Man fragt sich

von Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten 18. Dezember 2014

Unsere gewählten Abgeordneten hatten in diesem Jahr viele Fragen: Wie viele Schuluhren gibt es im Bezirk? Wird das Planetarium wegen fehlender Ersatzbirnen saniert? Und wie geht Internet?

Journalisten, wir Chronisten des Selbstgesprächs einer Gesellschaft, brauchen alle unseren Informations-Wühltisch. Das sind in aller Regel Papierberge bzw., dank der neuen Zeit, pdf-Berge, an denen wir uns laben. Besonders beliebt, dieses Geheimnis sei Ihnen anvertraut, sind in unserer Redaktion die Kleinen Anfragen aus dem parlamentarischen Betrieb in Bezirk und Land. Zum einen, weil diese tatsächlich Interessantes zu Tage fördern, etwa, wenn die befragten Stadträte keine Lust mehr haben, einer Frage umständlich auszuweichen oder die Antwort gerade in ihre politische Agenda passt. Zum anderen mögen wir sie, weil sie ab und an so herrlich abwegig sind. Was wir damit meinen? Das lesen Sie hier, in unseren persönlichen Top 5 der Kleinen Anfragen des vergangenen Jahres.

 

Mit Gerüchten gilt es aufzuräumen! Erst recht, wenn wir nicht ausschließen können, dass diese kleine Zeitung sie in die Welt gesetzt hat. „Doch die Ersatzteile für das Gerät, das auch locker als Requisite für einen Film über iranische Atomphysiker durchgehen würde, werden knapp. Von den zwei riesigen Lampen, die es für den Betrieb braucht, sind nur noch zwölf Exemplare auf Lager.“ So stand es vor zweieinhalb Jahren in einem Bericht über das sanierungsbedürftige Planetarium und seinen Sternenprojektor – ein monströses Gerät, mit dessen Hilfe der Sternenhimmel an die Planetariumsdecke projiziert wurde, und zwar in dieser Art und Weise seit 1987.

Nun ist seitdem eine Menge passiert; die Gesellschaftsform im Osten der Stadt hat sich gewandelt, Schneejeans sind innerhalb des S-Bahnrings nicht mehr ganz so in, und auch technisch sind wir von „Ich trage einen riesigen Koffer mit mir herum und nenne es Mobiltelefon“ zu „Ich mach mal eben mit dem Handy zu Hause die Heizung an“ gewechselt. Allerdings scheint ausgerechnet ein Pirat davon wenig mitgekommen zu haben. Das legt zumindest die Kleine Anfrage von Gerwald Claus-Brunner zur seit dem Frühjahr laufenden Sanierung des Planetariums nahe.

„Auf wessen Expertise beruhte der Entschluss, das Planetarium aufgrund des zur Neige gehenden Lampenvorrates zu schließen?“ sowie „Warum wurde eine kostengünstige Lösung für den Einbau und Betrieb von gleichwertigen Ersatzlampen nicht in Erwägung gezogen?“, erkundigte sich Brunner beim Berliner Senat. Woraus wir entweder lernen können, dass die Piraten doch eine Spaßpartei sind, die vor keiner Frage zurückschrecken. Oder, dass man nach drei Jahren im Abgeordnetenhaus diesem Senat zutraut, ein ganzes Planetarium zu sanieren, weil Ersatzbirnen fehlen.

 

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Als man amerikanische Filme und Serien noch im Fernsehen und nicht auf dem Laptop schaute, hießen synchronisierte Filme noch „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ oder „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“. Ob Jan Schrecker ein Faible für solche Filme hat, weiß man nicht, aber immerhin ist er Pirat, da wird er schon irgendein verschrobenes Hobby haben. Seine Anfrage, die er im Juni an Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) stellte, trug jedenfalls den Titel „Das merkwürdige Selbstverständnis von Transparenz im Psychiatriebeirat“ (hier noch ein „total verrückt“ einzuschieben, verbot sich aus naheliegenden Gründen). Schrecker wollte wissen, warum das Bezirksamt es eigentlich nicht schafft, die Termine der Psychiatriebeiratssitzungen zu veröffentlichen?

Die Antwort hatte es in sich, weil sie genau das ergab, was man von Behörden so denkt, sich aber nicht zu glauben traut. Es sei nicht möglich, die Termine im Internet zu veröffentlichen, erklärte also die Stadträtin. Begründung: „Die Veröffentlichung im Internet bedarf umfänglicher Kenntnisse des Verfahrens Imperia und ist sehr aufwändig, so dass sich innerhalb der Abteilung Soziales, Gesundheit, Schule und Sport aktuell keine zeitnahe Lösung herstellen lässt.“ Allerdings wurde der notwendige Verwaltungsvorgang da schon in die Wege geleitet, um bald befähigt zu sein, Internet zu schreiben.

„Eine Kollegin der QPK hat bereits begonnen, die notwendigen Fortbildungen an der VAK wahrzunehmen. Dieser Durchgang wird im November 2014 beendet sein. Außerdem muss die Software dazu eingerichtet sein.“ Was QPK und VAK heißt, wissen wir nicht, wahrscheinlich werden aber beide vom Verfassungsschutz beobachtet. Abschließend erklärte LZK (Lioba Zürn-Kasztantowicz) noch, dass die Anfrage als Anregung verstanden werde, „Aushänge mit den Daten im SpD und im BA zu veröffentlichen“. Das ist doch mal was.

Achso, die Termine der Psychiatriebeiratssitzungen, das war damals die vorläufige Lösung, konnte man immerhin telefonisch anfragen. Das Amt schickte dann ein Fax.

 

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In Pankow gibt es keine CSU. Daher kann diese leider auch nicht fordern, dass jede Familie mit Kindern zu Hause eine analoge Uhr anzubringen hat, damit diese das Lesen derselben erlernen.

Dafür gibt es in Pankow die Grünen, und die wissen, dass sie keinen Einfluss darauf nehmen können, was die Menschen zu Hause tun. Stattdessen versuchen sie es im öffentlichen Raum, zum Beispiel in Schulen. „In welchen Schulen Pankows existiert (k)eine analoge große Außenuhr, um zu gewährleisten, dass Schülerinnen und Schüler das selbständige Uhrenlesen erlernen sowie in die Lage versetzt werden, eigenständig die jeweilige Uhrzeit zu erfassen und Unterrichts- und Pausenzeiten, Essenszeiten, Hortzeiten sowie sonstige Termine pünktlich einhalten zu können?“, fragte Catrin Farbicius im August das Bezirksamt. Um zu erfahren: Dieses führt leider keine Statistik darüber, wo analoge große Außenuhren hängen, konnte aber in Erfahrung bringen, dass ein Verständnis für Zeitpunkt und Zeitspanne zum Curriculum der Klassen 1 bis 4 gehört.

Bevor Sie nun wiederum fragen, ob man das nicht auch schon in der Kita erlernen könnte und anmerken, was für ein Skandal es sei, dass diese Stadt Geld für Flughäfen hätte, aber nicht für eine Statistik über Schuluhren, hier ein Vorschlag zur Güte: Sie legen Ihrem Sechsjährigen in diesem Jahr für das Planen seiner Termine doch kein iPhone unter den Weihnachtsbaum, sondern eine schöne analoge Armbanduhr. Und das Schulamt sorgt im Gegenzug dafür, dass ihren Kind nicht die poröse Decke auf den Kopf fällt, was – unter uns gesagt – ein viel gravierenderes Problem der Pankower Schullandschaft darstellt.

 

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Ambrosia, das klingt ja schon von vornherein wie ein Sketch von Loriot oder wie der Codename einer geheimen Wehrmachtsoperation. Beides geht fehl, es ist schlicht eine Pflanze, sie hatte auch schon ihren großen Tag, am 23. Juni 2012 war Internationaler Ambrosia-Tag, und ja, Sie haben Recht, das ist der Geburtstag von Armen Sarkissjan, dem armenischen Physiker und Unternehmer. Claudia Rasch, Bezirksverordnete der SPD, dachte bei Ambrosia nicht an Armenien, sondern zunächst an die „Speise und Salbe griechischer Götter“, die als Ambrosia bekannt sei. Allerdings, und das war dann Anlass der Anfrage, zählten die Pollen auch zu den „stärksten Allergie-Auslösern überhaupt“. Sie wollte daher wissen, was das Bezirksamt gegen die Gefahr aus der Luft tue?

Eine steile Vorlage für Stadtrat Torsten Kühne (CDU), der zwar kein Botaniker, als promovierter Biophysiker aber für Fragestellungen aus dem Feld der Wissenschaft sicher aufgeschlossen ist. So konnte er mit kaum verhohlener Laien-Kompetenz darlegen, wie Ambrosia auf Allergiker wirkt (schlecht), wie häufig das in Pankow vorkommt und dass es signifikant weniger werde. Gleichzeitig konnten wir durch diese Anfrage lernen, dass es in Berlin ein „Aktionsprogramm gegen Ambrosia“ und professionelle „Ambrosia-Scouts“ gibt, die sich dem Kampf gegen die Pflanze verschrieben haben. Ihre weitere Ausbreitung, und das ist sicher ein Erfolg beherzter Berliner Ambrosia-Politik, sei im Moment nicht zu beobachten, so Kühne. Wir können durchatmen.

 

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Wir geben es zu, auch wir haben uns schon mal kurz darüber gewundert, warum das Bezirksamt eigentlich immer Mails mit dem Hinweis auf die nächsten Blutspendetermine in einem Bus an der Schönhauser Allee verschickt. Was wir uns bislang aber nicht gefragt haben, ist Folgendes: „Sieht das Bezirksamt in der Veröffentlichung der Blutspendetermine nur vom DRK keine Wettbewerbsprobleme mit anderen Blutproduktenherstellern und das Abweichen von Neutralität durch einseitige Veröffentlichung von nur einem Anbieter?“ Jan Schrecker von den Piraten hat das Nachhaken übernommen und erfahren: Nö. „Da es sich beim Blutspendedienst des DRK um eine (die) gemeinnützige Organisation handelt, sieht das Bezirksamt keine Wettbewerbsprobleme mit Herstellern von Blutprodukten“, schreibt Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD).

Aber gut, dass wir darüber gesprochen haben.

 

Texte: Thomas Trappe und Juliane Wiedemeier

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