Nur nichts zumuten

von Thomas Trappe 21. Juli 2014

Eitel, provinziell, mutlos: Nach dem (vorläufigen) Scheitern des Eco-Mobility-Festivals im Helmholtzkiez stellt sich die Frage, was Lokalpolitik in Prenzlauer Berg kann?

Matthias Köhne (SPD) macht Politik, wie er heißt: Ziemlich gewöhnlich. Mal eine Bürgersprechstunde im öffentlichen Straßenrand, da mal eine Veranstaltung zum Voranbringen des Rauchmeldewesens, öffentliches Osterstrauchschmücken. Man muss schon recherchieren, um auf so etwas wie eine politische Emotionalität bei Köhne verweisen zu können, meist geht es dann um Haushaltsfragen, das ist sein Steckenpferd. Auch Labskaus, Winter und Helmut Schmidt kann Köhne nicht leiden, ist auf seiner Homepage zu erfahren. So kennt man Köhne – die jüngsten Gefühlsaufwallungen kamen daher doch recht überraschend. Es ging um die Pläne des grünen Stadtrats Jens-Holger Kirchner, den Helmholtzkiez im kommenden Jahr vier Wochen autofrei zu halten, innerhalb eines sogenannten Eco-Mobility-Festivals. „Zwangsbeglückung” und „Versuchslabor für Ökophantasien” schäumte Köhne hernach bei Twitter, schimpfte über den unabgesprochenen Vorstoß Kirchners. Später gab er sehr breitbrüstig bekannt, dass er der Idee den „Stecker gezogen” habe. Was jetzt, zwei Monate später, zu der Frage führt, wie politikfähig eigentlich Pankow ist, speziell SPD und Grüne, die den Bezirk bekanntlich ja als „Zählgemeinschaft” regieren. Eine Frage, die unter anderem von der SPD gestellt wird. 

Jens-Holger Kirchner ist als Politiker so ziemlich das Gegenteil von Köhne. Als Journalist ist man ja schon ganz froh, wenn es mal ein Thema im Bezirk gibt, für das nicht der Stadtrat für Stadtentwicklung zuständig ist. Als Kirchners größte Werke zählen die (inzwischen wieder abgeschafften) Smileylisten in der Lebensmittelkontrolle und das sogenannte Luxusverbot für Eigentumswohnungen, das ihn bis in eine dieser ARD-Talkshows brachte. Es scheint, als habe Kirchner mit der Öko-Festival das nächste Ausrufezeichen seiner Laufbahn setzen wollen. Ob es das Ausrufezeichen als solches war, oder doch das konkrete Projekt, das Köhne dann auf die Palme brachte – schwer zu sagen. Rainer Krüger, Prenzlauer Berger SPD-Mitglied und bekannt als Mauerparkaktivist hat da so seine Vermutung: Seine Partei und voran sein Bürgermeister könnten den Bezirk nicht regieren, sondern nur verwalten.

 

„Durch politische Spielereien zerredet”

 

Rainer Krüger ist für das Eco-Mobility-Festival, wie er in einem offenen Brief an die Redaktion deutlich macht. Dass das Projekt vom Bürgermeister mit Rückendeckung von SPDlern des Helmholtzkiezes verhindert wurde, vermutet Krüger, liege vor allem an „hochwallender Empörung”, die „eine sachliche und neugierige Sicht auf das Projekt vernebelt habe”. Sprich: Köhne hat in Krügers Augen unprofessionell reagiert. Besonders ärgert Krüger eine Pressemitteilung der SPD-Abteilung Helmholtzplatz. In dieser setzte deren Vorsitzender Martin Müller die Brachialrhetorik seines Bürgermeisters fort und warnte, dass sein Kiez keine „Spielwiese für die Öko-Schickeria” sei. Für wen spreche Müller hier eigentlich, fragt sich Krüger. Für die Menschen im Kiez, in deren Interesse er vorgebe zu handeln – oder für den Parteiapparat, der einen Punkt gegen die Grünen setzen wolle?

Bei den Grünen selbst sieht man das, es kann nicht überraschen, ähnlich. Dass der Weltstädteverband ICLEI das in seiner Verantwortung liegende Eco-Mobolity-Festival in der vergangenen Woche abgesagt habe, liege an „destruktiven und machtpolitischen Interessen auf Bezirks- und Landesebene”, erklärte die Grünen-Bezirksvorsitzende Cordelia Koch. „Es verschlägt einem die Sprache, wie Visionen durch politische Spielereien zerredet werden.” Auf Nachfrage sagte Koch, dass es „keine inhaltlichen Argumente gegen das Festival gegeben” habe, sie vermutet, dass die SPD Kirchner einfach nicht noch ein politisches Großprojekt überlassen wollte. Sie glaubt, dass auch die meisten Sozialdemokraten in der Bezirksverordnetenversammlung das Projekt grundsätzlich befürworteten, aber trotzdem Köhnes Linie gefolgt seien. 

 

Jetzt vielleicht noch eine Messe

 

„Es braucht eine gewissen Führungsstärke und auch den Willen dazu, wenn so ein Projekt erfolgreich umgesetzt werden soll”, erklärt eine ICLEI-Sprecherin in Bonn, warum ihre Organisation jetzt erst mal das Projekt in Berlin auf Eis gelegt habe . Die Zusammenarbeit mit dem Bezirk sei völlig anders gelaufen als sonst, „man hat sich dort rausgehalten und ICLEI die komplette Verantwortung überlassen wollen”. Bei den Grünen ist man überzeugt, dass das Festival doch noch stattfinden würde, in welcher Form auch immer. Eventuell in Form einer Messe, heißt es bei ICLEI. Das wäre dann auch etwas, wo der Bürgermeister eines seiner Grußworte sprechen könnte.

 

 

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