Miet-High

von Thomas Trappe 4. Februar 2015

Wohneigentum steht in großen Teilen Prenzlauer Bergs bald auf dem Index, der Senat will es so. Doch viele Fragen sind noch offen, zum Beispiel die der Umsetzbarkeit. Und Kritiker fürchten, dass nun die Mittelschicht vertrieben wird.

Liste von Dingen, die Immobilienbesitzer in großen Teilen Prenzlauer Bergs nicht dürfen: Ihre Wohnung als Ferienwohnung vermieten. Einen Kamin einbauen. Einen zweiten Balkon anbauen. Die Geschichte der städtebaulichen Regulierung im Bezirk Pankow und im Speziellen seines südlichsten Ortsteils ist in den vergangenen Jahren eine Genese von Verbotsverordnungen. Sozialstruktur soll damit erhalten werden, der Verknappung von Wohnraum entgegengewirkt. Zweckentfremdungsverbot und Luxusverbot, das sind bisher die Präambeln der Prenzlauer Berger Hausordnung. Und bald kommt eine weitere hinzu, es wird wohl die gravierendste sein. Das „Umwandlungsverbot“, das gerade von der schwarz-roten Koalition geplant wird, soll in den sozialen Erhaltungsgebieten unter Genehmigungsvorbehalt stellen, Wohnungen, die bisher vermietet sind, zu verkaufen. Sieben Gebiete mit einer solchen Erhaltungssatzung gibt es in Prenzlauer Berg, damit befindet sich jede dritte Berliner Umwandlungsverbotszone hier. Man könnte auch sagen: Das Verbot wurde für Prenzlauer Berg gestrickt. Doch was bewirkt es? Und was nicht?

Jens-Holger Kirchner (Grüne) ist Stadtrat für Stadtentwicklung und kein Verbotsskeptiker. Das Luxusverbot ist sein Werk, und für die Umwandlungsverordnung trommelt er auch schon lange. Dass CDU und SPD sich im Land nun darauf geeinigt haben, begrüßt Kirchner. Er schätzt, dass rund 40.000 Wohnungen im Bezirk potenziell vom Verbot betroffen seien, in den Prenzlauer Berger Erhaltungsgebieten liege die Eigentumsquote bei 30 Prozent, unter dem deutschen Schnitt und weit unter dem anderer Länder. Genaue Zahlen könne er aber noch nicht nennen, da der Entwurf der Umwandlungsverbotsverordnung  noch nicht vorliege, und damit auch keine Ausnahmetatbestände oder sonstigen Regelungen. „Eines können wir aber schon sagen: Dass wir gerade überschüttet werden mit Abgeschlossenheitsbescheinigungen.“ Eine solche Bescheinigung müssen Hauseigentümer einreichen, wollen sie eine Wohnung ihrer Immobilie aus dem Bestand lösen und einzeln verkaufen. Und da scheint es offenbar einen erhöhten Bedarf zu geben, bestätigt Kirchner.

 

Senator drängt auf Rechtssicherheit

 

Bis auf Weiteres müssen diese Anträge in aller Regel bewilligt werden. Und für Torschlusspanik verkaufswilliger Vermieter bleibt aller Voraussicht nach auch noch viel Zeit. Immerhin gibt es bisher nur die Ankündigung vom Land, etwas auszuarbeiten, und das muss dann noch durch das Abgeordnetenhaus – mit einem schnellen Abschluss ist da wohl eher nicht zu rechnen. Stadtrat Kirchner sieht noch viele offene Fragen. „Wie zum Beispiel ist geklärt, dass es eine Rückkopplung zwischen Grundbuchamt und dem Bezirk gibt?“ Es bestehe sonst die Gefahr, dass Grundeigentum eingetragen wird, für das es gar keine Genehmigung vom Bezirk gibt. Sein Amt selbst sei aber gut aufgestellt, betont Kirchner. So hätte es auch in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg immer ein Genehmigungsvorbehalt für den Verkauf von Wohnung gegeben. Auf diese Routine könnte das Amt, ist die Verordnung dann da, zurückgreifen.

