Fang den Hut

von Susanne Grautmann 25. November 2015

Ohne Ehrenamtliche geht es nicht! Wie sehr sich der Bezirk auf die freiwilligen Helfer für Flüchtlinge verlässt, zeigt ein Treffen für die Notunterkunft in der Malmöer Straße. Tenor: „Dann organisiert euch mal.“

Die Integrationsbeauftragte des Bezirksamts Pankow, Katarina Niewiedzial, beendete die Veranstaltung mit dem bemerkenswerten Satz: „Die Freiwilligen können sich gleich nach der Sitzung treffen, um sich zu vernetzen.“

Nach der Sitzung? Die Nachbarn, die genau deswegen gekommen waren, wirkten etwas irritiert. Sie waren wohl davon ausgegangen, dass die Vertreter des Bezirks die groben Linien für die Unterstützung der neuesten Prenzlauer Berger Notunterkunft (NUK) in der Malmöer Straße vorgeben würden. Zumindest aber: Dass sie sich darum kümmern würden, ein Team zu rekrutieren, das zukünftig die Arbeit der Ehrenamtlichen koordiniert.

Schließlich hatte der Bezirk zu einem „Koordinierungs- und Vernetzungstreffen“ eingeladen. 

 

Die Hilfsbereitschaft ist groß 

 

Am Aufgebot hätte es jedenfalls nicht scheitern müssen: Neben der Integrationsbeauftragten waren noch die Flüchtlingskoordinatorin des Bezirksamtes Pankow, Birgit Gust, die Betreiberin der Unterkunft, Bärbel Behnke von der mitHilfe GmbH, und der Leiter der Berliner Unterbringungsleitstelle des Lageso, Michael Küpper, gekommen.

Sie informierten über die Situation in der Notunterkunft, in der aktuell 200 Flüchtlinge leben. Die meisten stammen aus Syrien. Bärbel Behnke, die die Unterkunft leitet, bat alle um ein wenig Geduld. „Wir hatten nur wenige Stunden Vorlauf, um aus einer Turnhalle ein Wohnheim zu machen“, sagte sie. Noch seien viele Bereiche im Aufbau, aber die Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft sei von Anfang an riesengroß gewesen.

 

Wer macht was?

 

Die Heimleitung freue sich über alle Hilfsangebote. „Wir wissen, dass es das Wichtigste ist, dass die Leute nicht nur in der Unterkunft herumsitzen und sich langweilen“, meinte sie.  

Die meisten der rund 50 Teilnehmer der Veranstaltung hatten schon in der Vorstellungsrunde konkret angeboten, wie sie helfen könnten: Sie wollten Deutschkurse erteilen, Begegnungscafés veranstalten, Spielnachmittage für die Kinder ausrichten. Aber um dieses Potenzial sinnvoll zu nutzen, braucht man eine Gruppe von Leuten, bei der die Kommunikationsfäden von Freiwilligen und Betreibern zusammenlaufen

 

Die Offiziellen packen ihre Sachen

 

Weil die Offiziellen die Sitzung beendeten, ohne dass ein Team zur Koordinierung der Unterstützer aufgestellt war, machten sich auch viele der Hilfswilligen wieder auf den Weg. Zurück blieb eine kleine Gruppe von sechs jungen Leuten, alle irgendwo zwischen 25 und 35. Ungefähr die Hälfte von ihnen wohnt in dem Hausprojekt an der Malmöer Straße 29, sie haben die Flüchtlinge von der ersten Nacht an unterstützt. Und weil es kein anderer tut, denken jetzt eben sie über die nächsten Schritte nach.  

Theresa Adam kommt hinzu, um ihre Hilfe beim Aufbau eines Unterstützerteams anzubieten. Sie arbeitet für die „Netzwerkstelle Moskito“, die zum Pfefferwerk gehört. Die Netzwerkstelle hat sich die Koordinierung von Flüchtlingsunterstützergruppen zur Aufgabe gemacht und betreut auch die Website pankow-hilft.de.  

Adam regt an, als Erstes eine eigene Email-Adresse für die Unterstützung der neuen NUK bei pankow-hilft.de einzurichten. Die Frage ist nur: Wer liest, beantwortet und koordiniert dann die Anfragen und Angebote, die dort eingehen? Denn auch das leisten Freiwillige.  

 

„Ich mach das jetzt einfach mal“

 

An diesem Abend meldet sich Thea Schmaida. „Ich mach das jetzt einfach mal“, sagt die 32–jährige Projekt und Website-Managerin, die in der Nachbarschaft wohnt und sich zum ersten Mal längerfristig für Flüchtlinge engagieren will. Damit landen jetzt sämtliche Anfragen zur Unterstützung der Flüchtlinge an der Malmöer Straße in ihrem privatem Postfach.

Es ist schon bizarr: Der Bezirk geht nach Hause und eine Freiwillige Anfang dreißig setzt sich den Hut auf. Findet sie, dass der Bezirk sich zu sehr aus der Verantwortung stiehlt? Schmaida nimmt’s gelassen: „Letztlich kommt es sowieso darauf an, dass man vor Ort ist und die Ohren offen hält“, sagt sie. Was die langfristigen politischen Konzepte für die Unterstützung der Flüchtlinge sein sollen, frage sie sich aber schon.  

 

Wer betreibt die Unterkunft? 

 

An diesem Abend wurde jedenfalls deutlich, wie sich die Verantwortungsbereiche von Staat und Zivilgesellschaft mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen verschoben haben. Die offizielle Seite stellt die Immobilien und kümmert sich um die Betreiber der  Unterkünfte, aber das meiste, was dann kommt, liegt in den Händen der Freiwilligen. Sie stemmen Essensausgabe, Kleiderkammer, Ämtergänge, Übersetzungen, und nicht zuletzt: die Integration der Geflüchteten. 

An der Malmöer Straße kümmert sich jetzt also eine Gruppe von sechs jungen Leuten darum, die Arbeit der Freiwilligen zu koordinieren. Sie teilen  Verantwortungsbereiche untereinander auf, kümmern sich um Ansprechpartner, aktualisieren Bedarfslisten. Einiges an Zeit geht auch dafür drauf, die Kontakte der Menschen in Erfahrung zu bringen, die mit ihren Hilfsangeboten schon beim ersten Treffen vor Ort waren. Ob der Bezirk vielleicht mal das Protokoll mit der Anwesenheitsliste schicken könnte? 

 

Ein neues Treffen am 01.12.15

 

Am 01.12.2015 um 19.30 Uhr gibt es ein weiteres Treffen für alle Hilfswilligen, diesmal lädt das neue Organisationsteam dazu ein. Hier soll es gleich konkret werden: Was wird gebraucht und wer übernimmt wann was? Alle sind herzlich eingeladen, dazu in die Schule an der Driesener Straße 22 zu kommen. 

Bis dahin finden sich aktuelle Infos und Bedarfslisten unter pankow-hilft.de. Wer eine weitergehende Frage hat, kann sich an malmoeer@pankow-hilft.de wenden. Dafür, dass er eine Antwort erhält, wird Thea Schmaida sorgen.  

 

 

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