Du sollst nicht begehren zu viel Mitsprache, Volk

von Juliane Schader 25. Juni 2014

Volksbegehren waren in Berlin zuletzt ziemlich erfolgreich. Eine kleine Änderung im Gesetzestext soll das nun ändern. Direkte Demokratie wäre dann nur noch etwas für Schönschreiber.

Es sind nur acht Worte, die gestrichen werden sollen. Doch ohne sie könnte es in Zukunft deutlich schwieriger werden, in Berlin erfolgreich ein Volksbegehren durchzuführen. Auch andere Formen der direkten Demokratie wie Einwohneranträge und Bürgerbegehren wären betroffen.

 

Was ist unleserlich?

 

„Bei unleserlichen, unvollständigen oder fehlerhaften Eintragungen, die die unterzeichnende Person nicht zweifelsfrei erkennen lassen, gilt die Unterschrift als ungültig“, heißt es bislang sowohl im Berliner Abstimmungs- als auch im Bezirksverwaltungsgesetz. Der Einschub soll nun getilgt werden, was als Gesetzestext „Bei unleserlichen, unvollständigen oder fehlerhaften Eintragungen gilt die Unterschrift als ungültig“ zurückließe – eine Formulierung, die völlig offen lässt, was als unleserlich oder fehlerhaft gilt und es damit leichter macht, eine Unterschrift für ungültig zu erklären. Zudem fiele die aufwendige Prüfung, ob sich der Unterschreibende nicht doch identifizieren lässt, weg, und manche Stimme damit auch.

Dabei kommt es gerade auf deren Anzahl an: Ein Volksbegehren wie zum Beispiel das zur Freihaltung des Tempelhofer Felds ist in Berlin nur erfolgreich, wenn sieben Prozent der Stimmberechtigten, also etwa 175.000 Berliner unterschreiben. Wenn dieses sogenannte Quorum nicht erreicht wird, ist das Begehren gescheitert und es kommt nicht zum Volksentscheid.

Um sich an einer Wahl zu beteiligen, muss man als Wahlberechtigter nur ein Kreuz machen können. Für ein Volksbegehren bräuchte man in Zukunft eine gut leserliche Handschrift. Zumindest, wenn der entsprechende Antrag, der uns vorliegt, durchkommt.

 

Ein „ungewollter normativer Spannungsbogen“

 

Erarbeitet hat ihn das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, das ihn nun den Vorstehern der zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) zur Stellungnahme vorgelegt hat. Begründet wird die Änderung damit, dass die Prüfung von Unterschriften derzeit nicht ganz einheitlich erfolge. Zwar sei es durchaus wünschenswert, dass viele Menschen die Möglichkeiten der Demokratie auch nutzten und etwa an Volksbegehren teilnähmen. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass kein Missbrauch stattfinde, also keine falschen Unterschriften gezählt würden. Beim Volksbegehren zum Tempelhofer Feld war offenbar versucht worden, auch mit Hilfe falscher Angaben das Quorum zu erreichen. Die Textänderung solle helfen, so etwas zu vermeiden. 

(Im Bezirksamts-Deutsch klingt das so: „Somit besteht bis heute ein ungewollter normativer Spannungsbogen zwischen der erwünschten Beschränkung der Ungültigkeit von Eintragungen auf solche unleserlichen, unvollständigen oder fehlerhaften Eintragungen, die die unterzeichnende Person nicht zweifelsfrei erkennen lassen (Stichwort: Hohe Zahl gültiger Beteiligungen als direktdemokratiefreundliche Auslegung), und der hinreichenden Identifizierung der Abstimmungswilligen (Stichwort: Legitimation der Stimmabgabe).“)

 

Kritik von Grünen und Piraten

 

Sabine Röhrbein (SPD), Vorsteherin der Pankower BVV verweist auf Anfrage darauf, dass dieser Antrag bislang nur ein Entwurf sei und als solcher derzeit in den Fraktionen diskutiert werde. „Das ist noch nicht spruchreif meint“, meint sie. Daher mag sie sich dazu nicht weiter äußern.

Cornelius Bechtler, Vorsitzender der Pankower Grünen-Fraktion verweist an Stefan Gelbhaar, der als Pankower für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt und sich dank seines Berufs als Rechtsanwalt mit Gesetzestexten auskennt. „Der Vorschlag überzeugt nicht“, lautet sein eindeutiges Urteil. Dass Unleserlichkeiten oder geringfügige Fehler zur Ungültigkeit der Unterschrift führen könnten, werde der Situation der Unterschriftenabgabe – auf dem Klemmbrett bei Wind und Regen auf der Straße – nicht gerecht. „Zudem erschwert es die direktdemokratischen Beteiligungsformen erheblich und dürfte zu Streit darüber führen, ob eine Namensangabe gerade noch leserlich oder schon unleserlicht ist“, sagt Gelbhaar.

 

„Erschweren von Volksbegehren durch die Hintertür“

 

Klare Worte findet auch Jan Schrecker, Vorsitzender der Pankower Piratenfraktion in der BVV: „Der Senat hat in der Vergangenheit bei Volksbegehren und -entscheiden wie am Tempelhofer Feld nicht gut ausgesehen. Nun versucht er, sie durch die Hintertür zu erschweren. Das geht so nicht.“

Öffentlich diskutiert werden soll die Änderung nicht. Über den Rat der Vorsteher geht der Antrag direkt an den Rat der Bezirksbürgermeister. Ursprünglich sollte sich dieser an diesem Donnerstag mit dem Thema befassen. Da die interne Diskussion aber noch nicht abgeschlossen sei, werde das vertagt, so Vorsteherin Röhrbein.

 

 

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