Allzu viel Routine allerdings sollte wohl nicht angewandt werden. Denn unstrittig ist, dass das Umwandlungsverbot ein erheblicher Einschnitt in die Eigentumsrechte ist. Das kann eine Verwaltung machen, wenn sie es gut begründet. Andreas Geisel (SPD), der gerade als Nachfolger des Regierenden Bürgermeisters als Senator in die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einrückte und für den das Umwandlungsverbot so etwas wie ein Meisterstück (oder eben nicht) werden könnte, warnte kürzlich im Abgeordnetenhaus sehr deutlich vor der falschen Anwendung seiner eigenen Idee. „Ich würde den Stadträten raten, bei den Erhaltungsgebieten sehr sorgfältig zu prüfen, inwieweit ein Druck zur Umwandlung tatsächlich vorhanden ist“, sagte er. „Die Erhaltungsverordnungen müssen rechtssicher sein, sie müssen auch rechtssicher festgesetzt werden und bedürfen einer sorgfältigen Prüfung.“ Mit rechtlich fragwürdigen Erhaltungssatzungen hat man in Prenzlauer Berg – sehr teure – Erfahrungen gemacht. Geisels Warnung vor zu euphorischer Anwendung des Umwandlungsverbot geht also wohl auch an diese Adresse. 

 

Wo soll das Personal herkommen?

 

Welche Ausnahmegenehmigungen es geben wird, ist noch unklar. Stadtrat Kirchner geht davon aus, dass Mieter ihre Wohnung kaufen können, und auch von Sonderregelungen für Erben sei wohl die Rede. Der Begriff Umwandlungsverbot täuscht daher, weil es vielmehr darum geht, nur unter bestimmten Umständen den Verkauf zu versagen. Man kann den Mitarbeitern des Stadtentwicklungsamtes dabei nur wünschen, dass sich die Anträge, die nach dem Erlass der Verordnung gestellt werden, im Rahmen halten. Denn die Erfahrungen mit einem anderen Verbot, nämlich der Zweckentfremdung zur Ferienwohnung, lassen wenig Hoffnung keimen, dass in irgendeiner Weise mit neuem Personal für diese nicht anspruchslose Aufgabe zu rechnen ist.

Der für die Kontrolle von Ferienwohnungen zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) nämlich hofft bereits seit einem Jahr auf mehr als ein Dutzend zusätzliche Angestellte, nach einigem Hin und Her konnte man kürzlich Bewerbungsgespräche führen, wie er auf Anfrage erklärt. Bald sollen die ersten Leute anfangen, so Kühne. „Allerdings bedarf dann allerdings noch einer mehrmonatigen Einarbeitungszeit, bevor es die Aufgaben vollumfänglich wahrnehmen kann.“ Dass es beim Umwandlungsverbot viel anders bei der personellen Umsetzung laufen wird, ist unwahrscheinlich. Bedenkt man nun, dass die Senatsverwaltung von klagefreudigen Eigentümern ausgeht, lange Wartezeiten bei Umwandlungsanträgen abzusehen sind und dass eine Verbotsverordnung immer nur für fünf Jahre erlassen werden kann, will man sich gar nicht ausmalen, welche Klagekonstruktionen alle so möglich erscheinen. 

Oder es läuft anders, nämlich so wie bisher bei den Anträgen auf die Umnutzung von Gewerbe in Wohnen. Auf eine kleine Anfrage des Bezirksverordneten und Ex-Stadtrats Michail Nelken (Linke), wie viele Anträge auf Umnutzung 2013 und 2014 gestellt und genehmigt worden seien, antwortete dessen Nachfolger Kirchner gerade. Elf wurden gestellt. Und zehn davon genehmigt. Einer ist noch in Bearbeitung. Gerichtsverfahren gebe es bisher keine. Böse interpretiert könnte man auch von einer Konfliktvermeidungsstrategie sprechen, von der nicht zu sagen ist, warum sie nicht auch beim Umwandlungsverbot Anwendung finden sollte, siehe Warnung des Senators Geisler.

