Notunterkunft droht Obdachlosigkeit

von Thomas Trappe 8. August 2013

In der Prenzlauer Allee 87 können Obdachlose übernachten, es ist die einzige Notunterkunft im Bezirk. Jetzt wurde der Mietvertrag gekündigt. Und auch die ehrenamtlichen Helfer werden weniger.

Die beiden Handwerker schütteln den Kopf. „Lohnt nicht mehr“, sagt einer. Sie kommen gerade aus der Gemeinschaftsdusche der Obdachlosenunterkunft, ein Fenster lag da am Morgen auf dem Boden, offenbar ist die Halterung gebrochen. Normalerweise würde man es ersetzen, aber jetzt reicht auch eine provisorische Reparatur. Karl-Heinz Schnoor, Koordinator der Notunterkunft und Adressat der Handwerkerauskunft, schüttelt etwas resigniert den Kopf, überrascht ist er allerdings nicht. Er weiß ja schon länger, dass es mit seiner Einrichtung zu Ende geht, jedenfalls hier in der Prenzlauer Allee. Und jetzt muss er halt schauen, ob es noch eine Zukunft gibt. 

Die Notunterkunft liegt direkt gegenüber der Ringbahn-Station Prenzlauer Allee, „besser geht’s gar nicht“, sagt Schnoor. Die Unterkunft ist Teil eines Netzwerkes von fünf Einrichtungen des Vereins mob e.V., sie alle befinden sich in dem Haus. Im Trödel-Point werden gespendete Möbel an Bedürftige verkauft, außerdem findet sich hier der Sozialtreffpunkt „Kaffee Bankrott“ und die Redaktion der Obdachlosenzeitung „Straßenfeger“. Bereits im vergangenen Herbst, so Schnoor, erhielt der Verein vom Vermieter die Kündigung, nach einem Widerspruch gab es einen Aufschub. „Aber eigentlich sollten wir schon raus sein.“ Allerdings sei der Vermieter kooperativ „und hat Verständnis dafür, dass wir nicht gleich was Neues finden“.

 

Nachfrage aus Südosteuropa

 

Spätestens Ende des Jahres ist Schluss, schätzt Schnoor. Zwar hat der Verein schon neue Räume gefunden, in der Storkower Straße – nur hat hier die Notunterkunft keinen Platz. „Dafür brauchen wir noch eine Immobilie, aber da ist bis jetzt ist nichts in Sicht.“ Rund 130 Quadratmeter wären nötig, schätzt Schnoor, und vor allem eine günstige Miete. Mob e.V. finanziert sich aus Spenden, Möbel- und Zeitungsverkäufen. Für Übernachtungen werden 1,50 Euro genommen, fast alle Helfer arbeiten ehrenamtlich, auch Schnoor. „Da ist nicht viel finanzieller Spielraum.“ 

Die Unterkunft in der Prenzlauer Allee ist anderen Übernachtungsmöglichkeiten in Prenzlauer Berg nicht unähnlich: Ständig ausgebucht und internationales Publikum. Derzeit, so Schnoor, sind vier der zehn Männerbetten von deutschen Obdachlosen besetzt, sechs weitere von Osteuropäern. Der Anteil von Rumänen und Bulgaren sei in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen, was ab und an auch zu Unmut unter anderen Bewohnern führe, räumt Schnoor ein. Vom „Hotel Bukarest“ würden viele sprechen. Prinzipiell gilt, dass ein Bett bekommt, wer sich zuerst meldet: Einzige Bedingung ist, dass kein Alkohol oder andere Drogen im Haus konsumiert werden. 

 

Ehrenamtliche sind schwer zu finden

 

Schnoor geht davon aus, dass die Zahl der Menschen, die nach einer Notunterkunft fragen, in den kommenden Jahren steigen wird, unter anderem auch, weil ein Ende des Zustroms südosteuropäischer Obdachloser nicht absehbar sei. Umso tragischer wäre es, müsste die Einrichtung schließen. Rund 120 Notbetten gibt es laut Schnoor in der gesamten Stadt. Im Winter sind es etwas mehr Plätze, weil dann auch andere Einrichtungen Obdachlose aufnehmen. Doch auch denen geht es in Prenzlauer Berg nicht gerade blendend

Mob e.V. sucht nicht nur neue Räumlichkeiten für die Notunterkunft – sondern auch neue Helfer. 22 Ehrenamtliche sind nötig, um den Zweischichtbetrieb in der Notunterkunft aufrecht zu erhalten, kürzlich sind aber mehrere abgesprungen, unter ihnen Studenten, die sich verstärkt auf die Uni konzentrieren müssen. Geld bekommt man in der Notunterkunft nicht, so Schnoor, der ehemalige Kommunikationselektroniker lebt selbst von Hartz IV. „Ich wollte nicht einfach zuhause rumsitzen und nichts tun.“ Das Ehrenamtler-Team sei sehr gemischt: Viele Studenten, ein Rentner, ein Mikrobiologe, ein Architekt, ein Arbeitsloser. „Wichtig ist nur, dass man selbstbewusst und kommunikativ ist, denn das braucht es hier im täglichen Umgang“, so Schnoor. Wer helfen will, solle sich beim Verein melden. Und wer eine günstige Immobilie kennt, auch.

 

 

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