben in die amtliche Wertgutachten einfließen. Das recht vielversprechende Instrument des bezirklichen Vorkaufsrechts braucht deshalb allem Anschein nach noch Nachbesserungen, um wirksam werden zu können.

 

Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 1: Immanuelkirchstraße 35

Die Mieter von Prenzlauer Berg – Teil 2: Stargarder Straße 28

Die Mieter von Prenzlauer Berg  – Teil 4: Prenzlauer Allee 45

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Gentrifizierung und Verdrängung sind in Prenzlauer Berg keine neuen Probleme. Trotzdem hat die Politik immer noch kein Mittel gegen sie gefunden. Das zeigen viele Fälle der letzten Monate:  In verschiedenen Häusern in Prenzlauer Berg sind Mieter von Kündigungen und  drastischen Mieterhöhungen bedroht, obwohl sie in Milieuschutzgebieten wohnen. Wir nehmen die konkreten Fälle in unserer Mini-Serie unter die Lupe, zeigen, wo die Probleme liegen und fragen, ob unsere Bezirkspolitiker wirklich nicht mehr für Mieter tun könnten.

 

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