 

Befürworter verweisen auf Miettradition

 

Fernab von technischen Fragen: Die politische Mehrheit für ein Umwandlungsverbot sind  im Bezirk überwältigend. Den Grünen Kirchner unterstützt der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Roland Schröder (SPD). Genau wie der Stadtrat betont Schröder, „dass Umwandlung einer der Motoren von Verdrängung ist“, dieser Maschine müsse die Kraft genommen werden. Schröder selbst erlebe gerade in seinem eigenen Haus, dass nach der Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen nur zehn von 38 Parteien verblieben. Dem Anwurf der Gegner des Umwandlungsverbots, die geplante Verordnung sei ein Eingriff in das Eigentumsrecht, begegnet Schröder mit dem Hinweis, dass auch ein vermietetes Haus genügend Rendite bringe und man kaum davon sprechen könne, Eigentümer einer Verdienstmöglichkeit zu berauben. Ähnlich argumentiert Wolfram Kempe (Linke), Schröders Stellvertreter im Ausschuss. Ein Eigentümer könnte bis zu drei Prozent Rendite erzielen, wenn er zu fairen Bedingungen vermietet. „Alles, was darüber hinaus geht, ist Gier.“

Befürworter der Verordnung argumentieren gerne mit einer Mietertradition in Berlin. Der Anteil von Mietern sei hier schon immer hoch gewesen, und so sei es auch vertretbar, diese Wohnform politisch zu schützen. Dass der Kauf einer Wohnung, um sie dann selbst zu bewohnen, in Deutschland und der Hauptstadt weit unpopulärer ist als in vielen anderen Ländern, hängt wohl nicht zuletzt mit den erheblichen Nebenkosten zusammen, die durch Grunderwerbssteuer und Notarkosten hierzulande entstehen – und wohl auch mit der hohen Fluktuation der Berlin-Bewohner. Trotzdem stellt sich die Frage, ob mit dem Umwandlungsverbot ein Instrument, das sich vorrangig gegen Immobilienspekulation richten soll, nicht auch diejenigen trifft, die statt Miete für ein fremdes Konto lieber in Kreditraten für die eigenen vier Wände aufbringen wollen? Für Johannes Kraft, CDU-Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss der BVV, ist die Antwort klar. Für ihn ist das Umwandlungsverbot nicht nur „ein Bürokratiemonster“ mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten. Sondern auch mittelschichtsfeindlich.

 

CDU fürchtet Verdrängung der Mittelschicht

 

Kraft verweist darauf, dass die Zahl der Wohnungen, die demnächst in Prenzlauer Berg noch auf dem Markt sein werden, durch die Verordnung erheblich sänken. „Damit wird der Markt verschlossen, während die Nachfrage konstant bleibt, wenn nicht steigt.“ Folge wären steigende Preise. Dann würden Familien, die bis jetzt noch eine Wohnung im angestammten Kiez kaufen könnten, dies nicht mehr tun – und auf günstigere Gegenden ausweichen. Bedenke man das Ziel der Verordnung, „wäre das ein geradezu absurder Effekt. Es würde eine Verdrängung großer Teile der Mittelschicht drohen.“ Befürchtungen, die von der anderen politischen Seite nicht geteilt werden: Es gebe immer noch genügend Eigentumswohnungen auf dem Markt, sagt Roland Schröder. „Auch wenn es vielleicht nicht die schicke Altbauwohnung ist, die jeder haben will.“ Zumal Neubauwohnungen generell von einem Umwandlungsverbot ausgeschlossen seien. 

Stadtrat Kirchner ist zuversichtlich, dass das Umwandlungsverbot funktioniert, die Proteste von Immobilieneigentümern und deren Lobby nimmt er gelassen. „Das ist eine typische Berliner Debatte. In München und Hamburg hat das auch geklappt, ohne dass es da sozialistisch zugeht.“ Für Kirchner steht indes schon die Debatte über eine neue Verordnung an: Er möchte gerne die Sanierungsvorschriften auf den Prüfstand stellen, die es inzwischen ermöglichen, mit Förderung des Bundes Mieten durch energetische Sanierung in astronomische Höhen zu treiben, nicht zuletzt in Prenzlauer Berg. „Da muss was passieren“, sagt Kirchner. Denn nach der Verbotsverordnung ist vor der Verbotsverordnung.

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