Ist das Kulturareal fit für die Zukunft?

von Thomas Trappe 25. November 2011

Den Künstlern im Kiez geht der Raum aus. Platz wäre im Thälmannpark. Alles nicht so einfach. 

Tatort Wabe: Der Saal tobte, als vor einem Jahr der Schauspieler Axel Prahl zusammen mit dem Regisseur Andreas Dresen in der Wabe ein Benefizkonzert gab. Prahl, im Filmleben gerne mal als Ermittler im Münsteraner Tatort unterwegs, sang für die Kultur im Kiez im Allgemeinen und für den Erhalt des Kulturareals im Ernst-Thälmann-Park im Speziellen. Zum Abschluss gab es das Lied „Reise, Reise, alle Mann an Deck“. Und schon sind wir beim Problem, das nicht wenige Künstler in Prenzlauer Berg im Kulturareal erkennen – sie sehen hier schon lange nicht mehr alle Mann an Deck. 

Vor wenigen Wochen berichteten wir darüber, dass der Bezirk gerne mehrere Millionen Euro investieren möchte für die Sanierung des bezirkseigenen Areals, das unter anderem aus der Veranstaltungshalle Wabe, dem Theater unterm Dach und einigen Verwaltungsräumen besteht. Grund genug für Clara West (SPD), bisher Bezirksverordnete jetzt im Mitglied des Abgeordnetenhauses, und den  Bezirksverordneten Cornelius Bechtler (Grüne), zwei Dinge festzustellen. Erstens: Das Geld wird aller Voraussicht nach nicht kommen. Zweitens (und wichtiger): Es braucht eine Grundsatzdiskussion über die Zukunft des Kulturareals. Da es sonst keine Zukunft gibt. West und Bechtler sprechen damit im Sinne vieler Künstler im ganzen Kiez, dazu später.

 

Verkrustete Strukturen

 

Das Kulturareal gibt es mittlerweile seit einem viertel Jahrhundert – es ist damit elementarer Bestandteil der Prenzlauer Berger Kulturszene. Wie sensibel das Feld behandelt werden muss, wurde spätestens vor einem Jahr deutlich, als Künstler im Eliashof einer Schule weichen mussten, darum eine neue Unterkunft suchten und dafür das Kulturareal ins Gespräch gebracht wurde. Proteste wurden laut, das Aktionsbündnis Berliner Künstler vorneweg. Argumentiert wurde, dass im Kulturareal kein Platz mehr ist, da man weiter „Freiräume“ bieten wolle für Künstler. Doch genau das sehen Kritiker wie West und Bechtler eben nicht verwirklicht, sondern genau das Gegenteil: Demnach sei das Areal von Besitzstandsdenken dominiert, der Bezirk versäume es, daran in seiner eigenen Immobilie etwas zu ändern. 

„Ich bin die Erste, die sich ankettet, sollte man über die Schließung der Wabe oder einer anderen Einrichtung im Kulturareal nur nachdenken“, sagt Clara West. „Aber wir brauchen unbedingt ein Konzept, wie das Areal sich für mehr Künstler öffnen kann.“ Die Strukturen seien verkrustet, das Bezirksamt habe die Aufgabe, sich hier gegen die eigene, sehr hartnäckige, Verwaltung durchzusetzen.

 

Schreckensbeispiel „Haus der jungen Talente“

 

Es ist also ein Kulturkampf im Wortsinne. Matthias Kubusch leitet das Kinder- und Jugendtheater Murkelbühne und hat als ehemaliger Nutzer des Eliashofs erfahren, was es heißt, wenn man an der Struktur des Kulturareals kratzt. Er wolle das jetzt auf sich beruhen lassen, verweist aber auf ein Referenzbeispiel, und zwar das „Haus der jungen Talente“. Sollte sich im Kulturareal nichts ändern, drohe hier das gleiche Schicksal wie dem untergegangenen HDJT.

Das HDJT war einer der größten Jugend- und Alternativclubs der DDR, hochbezuschusst und verwöhnt von regem Publikumsinteresse, auch aus West-Berlin. Der Club, unweit vom Alexanderplatz, ging mit dieser Struktur in die Wende und ins vereinte Deutschland – und dann ziemlich schnell baden. Leute, die damals dabei waren, sind der Meinung, dass das auch am mangelnden Willen der Verantwortlichen lag, die neuen Verhältnisse zu akzeptieren.

 

Lenker ohne Lenker

 

Zurück ins Heute und nach Prenzlauer Berg. Auch hier verändern sich die Zustände. Florian Schöttle ist Atelierbeauftragter im Kulturwerk des Berufsverbandes bildender Künstler Berlin und vor allem in Prenzlauer Berg tätig. Laut seiner Statistik wohnen im Kiez rund 1.400 Künstler. Für Schöttle ist der Kampf um das Kulturareal im Thälmannpark ein wichtiger – und vor allem ein Symbol. Denn für Schöttle geht es ganz grundsätzlich um die Frage, wie es weiter gehen kann für all die nicht etablierten Künstler im Kiez, abseits von den großen Namen Kulturbrauerei und Pfefferberg. 

„Seit der Wende hat in Prenzlauer Berg im Kulturbereich niemand den Lenker angefasst“, sagt Schöttle. Mit der Folge, dass in wenigen Jahren geschützte Mietverhältnisse für prekäre Künstler enden würden, die Freiflächen verschwänden – und im Kulturareal nicht darüber nachgedacht werde, wie man gegensteuern könne. „Gegen dieses Besitzstandsdenken hilft kein Wünschen, nur Regieren“, sagt Schöttle. „Prenzlauer Berg ist inzwischen abgegrast“, man müsse nun effektiver das nutzen, was vorhanden ist. „Sonst wandern die Künstler nach Weißensee ab.“ 

Im Kulturareal wollte man zu der Debatte nichts sagen, nur das: „Wir bieten doch schon längst Freiräume“. Zuständig sei das Bezirksamt. Der erst seit kurzem zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) konnte noch keine Auskunft über Zukunftsvisionen für das Areal geben. Auch der Sprecher der Künstler in der Wabe, der Potsdamer Filmhochschulprofessor Jens Becker, war nicht zu erreichen.

 

 

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