Eine widerspenstige Wiese

von Dominique Roth 29. September 2016

Für eine Bebauung der Werneuchener Wiese gab es schon viele Vorschläge: Schule, Feuerwehr, Containersiedlung. Dennoch kann man dort immer noch dem Gras beim wachsen zusehen. Eine Petition fordert nun die Eingliederung in den Volkspark Friedrichshain.

Wir befinden uns im Jahre 2016 nach Christus. Ganz Berlin, und insbesondere die gefragte Innenstadt, ist verbaut … Ganz Berlin? Nein! Eine unbeugsame Grünfläche tief im Osten von Prenzlauer Berg hört nicht auf, der Bebauung Widerstand zu leisten.

Die Rede ist von der Werneuchener Wiese, die am Rand des Volksparks Friedrichshain, von Kniprodestraße und Danziger Straße eingekeilt, friedlich vor sich hin wuchert. Eine Tankstelle, eine Handvoll Beachvolleyball-Plätze und ein provisorischer Verschlag des Rewe-Marktes aus der Pasteurstraße – zu mehr ist die Wiese derzeit nicht nutze.

 

Zeichen setzen gegen unnötige Straßen

 

Chris Lopatta findet es schade, dass die Fläche seit jeher lediglich als überdimensionierte Hundetoilette fungiert. Deshalb hat er nun eine Petition gestartet. Der 52-Jährige, der bereits seit 15 Jahren im Bötzowviertel wohnt, möchte den Volkspark Friedrichshain um die Fläche der Werneuchener Wiese erweitern. „Gerade an schönen Wochenendtagen ist der Park einfach viel zu klein für die Menge an Leuten“, beschreibt Lopatta seine Motivation, die Petition zu initiieren. „Und die Margarete-Sommer-Straße, die die Wiese vom Park abschneidet, ist völlig sinnlos.“

1000 Unterschriften will Lopatta in den nächsten knapp sechs Monaten sammeln, um „den Menschen ein bisschen mehr Stadt zurückzugeben“. Es würden stets nur Straßen gebaut, immer mehr freie Flächen seien versiegelt. Gerade die Städte würden sich dadurch immer weiter aufheizen, so Lopatta weiter. „Deswegen kommt es hier auf jeden einzelnen Baum an“, sagt der Union-Fan. „Wer im Sommer mal durch den erfrischend kühlen Tiergarten radelt, weiß, wovon ich rede.“ Darum könne man hier doch mal ein Zeichen setzen und eine Straße rückbauen, um somit die Wiese in den Park integrieren.

 

Feuerwehr, Schule, Flüchtlingscamp: Eine Wiese mit Potential

 

Als Dogmatiker sieht sich das Berliner Urgestein allerdings nicht. „Ich sehe das zunächst einmal als Anregung“, betont Lopatta. „Wenn die Wiese einem sinnvollen Nutzen zugeführt wird, verschließe ich mich nicht dagegen“. Damit legt er den Finger in die Wunde. Denn sowohl der Senat als auch der Bezirk scheinen sich nicht sonderlich für die 3,5 Hektar große Brache zu interessieren. Und das, obwohl doch sonst kaum ein Politiker je müde wird zu betonen, dass es in der Innenstadt nun wirklich kaum mehr freie Flächen gebe.

Hinzu kommt, dass es für eine teilweise Bebauung der Wiese schon einige mehr oder weniger konkrete Ideen gab. Die aktuellste sah vor, dort ein Containerdorf für Geflüchtete entstehen zu lassen (wir berichteten). Der Bezirk rund um den scheidenden Pankower Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) unterstützte diese Idee, der Senat entschied sich jedoch gegen den Standort.

Die längste und kurioseste Posse um die Wiese handelt vom angedachten Bau einer zentralen Rettungsstelle (unsere komplette Geschichte dazu gibt es hier). Auf einem 6.200 Quadratmeter großen, l-förmig um die bestehende Tankstelle angelegten Grundstück, dachte man bereits im Jahr 2005 einen idealen Ersatz für das 1994 abgerissene Rettungsamt Prenzlauer Berg in der Marienburger Straße gefunden zu haben.

 

Behördenirrsinn: das ganz normale Berlin

 

2013 hat der Grundstückstausch zwischen der Feuerwehr und der Stadt stattgefunden. So weit, so langsam. Nun fehlte nur noch ein zugehöriger Bebauungsplan, der das Grundstück nicht mehr als Grünfläche ausweist. Doch der kam mitnichten zustande, im Gegenteil.

In einem Bebauungsplanverfahren für die Sporthalle an der Dietrich-Bonhoeffer-Straße aus dem gleichen Jahr hießt es nämlich: „Diese Freifläche ist ein wichtiges Freiflächenpotenzial, das nach den Zielen des integrierten Stadtentwicklungskonzepts aus dem Jahr 2006/07 als wohnungsnahe öffentliche Grünfläche gesichert und weiterentwickelt werden soll, zumal sich hier auch Vernetzungsmöglichkeiten mit den angrenzenden Grün- und Freiflächen des Volksparks Friedrichshain ergeben.“ Die Werneuchener Wiese soll also Grünfläche bleiben und sogar – ganz im Sinne Chris Lopattas – mit dem Volkspark Friedrichshain verbunden werden.

Ein Verwirrspiel, das wohl auch die kommenden Jahre anhalten wird. Laut Bezirksamt sei der Bau der Feuerwache jedenfalls nicht in der aktuellen Investitionsplanung des Senates vorgesehen. Ein Baubeginn vor 2020 sei daher nicht zu erwarten. Das gibt Lopatta zumindest noch ein bisschen Zeit, Unterschriften zu sammeln.

 

Falls Euch dieser Beitrag wichtig ist:

Den Platz und die Zeit, um solche Texte zu schreiben, haben unsere Autoren nur dank Prenzlauer Bergern wie Euch. Denn die Prenzlauer Berg Nachrichten sind eine komplett werbefreie Online-Zeitung, die allein von ihren Lesern lebt.

Wenn Ihr mehr Debatten, recherchierte Geschichten und Nachrichten aus nächster Nähe haben wollt, setzt ein Zeichen, unterstützt uns und werdet hier Mitglied.

Um uns besser kennen zu lernen, könnt Ihr hier unsere Wochenpost abonnieren (die gibt es in abgespeckter Version nämlich auch für Nicht-Mitglieder). Jeden Freitag bekommt Ihr dann einen kompakten Newsletter mit den Neuigkeiten aus unserem Kiez, inklusive eines freigeschalteten Artikels. Oder folgt uns hier auf Facebook.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar