Hier knallt es 2017

von Anja Mia Neumann 24. Januar 2017

Von A wie AfD, über F wie Fahrradstraßen und M wie Michelangelostraße, bis zu Z wie Zweckentfremdung: Diese Konflikte erwarten Prenzlauer Berg in diesem Jahr.

Wo sind für das neue Jahr Konflikte in unserem Stadtteil vorhersehbar? Die Prenzlauer Berg Nachrichten haben Informationen gesammelt und wagen einen Blick in die Kristallkugel.

 

Nicht nur in Berlin und vermutlich ab Herbst im Bund, sondern auch in unserem Bezirk ringen die Parteien um einen Umgang mit der AfD.

1. AfD: Seit September 2016 sitzt die AfD das erste Mal in der Bezirksverordnetenversammlung und darf als viertstärkste Kraft mit 13,3 Prozent einen Stadtrat stellen. Doch der Posten – die anderen Parteien haben der AfD die Ressorts Ordnung und Umwelt angedient – ist noch immer unbesetzt. Der Grund: Kandidat Nicolas Seifert erscheint den anderen Parteien zu unmotiviert und zu wenig fähig fürs Amt, auch abseits seiner inzwischen legendären Clown-Reporter-Attacke. Die AfD-Fraktion wittert Kalkül, die anderen Fraktionen fordern einen „wählbaren Kandidaten“. Hier schwelt ein Konflikt zumindest vordergründig um den Stadtratsposten – und wenn keine der beiden Seiten einlenkt, könnte der gar vor Gericht enden.

 

Viele AfD-Wähler und Rechtsradikale scheinen derweil Rassismus auf den Straßen salonfähig machen zu wollen.

2. Rassismus: Rassismus in Prenzlauer Berg – zum Beispiel rund um Spiele des BFC Dynamo im Mauerpark – ist zwar kein neues Phänomen. Doch gerade Alltagsrassismus im Bezirk nimmt zu: „Die Betroffenen melden, dass in den letzten zwei Jahren der Alltagsrassismus stark angestiegen ist und verschiedene Formen von Beleidigungen und Bedrohungen annimmt“, sagt Bürgermeister Sören Benn (Linke) und beruft sich auf das Pankower Register. Allein von September bis Dezember 2016 wurden dort vier Angriffe sowie vier Beleidigungen und Bedrohungen mit einem rassistischen Motiv erfasst – darunter der Angriff auf einen jungen Afro-Deutschen an der Straßenbahnhaltestelle Husemannstraße. Gleichzeitig steigt aber auch die Nachfrage von Argumentationstrainings gegen rechtspopulistische Stammtischparolen und Rechtsradikalismus, wie sie die Netzwerkstelle Moskito anbietet.

 

Inzwischen haben alle Prenzlauer Berger Geflüchteten ein eigenes Zimmer. Die Turnhallen, in denen einige leben mussten, bleiben aber vorerst Baustellen – zum Leidwesen von Schulen und Vereinen.

3. Turnhallen: Über ein Jahr hat es gedauert, dann haben im Dezember die Geflüchteten die Turnhalle in der Malmöer Straße verlassen. Zuvor hatten die Hallen in der Winsstraße und der Wichertstraße den Anfang beim – wie es von den Behörden so schön heißt – „Freizug“ gemacht. Doch die geplagten Schulen und Vereine können die Trainingsstätten noch lange nicht zurück haben. Denn die Sanierung wird dauern – und sie ist noch nicht mal gestartet. Für die Hallen in der Wichert- und Winsstraße ist der Bezirk zuständig, Stadtrat Torsten Kühne (CDU) kündigt an: Mindestens drei Monate werden die Arbeiten an Sanitär, Lüftungsanlage, Böden und Elektro jeweils dauern. Prognose: In der Winsstraße kann ab April und nach rund 200 000 Euro wieder geturnt werden, in der Wichertstraße erst frühestens ab Juli und nach rund 600 000 Euro. „Ziel ist es, alle Hallen im Bezirk zum neuen Schuljahr nutzen zu können“, sagte Kühne. Für die Malmöer Straße heißt es vom Senat: Einen genauen Zeitplan gibt es noch nicht. Erst in dieser Woche wird die BSR die Halle räumen. Dann prüft die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH, welche Arbeiten anstehen.

 

Der Bezirk wächst, seine vielen Kinder auch. Der Mangel an Schulplätzen ist enorm – und wird es wohl auch erst mal noch bleiben.

4. Schulplätze: Seit November hat Pankow einen neuen Schulstadtrat, der den Mangel an Schulplätzen verwalten darf: Torsten Kühne (CDU).  Bis zum Jahr 2020 fehlen in Prenzlauer Berg mehr als 1600 Grundschulplätze (laut bezirklichem Infrastrukturkonzept 2016 sind das 11,5 Schulzüge). Hinzu kommt: 280 Oberschüler aus Pankow konnten zum Schuljahr 2016/17 nicht auf eine ihrer drei Wunschschulen gehen und müssen stattdessen bis zu 60 Minuten pendeln, u.a. nach Marzahn-Hellersdorf. Kühne sagt heute sogar: „Uns ist bewusst, dass es vor allem im Grundschulbereich brennt. Die Zahlen könnte man jetzt wahrscheinlich nach oben korrigieren.“ Er setze auf die Neubau- und Sanierungsvorhaben des neuen Senats, in Prenzlauer Berg seien das nach wie vor: die Tesla-Grundschule, der Ausbau des ehemaligen Coubertin-Gymnasiums und die Turnhalle in der Karl-Bonhoeffer-Straße, plus die weiteren Schulplätze im Zuge von Sanierungen. Im Wahlkampf hatte Kühne noch gesagt: „Die durchschnittliche Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeit einer Schule ist in Berlin bei acht Jahren – dabei darf es nicht bleiben, sonst werden wir den Bedarf nie decken können.“ Nun hat er als neuer Schulstadtrat die Chance, sich dafür einzusetzen.

 

Und nach der Schule oder dem Kindergarten ist spielen angesagt – warum nicht auch ein Mal in der Woche auf der Straße? Das dachte sich eine Bürgerinitiative, hatte aber nicht mit klagewütigen Nachbarn gerechnet.

5. Spielstraße: Die Idee hat Vorbilder in Frankfurt und Bremen: Die Gudvanger Straße am Humannplatz sollte temporäre Spielstraße werden. In den Sommermonaten immer dienstags. Gemäß dem Nimby-Verhalten – not in my backyard – wehrten sich jedoch Anwohner beim Verwaltungsgericht, das die Straßensperrung und damit das Spielen im Eilverfahren stoppte. Das war 2015. Nun ist das Modellprojekt vom Bezirksamt im Oktober vergangenen Jahres abgelaufen. Und die findigen Kläger „haben den Rechtsstreit für erledigt erklärt“, heißt es vom Gericht. Das Bezirksamt Pankow jedoch hat das Konzept überarbeitet und will eine Grundsatzentscheidung in Sachen temporärer Spielstraße haben: Ob das überhaupt geht – der Kläger will kein Verfahren mehr, der Beklagte aber dringt auf ein endgültiges Urteil – will das Gericht 2017 klären. Von der Spielstraßen-Initiative heißt es unterdessen pragmatisch: „Dann melden wir halt den Sommer über mehrere Demos auf der Gudvanger Straße an.“ Dann ist der Straßenabschnitt trotzdem gesperrt.

 

Wem die Straße gehört, ist ein Thema, zu dem einfach jeder eine Meinung hat. Stichwort: Fahrradstraßen. Und schon kochen die Emotionen hoch.

6. Fahrradstraßen: „Auf Nebenstraßen will die Koalition ein Netz aus Fahrradstraßen planen“, heißt es im Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Landesregierung. „Um Pankow zu einem fahrradfreundlichen Bezirk zu entwickeln, wird ein bezirkliches Radverkehrsanlagennetz ggf. mit Fahrradschnellstraßen erstellt“, steht in der rot-grün-roten Zählgemeinschaftsvereinbarung vom Bezirk. Man scheint sich einig und an Ideen für Prenzlauer Berg mangelt es nicht: Stargarder Straße und Gleimstraße sind konkrete Kandidaten für Fahrradstraßen (heißt: Radler haben Vorfahrt, Anwohner, Lieferanten und Kunden mit Autos dürfen aber meist durch), Ex-Stadtrat und Neu-Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne) will auch den Gleimtunnel zur Fahrradstraße machen. Großartig finden das Fahrradfahrer, mehr als aberwitzig Autofahrer.

 

Wohnungsmangel ist allgegenwärtig in Prenzlauer Berg. Dagegen sollte ganz schnell das Verbot helfen, Wohnungen zu Ferienwohnungen zu machen. Eigentlich.

7. Zweckentfremdung: Werden Ferienwohnungsbesitzer nun zur Rechenschaft gezogen oder nicht? Laut Zweckentfremdungsverbot sollten sie. Doch beim Verwaltungsgericht liegen immer noch 17 Verfahren aus Pankow, die sich mit dem Verbot beschäftigen, Wohnungen an Touristen zu vermieten. „Zwölf Verfahren werden von Privatpersonen betrieben, die ein Negativattest oder eine Genehmigung zur Ferienwohnungsvermietung begehren“, heißt es. Die übrigen betreffen das sogenannte Dänische Ferienmodell, für das Gericht schon allgemein keine Ausnahme erteilte. Jetzt plant der Senat, Schlupflöcher in dem Gesetz zu schließen. Und der vermutlich bald neue Grünen-Stadtrat Vollrad Kuhn kündigt schon mal an, das verschärfte Verbot rigoros anwenden zu wollen. Wäre da nicht das allseits bekannte Personalproblem im bezirklichen Ordnungsamt – denn das scheint viele Aktivitäten zu lähmen.

 

Weitere Lösung für das Wohnungsproblem: Neubauten. Vorzeigeprojekt sollen jene in der Michelangelostraße werden. Zum Unmut der Anwohner.

8. Michelangelostraße: „Dieses Vorhaben bekommt Vorbildfunktion für soziales und ökologisches Bauen, denn der Bezirk kann hier die Rahmenbedingungen gestalten sowie die Mitnahme der Bürgerinnen und Bürger und maßvolle Verdichtung ermöglichen.“ So steht es in der bezirklichen Zahlgemeinschaftsvereinbarung von Linke, Grünen und SPD. Geplant sind 1500 neue Wohnungen in der Michelangelostraße. Und genau das stößt den Anwohnern auf. Die fordern „eine behutsame Nachverdichtung in einer Größenordnung von 700 bis maximal 1000 Wohneinheiten“, gehen auf Konfrontation und wollen beim Bebauungsplan-Verfahren mitreden. Denn zufrieden sind sie nicht, auch nicht mit ihrem Mitspracherecht. Weiter heißt es: „Eine Schule und eine Kindertagesstätte sowie die Mischung von Einzelhandel, Gewerbe und Grünflächen gewährleisten, dass der neue Kiez lebendig wird.“

 

Einen guten Kilometer weiter süd-westlich liegt das zweite Großbauprojekt Prenzlauer Bergs: die Brache am Güterbahnhof Greifswalder Straße. Gekämpft wird hier gegen rund 600 neue Wohnungen.

9. Güterbahnhof Greifswalder Straße: Auf die Barrikaden gehen auch die Menschen vom Ernst-Thälmann Park. Ihnen wäre es am liebsten, wenn an der S-Bahntrasse zur Greifswalder Straße gar nicht gebaut würde. Oder zumindest nur das, was nötig ist für Spiel, Sport, Kultur und Freizeit. Der Rest: Park und Parkplätze. Dafür fordern sie „den Rückerwerb der Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Str. inkl. der Brücke Greifswalder Straße durch das Land Berlin“. Denn das Gelände gehört inzwischen einem Investor. Der Bezirk aber hält an den Neubauten fest – auch wenn ein „Grünzug“ in die Planungen einfließen soll. Ankündigung: „Es wird ein städtebaulicher Wettbewerb mit Kindertagesstätte, Erweiterung der Grundschule zu einem Schulcampus, Grünzug sowie Handel, Gewerbe und Gastronomie durchgeführt.“ Die Anwohner kündigen schon mal an, sich äußerst intensiv daran beteiligten zu wollen.

 

——————————————————————

Falls Euch dieser Artikel wichtig ist:

Den Platz und die Zeit, um solche Texte zu schreiben, haben unsere Autoren nur dank Prenzlauer Bergern wie Euch. Denn die Prenzlauer Berg Nachrichten sind eine komplett werbefreie Online-Zeitung, die allein von ihren Lesern lebt.

Wenn Ihr mehr Debatten, recherchierte Geschichten und Nachrichten aus nächster Nähe haben wollt, setzt ein Zeichen, unterstützt uns und werdet hier Mitglied.

Um uns besser kennen zu lernen, könnt Ihr hier unsere Wochenpost abonnieren (die gibt es in abgespeckter Version nämlich auch für Nicht-Mitglieder). Jeden Freitag bekommt Ihr dann einen kompakten Newsletter mit den Neuigkeiten aus unserem Kiez, inklusive eines freigeschalteten Artikels. Oder folgt uns hier auf Facebook.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar